Entscheidungsstichwort (Thema)

(Große Übergangsregelung: Erhaltungsaufwand an einer zeitweilig geräumten Wohnung)

 

Leitsatz (amtlich)

Auch nach der sog. großen Übergangsregelung des § 52 Abs.21 Satz 2 EStG können Aufwendungen für den Umbau und die Modernisierung einer zeitweilig geräumten Wohnung als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie in einem hinreichend eindeutigen Zusammenhang mit der im Rahmen einer anschließend fortgeführten Nutzungswertbesteuerung in bezug auf diese Wohnung anzusetzenden Rohmiete stehen.

 

Orientierungssatz

Der Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten steht grundsätzlich nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige während des Übergangszeitraums den Wegfall der Nutzungswertbesteuerung beantragen kann. Ein nach Durchführung der Umbaumaßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen gestellter Antrag auf Wegfall der Nutzungswertbesteuerung indiziert nicht zwingend das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht bereits zum Zeitpunkt der Durchführung der Baumaßnahmen an der Wohnung.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, § 52 Abs. 21 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 28.09.1993; Aktenzeichen 2 K 463/93)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte im Jahre 1976 ein Zweifamilienhaus, bestehend aus einer Hauptwohnung und einer Einliegerwohnung, errichtet. Bis März 1990 hatte er die Hauptwohnung selbst genutzt und die Einliegerwohnung vermietet. Im April 1990 bezog der Kläger die Einliegerwohnung; die Hauptwohnung wurde von diesem Zeitpunkt an umgebaut und renoviert und war daher nicht bewohnbar. Diese Situation dauerte auch während des Jahres 1991 (Streitjahr) an. Erst im Jahre 1992 bezog der Kläger wieder die Hauptwohnung.

Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 14 138 DM geltend; diesen Betrag hatte er durch Gegenüberstellung des Mietwertes für die selbstgenutzte Einliegerwohnung (3 240 DM) und der auf das gesamte Haus entfallenden Aufwendungen einschließlich der auf mehrere Jahre verteilten Umbau- und Renovierungskosten für die Hauptwohnung (17 378 DM) ermittelt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ den Werbungskostenüberschuß mit der Begründung unberücksichtigt, aufgrund der Räumung der Hauptwohnung und des Umzuges in die Einliegerwohnung hätten im Streitjahr die Voraussetzungen für die Fortführung der Nutzungswertbesteuerung nach der sog. großen Übergangsregelung des § 52 Abs.21 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht mehr vorgelegen.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 246 veröffentlichten Urteil abgewiesen: Maßgebend für die Fortführung der Nutzungswertbesteuerung seien nach § 52 Abs.21 Satz 2 EStG die Wohnverhältnisse im Jahre 1986. Für die Einliegerwohnung käme hiernach die Nutzungswertbesteuerung deshalb nicht in Betracht, weil diese Wohnung im Jahre 1986 vermietet gewesen sei. Für die Hauptwohnung könne die Nutzungswertbesteuerung nicht fortgeführt werden, weil diese Wohnung im Streitjahr von dem Kläger nicht mehr bewohnt worden sei, sondern leergestanden habe und aufgrund der Umbau- und Renovierungsarbeiten auch nicht nutzbar gewesen sei. Die auf die Hauptwohnung entfallenden Aufwendungen könnten auch nicht als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden.

Mit der Revision wendet sich der Kläger (nur noch) gegen die Nichtberücksichtigung der auf die Hauptwohnung entfallenden Aufwendungen. Nach seiner Ansicht ist entsprechend dem Wohnflächenverhältnis der beiden Wohnungen von den im Streitjahr insgesamt getätigten Aufwendungen ein Anteil in Höhe von 11 250 DM zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 1993 den Einkommensteuerbescheid vom 11. August 1992 in der Weise zu ändern, daß ein Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 11 250 DM berücksichtigt wird.

 

Entscheidungsgründe

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Nach seiner Ansicht kommt die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten unter Geltung der sog. großen Übergangsregelung in einem Veranlagungszeitraum, in dem die betreffende Wohnung von dem Steuerpflichtigen nicht zu Wohnzwecken genutzt wird, auch dann nicht in Betracht, wenn die Wohnung nach der vorübergehenden Räumung wieder genutzt wird.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Zutreffend hat das FG zunächst entschieden, daß für die Hauptwohnung im Zweifamilienhaus des Klägers im Streitjahr kein Nutzungswert (§ 21 Abs.2 Satz 1 1.Alternative EStG) anzusetzen war.

a) Nach § 52 Abs.21 Satz 1 EStG sind § 21 Abs.2 Satz 1 EStG und § 21a EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden. Allerdings kann nach der sog. großen Übergangsregelung in § 52 Abs.21 Satz 2 EStG bei einer Wohnung im eigenen Haus der Nutzungswert für die eigengenutzte Wohnung weiter im Wege der Einnahme-Überschußrechnung ermittelt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben (vgl. z.B. Senatsurteile vom 30. Juli 1991 IX R 49/90, BFHE 165, 92, BStBl II 1992, 27, und vom 22. März 1994 IX R 78/92, BFH/NV 1995, 99).

Aus dem Wortlaut des § 52 Abs.21 Satz 2 EStG ergibt sich, daß die Übergangsregelung nur jeweils die "Wohnung" im eigenen Haus und nicht das Haus als solches betrifft. Deshalb entfällt die Fortführung der Nutzungswertbesteuerung, wenn der Steuerpflichtige aus einer im Veranlagungszeitraum 1986 selbst genutzten Wohnung in einem späteren Veranlagungszeitraum in eine im Veranlagungszeitraum 1986 vermietete Wohnung umzieht (Senatsurteil vom 14. Februar 1995 IX R 65/93, BFHE 177, 373, BStBl II 1995, 535).

b) Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn eine im Jahre 1986 und in der Folgezeit zunächst zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung während der Geltungsdauer der sog. großen Übergangsregelung vorübergehend geräumt und anschließend --z.B. nach Umbau und Renovierung-- vom Steuerpflichtigen wieder bezogen wird. Nach § 52 Abs.21 Satz 2 EStG ist die Übergangsregelung nur dann anzuwenden, wenn in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen für die Besteuerung des Nutzungswertes nach § 21 Abs.2 Satz 1 EStG vorliegen. Ist aber eine Wohnung --wie im Streitfall-- infolge von Umbau- und Renovierungsmaßnahmen während eines Veranlagungszeitraumes nicht bewohnbar, ist ein Nutzungswert nicht anzusetzen (Senatsurteil vom 29. März 1988 IX R 224/84, BFH/NV 1989, 159, m.w.N.).

2. Zu Unrecht hat das FG jedoch die Aufwendungen des Klägers hinsichtlich der Hauptwohnung nicht als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt.

a) Der Umstand, daß ein Nutzungswert i.S. des § 21 Abs.2 Satz 1 1.Alternative EStG nicht anzusetzen ist, steht dem Abzug der Aufwendungen als sog. vorab entstandene Werbungskosten nicht entgegen. Voraussetzung ist jedoch, daß der Kläger beabsichtigt hat, nach Fertigstellen der Hauptwohnung insoweit weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (vgl. Senatsurteile vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761, und vom 28. Juli 1993 IX R 74/91, BFHE 171, 562, BStBl II 1994, 921).

b) Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen der sog. großen Übergangsregelung des § 52 Abs.21 Satz 2 EStG. Sie wurde aus Gründen des Vertrauensschutzes in das Gesetz aufgenommen. Die Inhaber von Wohnungen im eigenen Haus sollten nicht übergangslos den für sie nachteiligen Folgen der Konsumgutlösung unterworfen werden (vgl. Senatsurteile vom 25. Januar 1994 IX R 143/90, BFHE 174, 133, BStBl II 1994, 457, und vom 14. Februar 1995 IX R 66/94, BFHE 177, 99, BStBl II 1995, 412, und IX R 74/92, BFH/NV 1995, 1051). Vielmehr sollte ihnen im Hinblick darauf, daß dem Eigenheimbau oder -erwerb regelmäßig längerfristige Liquiditätsrechnungen unter Einbeziehung der steuerlichen Entlastungen zugrunde gelegt werden, für einen Übergangszeitraum von 12 Jahren die Möglichkeit eingeräumt werden, sich steuerrechtlich so behandeln zu lassen wie vor der Einführung der Konsumgutlösung zum 1. Januar 1987 (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums, BTDrucks 10/3633 S.11). Dieser gesetzgeberischen Absicht ist bei der Auslegung und Anwendung der sog. großen Übergangsregelung Rechnung zu tragen.

c) Für den Zeitraum vor Einführung der Konsumgutlösung ist anerkannt, daß Aufwendungen für die Instandsetzung einer eigengenutzten Wohnung auch dann --im Hinblick auf die anschließende, weitere Nutzung der Wohnung-- als vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen sind, wenn die Wohnung zur Durchführung der Baumaßnahmen vorübergehend nicht genutzt wird und daher zeitweise kein Nutzungswert i.S. von § 21 Abs.2 Satz 1 EStG anzusetzen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30. Januar 1979 VIII R 130/74, BFHE 127, 367, BStBl II 1979, 431; Senatsurteile vom 12. Februar 1985 IX R 43/82, BFHE 143, 132, BStBl II 1985, 422, und vom 17. Januar 1995 IX R 106/90, BFH/NV 1995, 871).

d) Für eine anderweitige Beurteilung besteht auch unter Geltung der Übergangsregelung des § 52 Abs.21 Satz 2 EStG angesichts ihrer oben dargestellten gesetzgeberischen Zielsetzung kein Anlaß.

Nach allgemeiner Auffassung kommt nämlich eine Nutzungswertbesteuerung auch dann wieder in Betracht, wenn deren Voraussetzungen i.S. des § 52 Abs.21 Satz 2 EStG erfüllt werden, nachdem dies zwischenzeitlich für einen oder mehrere Veranlagungszeiträume nicht der Fall war (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 19. September 1986, BStBl I 1986, 480, unter II. 1. Buchst.b; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 15.Aufl., § 21 EStG Rz.331; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 15.Aufl., § 10e Rz.210; Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 21 EStG, Rn.576, jeweils m.w.N.). Mithin ist es auch für den Übergangszeitraum des § 52 Abs.21 Satz 2 EStG gerechtfertigt, Aufwendungen für den Umbau und die Modernisierung einer zeitweilig geräumten Wohnung als vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn sie in einem hinreichend eindeutigen Zusammenhang mit den anschließend wiederum der Nutzungswertbesteuerung unterliegenden Einnahmen stehen.

Entgegen der Ansicht des FA steht der Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten nicht grundsätzlich entgegen, daß der Steuerpflichtige während des Übergangszeitraums den Wegfall der Nutzungswertbesteuerung beantragen kann (§ 52 Abs.21 Satz 3 EStG). Ein solcher Antrag entfaltet nämlich lediglich eine Wirksamkeit ex nunc; d.h., die Nutzungswertbesteuerung entfällt erst mit Beginn desjenigen Veranlagungszeitraumes, für den der Antrag gestellt ist. Ein nach der Durchführung von Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen gestellter Antrag auf Wegfall der Nutzungswertbesteuerung indiziert nicht zwingend das Fehlen einer Einkünfteerzielungsabsicht bereits zum Zeitpunkt der Durchführung der Baumaßnahmen an der Wohnung (vgl. Beschluß des FG des Saarlandes vom 26. Februar 1993 1 V 19/93, EFG 1993, 518; Schmidt/Drenseck, a.a.O., Rz.204). Vielmehr ist jeweils im Einzelfall festzustellen, ob zwischen den Aufwendungen des Steuerpflichtigen und den im Rahmen einer anschließenden Nutzungswertbesteuerung anzusetzenden (fiktiven) Mieteinnahmen der für die Annahme vorab entstandener Werbungskosten notwendige, hinreichend deutliche Zusammenhang besteht.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat zunächst keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger die auf die Hauptwohnung entfallenden Kosten im Streitjahr in der Absicht aufgewandt hat, aus dieser Wohnung zukünftig Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Ferner hat das FG --aus seiner Sicht zu Recht-- nicht festgestellt, in welcher Höhe als Werbungskosten abziehbare Aufwendungen auf die Hauptwohnung entfallen sind. Die vom Kläger im Revisionsverfahren nach dem Verhältnis der Wohnflächen der beiden Wohnungen vorgenommene Aufteilung der gesamten Aufwendungen kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden; abgesehen davon, daß es sich insoweit um nicht zu berücksichtigendes, neues tatsächliches Vorbringen handelt, wird der gewählte Aufteilungsmaßstab den Verhältnissen im Streitfall deshalb nicht gerecht, weil der Kläger im Streitjahr über die üblichen laufenden Kosten hinaus besondere Aufwendungen für den Umbau und die Renovierung der Hauptwohnung getätigt hat. Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, welche Aufwendungen des Klägers insoweit unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen bei grundlegenden Instandsetzung- und Modernisierungsarbeiten an Gebäuden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454) als vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66036

BFH/NV 1997, 20

BStBl II 1996, 652

BFHE 181, 79

BFHE 1997, 79

BB 1996, 2337

BB 1996, 2337-2339 (LT)

DB 1996, 2368-2369 (LT)

DStR 1996, 1849-1851 (KT)

DStZ 1997, 380-381 (L)

HFR 1997, 77-79 (L)

StE 1996, 715 (K)

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