Entscheidungsstichwort (Thema)

Inhalt und Umfang der Wohnnutzung i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG

 

Leitsatz (NV)

1. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG setzt voraus, daß die einjährige, unmittelbare eigenwohnliche Nutzung des Einfamilienhauses auf dem Recht des Erwerbers beruht, wie es sich aus dem Kaufvertrag ergibt.

2. Die Wohnnutzung muß sich auf das gesamte Einfamilienhaus erstrecken.

 

Normenkette

GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 28. Oktober 1980 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Für diesen Grunderwerb beantragte sie Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG). Hierzu behauptete sie, das Dachgeschoß des streitigen Hausanwesens ausgebaut und etwa im November 1980 bezogen zu haben. Durch notariellen Vertrag vom 28. Juli 1981 veräußerte sie das Grundstück an die Tante ihres Ehemannes. Diese wurde am 9. Oktober 1981 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. In dem Weiterveräußerungsvertrag war der Übergang des Besitzes auf die Nacherwerberin auf den 1. November 1981 vereinbart. Die Klägerin behauptet, das Dachgeschoß des Einfamilienhauses bis Ende Januar 1982 bewohnt zu haben. Die beiden unteren Etagen des Hauses seien etwa drei Monate nach ihrem Erwerb von den Mietern geräumt, in der Folgezeit renoviert und von der Nacherwerberin bezogen worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) entsprach zunächst dem Befreiungsbegehren der Klägerin, setzte jedoch nach Bekanntwerden der Weiterveräußerung Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM fest. Einspruch und Klage hiergegen, mit denen die Klägerin die Ansicht vertrat, es komme allein auf die einjährige Nutzungsdauer an, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat offengelassen, ob die zum Teil widersprüchlichen Angaben der Klägerin zur Eigennutzung des Hauses zutreffend sind. Die Klage - so das FG - habe vielmehr aus Rechtsgründen keinen Erfolg. Die Klägerin habe nämlich nach erfolgter Weiterveräußerung des Grundstücks (28. Juli 1981) sowie nach Eigentumsumschreibung (9. Oktober 1981) und Übergang des Besitzes (1. November 1981) das Wohngebäude nicht mehr ,,aus eigenem Recht" bewohnt. Ab dem 1. November 1981 habe sie kein eigenes Besitzrecht mehr gehabt, das noch als Nachwirkung ihrer früheren Eigentümerstellung gewertet werden könnte.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStEigWoG. Auch dann, wenn die Weiterbenutzung des Hauses im Veräußerungsvertrag ausdrücklich mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbart worden sei, müsse dies als Eigennutzung im Sinne des GrEStEigWoG angesehen werden. Sie, die Klägerin, habe sich in dem Vertrag das Recht gesichert, den Grundbesitz weiter unentgeltlich nutzen zu dürfen. Eine Auszugsverpflichtung sei ausdrücklich ausgeschlossen worden. Aufgrund dieser Berechtigung habe sie in dem Gebäude noch bis Ende Januar 1982 gewohnt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die vorläufige Steuerbefreiung für den Grunderwerb der Klägerin durch die Weiterveräußerung des Grundstücks entfallen ist (§ 3 Abs. 1 GrEStEigWoG). Das FA war berechtigt, die Steuer festzusetzen.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 GrEStEigWoG ist der Erwerb eines Grundstücks mit einem Einfamilienhaus im Ausmaß des Freibetrages von der Grunderwerbsteuer materiell endgültig ausgenommen, wenn es von dem Erwerber (oder einem nahen Angehörigen) binnen fünf Jahren mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnt wird (und zu mehr als 662/3 v. H. Wohnzwecken dient). Wenn er aber die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG nicht erfüllt, so entfällt die Steuerbefreiung (mit Wirkung für die Vergangenheit). Die Steuer kann dabei auch schon vor Ablauf von vier Jahren seit dem Grundstückserwerb entstehen, wenn die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen unmöglich geworden ist (vgl. hierzu: Boruttau / Egly / Sigloch, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 11. Aufl., Anhang Tz. 1992).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Klägerin im Streitfall aus Rechtsgründen die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift, nämlich die einjährige Eigennutzung des Einfamilienhauses, unmöglich geworden ist.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist Voraussetzung für die Steuerbefreiung, daß die eigenwohnliche Nutzung auf dem Recht des Erwerbers beruht, wie es sich aus dem Kaufvertrag ergibt (vgl. die Senatsurteile vom 13. Mai 1981 II R 146 /79, BFHE 133, 448, 449, BStBl II 1981, 680, und vom 31. März 1982 II R 88/81, BFHE 136, 151, BStBl II 1982, 627). Denn aus dem Verlangen nach der eigenwohnlichen Nutzung durch den Erwerber bzw. seine nächsten Angehörigen ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, das Wohnen im eigenen Heim durch Befreiung von der Grunderwerbsteuer zu begünstigen.

Im Streitfall hat die Klägerin die Wohnauflage des Gesetzes nicht erfüllt. Denn sie hat das von ihr erworbene Einfamilienhaus nicht ein Jahr lang aus eigenem Recht, wie es sich aus dem Kaufvertrag ergibt, genutzt. Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit im Einzelfall bei Weiterveräußerung eines Grundstücks vor Ablauf der einjährigen Nutzungsdauer mit der Maßgabe, daß der Veräußerer sich die Nutzung des Hauses bis zum Ablauf der gesetzlichen Nutzungsdauer von einem Jahr vorbehält, die gesetzlichen Voraussetzungen der eigenwohnlichen Nutzung noch erfüllt werden können. Diese können jedenfalls dann nicht mehr erfüllt werden, wenn der Weiterveräußerungsvertrag vollzogen, d. h., wenn der Eigentumswechsel erfolgt und der Besitz auf den Nacherwerber übergegangen ist. In einem solchen Fall hat der vormalige Grundstückseigentümer sich aller aus dem ursprünglichen Kaufvertrag ergebenden Rechte begeben. Das FG stellt insoweit zu Recht fest, daß in diesem Falle kein eigenes Besitzrecht mehr besteht, das noch als Nachwirkung der früheren Eigentümerstellung gewertet werden könnte. Vielmehr leitet der vormalige Eigentümer sein Besitzrecht dann nur noch vom Nacherwerber ab (vgl. § 868 des Bürgerlichen Gesetzbuches).

Das FG hat festgestellt, daß spätestens am 1. November 1981 der Weiterveräußerungsvertrag vom 28. Juli 1981 vollzogen worden war, indem zu diesem Zeitpunkt nach vorheriger Eigentumsumschreibung im Grundbuch der Besitz auf die Nacherwerberin übergegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin jedoch noch nicht ein Jahr ununterbrochen das Einfamilienhaus bewohnt. Daß die Klägerin nach ihrer eigenen Behauptung danach noch bis Ende Januar 1982 im Dachgeschoß des Einfamilienhauses gewohnt hat, ist, wie oben dargelegt, nicht als Eigennutzung im Sinne des GrEStEigWoG zu werten.

Soweit die Klägerin mit der Revision vorträgt, sie habe sich in dem Weiterveräußerungsvertrag das Recht gesichert, den Grundbesitz weiter unentgeltlich zu nutzen und vereinbart, daß eine Auszugsverpflichtung ausdrücklich ausgeschlossen gewesen sei, ist dies neuer Sachvortrag, der vom Revisionsgericht nicht berücksichtigt werden kann; denn die Klägerin hat wegen des Fehlens dieser Feststellungen im Urteil des FG zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

Schließlich steht der eigenwohnlichen Nutzung des Hauses durch die Klägerin auch der Umstand entgegen, daß sich die Wohnnutzung nicht auf das gesamte Einfamilienhaus erstreckte. Vielmehr waren nach den eigenen Angaben der Klägerin die beiden unteren Geschosse des Einfamilienhauses zunächst fremdvermietet, hatten dann (wegen Renovierungsarbeiten) leergestanden und waren danach von der Nacherwerberin genutzt worden. Somit stand der überwiegende Teil des Hauses der Klägerin ohnehin nicht zur eigenen Wohnnutzung zur Verfügung (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 18. März 1986 II S 2/86, BFH / NV 1987, 533).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 536

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