Leitsatz (amtlich)

Gewillkürtes Betriebsvermögen wird nicht allein deshalb Privatvermögen, weil der Gewinn des Steuerpflichtigen nicht mehr auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung, sondern durch Schätzung nach § 217 AO ermittelt wird.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist in der Einkommensteuersache 1961, ob der Revisionskläger (FA) zu Recht annahm, im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe habe das dem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann der Revisionsbeklagten gehörende Grundstück in vollem Umfang zum Betriebsvermögen gehört.

Der verstorbene Steuerpflichtige betrieb bis zum 14. Januar 1961 auf dem ihm gehörenden Grundstück eine Schlachterei mit Ladengeschäft. Seit 15. Januar 1961 war er bei anderen Schlachtern als Arbeitnehmer tätig. Er führte nie ordnungsgemäß Bücher. Ab 1958 gab er keine Steuererklärungen ab. Die Einkommensteuerbescheide ergingen auf Grund von Schätzungen des Gewinns aus Gewerbebetrieb als alleiniger Einnahmequelle.

Auf dem Grundstück befanden sich neben der Schlachterei seit dem 1. November 1958 eine Gastwirtschaft, die durch Ausbau der vorher zur Schlachterei gehörenden Küche eingerichtet wurde und die 1960 noch einen weiteren, ebenfalls bisher der Schlachterei dienenden Raum zum Ausbau für ein Clubzimmer erhielt, sowie seit dem 1. Oktober 1959 ein Friseurgeschäft. Nach Einstellung des Schlachtereibetriebes wurden die der Schlachterei noch verbliebenen Räume bis zum 1. September 1966 und die des Friseurgeschäfts bis zum 30. September 1979 an eine Möbeleinzelhandlung als Geschäfts- und Ausstellungsräume vermietet. Das ebenfalls auf dem Grundstück gelegene Schlachthaus wurde von der Pächterin der Gastwirtschaft übernommen und zu einer Wohnung umgebaut.

Die zum Schlachtereibetrieb gehörenden Gegenstände verwertete der Steuerpflichtige nach Einstellung des Betriebs teils durch Veräußerung und teils durch Überführung ins Privatvermögen. Er teilte dem FA auf Anfrage mit, daß er seine Schlachterei gänzlich aufgegeben habe. Daraufhin ermittelte das FA den Veräußerungsgewinn (§ 16 Abs. 1 und 3 EStG) in Höhe von 72 764 DM und schätzte den laufenden Gewinn für die Zeit vom 1. bis 14. Januar 1961 auf 145 DM. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns ging es von einem Grundstückswert von 87 500 DM aus.

Der Einspruch des Steuerpflichtigen hatte insoweit Erfolg, als das FA den Veräußerungsgewinn auf 70 264 DM ermäßigte, da es bei dessen Ermittlung den Buchwert des Grund und Bodens in Höhe von 2 500 DM nicht berücksichtigt hatte.

Das FG hielt die Berufung des Steuerpflichtigen für überwiegend begründet. Den laufenden Gewinn schätzte es auf 0 DM. Als Veräußerungsgewinn setzte es einen Betrag von 17 637 DM an. Dabei schätzte es auf Grund eines Gutachtens des Stadtbauamts den gemeinen Wert des Grundstücks auf 75 000 DM. Es vertrat die Auffassung, daß dieser Wert nicht voll, sondern nur zu einem Drittel beim Betriebsvermögen angesetzt werden durfte. Hierzu führte es aus, daß das Grundstück zum Zeitpunkt der Eetriebsaufgabe nur zu einem Drittel dem Betrieb des Steuerpflichtigen gedient habe und im übrigen an branchenfremde Unternehmer vermietet und zu eigenen Wohnzwecken verwendet worden sei. Deshalb gehöre nur ein Drittel des Grundstücks zum notwendigen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen. Die übrigen zwei Drittel könnten nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden, weil es an einem in den Büchern zum Ausdruck gekommenen rechtlich beachtlichen Willensakt des Steuerpflichtigen fehle, das gesamte Grundstück als Betriebsvermögen zu behandeln. Denn zur Zeit der Betriebsaufgabe habe der Steuerpflichtige keine Bücher geführt und insbesondere auch keine Bilanzen aufgestellt. Er habe also einen rechtlich beachtlichen Willen hinsichtlich der steuerlichen Behandlung seines Grundstücks nicht kundgetan. Auch der in den bis 1957 aufgestellten Bilanzen zum Ausdruck gekommene Wille des Steuerpflichtigen, das ganze Grundstück als Betriebsvermögen zu behandeln, führe zu keinem anderen Ergebnis. Dieser Wille hätte nur dann berücksichtigt werden können, wenn er in einer ordnungsmäßigen Buchführung bis zur Aufgabe des Betriebs zum Ausdruck gekommen wäre. Da der Steuerpflichtige zu keiner Zeit ordnungsmäßige Bücher geführt habe, gehöre nur das zum Betriebsvermögen, was dem Betrieb im jeweiligen Zeitpunkt als notwendiges Betriebsvermögen gedient habe. Die an die Gastwirtschaft und das Friseurgeschäft abgegebenen ehemaligen Räume der Schlachterei seien daher als in den Jahren 1958 bis 1960 entnommen anzusehen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA, mit der es beantragt, das gesamte Grundstück mit einem Wert von 75 000 DM im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe als Betriebsvermögen zu behandeln und bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Auf Grund der Feststellungen des FG stand es dem Steuerpflichtigen frei, den nicht eigenbetrieblich genutzten Teil seines Grundstücks als gewillkürtes Betriebsvermögen zu behandeln. Einen entsprechenden Willen brachte der Steuerpflichtige in seinen bis 1957 aufgestellten Bilanzen zum Ausdruck. Darauf, ob der Steuerpflichtige in der Folgezeit ordnungsmäßige Bücher führte und Bilanzen erstellte, kommt es entgegen der Ansicht des FG für die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens nicht an (vgl. Urteil des BFH I 15/61 vom 7. November 1961, HFR 1962, 29). Eine vor der Betriebsaufgabe liegende Entnahme des nicht eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteils durch den Steuerpflichtigen könnte nur anerkannt werden, wenn er diesen Grundstücksteil - eindeutig in der Buchführung erkennbar - aus dem Betriebsvermögen entnommen hätte (vgl. Urteil des Senats IV 392/61 vom 16. September 1964, HFR 1965, 108). Hierzu fehlt es an tatsächlichen Feststellungen.

Da das FG von anderen Grundsätzen ausging, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Das FG muß feststellen, ob der Steuerpflichtige zwischen dem 31. Dezember 1957 und dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe den nicht eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteil eindeutig entnommen hat.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 35

BFHE 1968, 546

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