Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermietung binnen der Sechsmonatsfrist des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG

 

Leitsatz (NV)

Die Sechsmonatsfrist des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG wird nicht bereits allein durch den Abschluß eines Mietvertrages gewahrt, sondern nur, wenn innerhalb dieser Frist die Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt beginnt, d. h. dem Mieter die Wohnung zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung gestellt wird und der Mieter für diese Nutzungsmöglichkeit ein Entgelt zu entrichten hat.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 2 S. 1, § 21a Abs. 1 S. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 21 S. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, sind je zur Hälfte Eigentümer eines Zweifamilienhauses. Seit dessen Fertigstellung im Dezember 1986 nutzen die Kläger die Hauptwohnung selbst. Die Kellergeschoßwohnung vermieteten sie mit Mietvertrag vom 12. April 1987. Als Beginn des Mietverhältnisses wurde der 1. November 1987 vereinbart.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im Streitjahr 1990 lediglich (anteilige) erhöhte Absetzungen nach § 7 b i. V. m. § 52 Abs. 21 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wie Sonderausgaben an.

Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machten die Kläger geltend, die Kellergeschoßwohnung sei binnen der Sechsmonatsfrist des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG vermietet worden. Deshalb sei bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Streitjahres der Nutzungswert für ihre selbstgenutzte Wohnung (ohne Arbeitszimmer) gemäß der sog. großen Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 Satz 2 EStG) zu ermitteln.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 und § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1990 mit ... DM anzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Streitjahres 1990 für die selbstgenutzte Wohnung einen Nutzungswert nicht angesetzt.

1. Nach § 52 Abs. 21 Satz 1 EStG sind § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG und § 21 a EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden. Allerdings kann nach der sog. großen Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG bei einer Wohnung im eigenen Haus der Nutzungswert für die eigengenutzte Wohnung weiter durch Einnahme-Überschußrechnung ermittelt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben (vgl. z. B. Senatsurteile vom 13. August 1996 IX R 46/94, BFHE 181, 79, BStBl II 1996, 652, und vom 22. März 1994 IX R 78/92, BFH/NV 1995, 99). War der Nutzungswert einer eigengenutzten Wohnung dagegen in 1986 nach § 21 a EStG pauschal zu ermitteln, ist die sog. große Übergangsregelung nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut selbst dann nicht anzuwenden, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in der Folgezeit geändert haben (vgl. z. B. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 21 Rdnr. C 29; Obermeier, Das selbstgenutzte Wohneigentum, 3. Aufl., Rz. 357).

Die Pauschalierung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung gemäß § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG gilt gemäß Satz 2 dieser Norm auch bei einer Wohnung in einem eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist. Sie entfällt gemäß Satz 3 jedoch u. a., wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sechs Monaten nach Fertigstellung des Hauses mindestens eine Wohnung zur dauernden Nutzung vermietet (Nr. 2). Kann keine Wohnung binnen dieser Frist vermietet werden, so ist der Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung bereits ab Beginn der Sechsmonatsfrist (oder dem späteren Beginn der Selbstnutzung) nach § 21 a EStG zu ermitteln, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die Vermietung unterblieb oder nicht rechtzeitig erfolgte (Senatsurteil vom 14. Februar 1995 IX R 74/92, BFH/NV 1995, 1051).

Vermietet i. S. des § 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG ist eine Wohnung dann, wenn ihr Gebrauch auf Zeit gegen Entgelt überlassen wird (Senatsurteile vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75, und vom 5. Mai 1992 IX R 168/87, BFHE 168, 166, BStBl II 1992, 824). Der Begriff "vermietet" knüpft ebenso wie die weiteren in § 21 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG genannten Tatbestandsmerkmale "Beendigung einer Vermietung", "Beendigung der Selbstnutzung", "selbst nutzt" und "unentgeltlich überläßt" an die tatsächliche Nutzung oder Nutzungsüberlassung an (vgl. Clausen in Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 21 a EStG Anm. 107, 110 a. E.). Die Sechsmonatsfrist des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG wird deshalb nicht bereits durch den Abschluß eines Mietvertrages allein gewahrt, sondern nur, wenn innerhalb dieser Frist die Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt beginnt, d. h. dem Mieter die Wohnung zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung gestellt wird und der Mieter für diese Nutzungsmöglichkeit ein Entgelt zu entrichten hat.

Diese Auslegung des Begriffs "vermietet" entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Durch § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sollte ein Anreiz zur Teilvermietung von Gebäuden geschaffen werden, um dem Wohnungsmarkt solche zusätzlichen Wohnungen zuzuführen, die tatsächlich von den Mietern ständig zu Wohnzwecken genutzt werden (vgl. Gesetzesbegründung zu § 21 a EStG n. F., BTDrucks 9/796, S. 8 und 9/843, S. 10). Die Sechsmonatsfrist in § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG dient dem Zweck, eine klare zeitliche Grenze für das steuerunschädliche Leerstehen einer Wohnung zu ziehen (vgl. Gesetzesbegründung, a. a. O.). Entgegen der Ansicht der Kläger und einem Teil des Schrifttums (vgl. Bordewin in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 a Anm. 87, Beispiel 2) ist der Abschlußzeitpunkt des Mietvertrages hierfür kein geeignetes Kriterium; denn dann würde es von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles abhängen, welcher Zeitraum zwischen der Fertigstellung des Hauses und dem vereinbarten Mietbeginn noch als vorübergehendes unschädliches Leerstehen zu werten ist. Dies widerspräche der vom Gesetzgeber gewollten klaren zeitlichen Grenzziehung.

2. Das FG hat nach diesen Grundsätzen zutreffend für das Streitjahr 1990 keinen Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung gemäß § 52 Abs. 21 Satz 2, § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG angesetzt, weil die Kläger die Kellergeschoßwohnung des im Dezember 1986 fertiggestellten Zweifamilienhauses erst mehr als sechs Monate später -- ab dem 1. November 1987 -- zur tatsächlichen Nutzung überlassen hatten und deshalb im Veranlagungszeitraum 1986 der Nutzungswert der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung pauschal zu ermitteln war (§ 21 a Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422139

BFH/NV 1997, 561

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