Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Unbebaute Grundstücke eines gewerblichen Betriebs sind als Vorratsgelände des Betriebs anzusehen, wenn nach den Umständen (z. B. mit Rücksicht auf die Lage der Grundstücke in einem Industriegelände, wegen des räumlichen Zusammenhangs mit einem Fabrikgelände) damit zu rechnen ist, daß sie künftig für gewerbliche Zwecke verwendet werden.

 

Normenkette

GrStG § 12; GrStDV § 33 Ziff. 1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat in N. eine Fabrik. Das Fabrikgelände umfaßt eine Fläche von 70.117 qm. Im räumlichen Zusammenhang mit dem Fabrikgelände stehen zwei unbebaute Grundstücke der Bfin.: 33 III 119 mit 26.995 qm und 33 III 120 mit 16.981 qm. Der Einheitswert 1935 des Grundstücks 33 III 119 beträgt 135.000 RM, der Grundsteuermeßbetrag 1.350 DM. Für das Grundstück 33 III 120 wurde zum 1. Januar 1950, nachdem vorher ein Teil des Grundstücks dem Fabrikgelände zugeschlagen worden war, der bisherige Einheitswert von 255.300 DM auf 84.900 DM und der bisherige Grundsteuermeßbetrag von 2.553 DM auf 849 DM herabgesetzt.

Nach den Akten ist der Bfin. viele Jahre hindurch die Jahresgrundsteuer für beide Grundstücke jeweils zur Hälfte erlassen worden, weil es sich um unbebaute Grundstücke handelt, die nicht gewerblich oder betrieblich genutzt werden. Diese Vergünstigung hat das Finanzamt weisungsgemäß der Bfin. noch für die Rechnungsjahre 1951 und 1952 belassen. Den Antrag der Bfin., ihr auch ab 1. April 1953 für beide Grundstücke die Grundsteuer zur Hälfte zu erlassen, hat das Finanzamt als Antrag auf Herabsetzung der Steuermeßzahl von 10 v. T. auf 5 v. T. zum 1. Januar 1953 aufgefaßt. Der Antrag selbst ist jedoch mit der Begründung abgelehnt worden, daß nach den gepflogenen Ermittlungen beide Grundstücke in einer Gegend lägen, die ausschließlich Industriegelände sei und nicht mit Wohngebäuden bebaut werden dürfe, und daß es sich deshalb um Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs handle. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.

Die Vorinstanz hat ausgeführt, die beiden unbebauten Grundstücke seien zwar Betriebsgrundstücke der Bfin.; dies lasse jedoch keinen Schluß auf ihre Benutzung und ihre Eigenschaft als Vorratsgelände zu. Die Bfin. habe unwiderlegt und glaubhaft vorgetragen, daß die beiden Grundstücke weder für eigene noch für fremde gewerbliche oder betriebliche Zwecke benutzt würden. Damit sei aber nicht gesagt, daß nicht beide Grundstücke Vorratsgelände ihres gewerblichen Betriebs seien. Die Behauptung der Bfin. möge zutreffen, daß sie im Jahre 1886 beim Erwerb des ehemaligen Gutsgeländes (auf dem die Fabrik stehe) dieses im ganzen und damit auch das eine streitige Grundstück (33 III 119) habe übernehmen müssen, ohne gerade damals an diesem Grundstück interessiert gewesen zu sein. Die rund 70jährige ununterbrochene Zugehörigkeit dieses Grundstücks zum Betriebsvermögen der Bfin. spreche jedoch nach den Lebenserfahrungen zwingend dafür, daß es zumindest im Laufe der Zeit Vorratsgelände geworden sei. Die derzeitige Nutzung des Grundstücks als Obstgarten nehme ihm nicht die Eigenschaft des Vorratsgeländes. Beim anderen Grundstück (33 III 120) lägen die Verhältnisse ähnlich. Auch dieses befinde sich seit Jahrzehnten im Besitz der Bfin. Der Umstand, daß dieses Grundstück zur Zeit ungenutzt liege, sumpfig und mit Gestrüpp bewachsen sei, schließe seine betriebliche und gewerbliche Verwendbarkeit nicht aus. Diese lasse sich durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Aufschüttung erreichen, wie dies in ähnlich gelagerten Fällen in der Umgebung bereits geschehen sei. Daß die Bfin. selbst mit dieser Möglichkeit rechne, müsse daraus geschlossen werden, daß sie dieses Grundstück mehrere Jahrzehnte hindurch bis heute in ihrem Betriebsvermögen geführt habe. Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, das Betriebsvermögen mit wirtschaftlich unverwertbaren Grundstücken Jahrzehnte hindurch zu belasten und so nutzlos Kapital zu binden. Da beide Grundstücke zudem räumlich mit dem Fabrikgelände der Bfin. zusammenhingen, liege das jederzeitige Zurückgreifen der Bfin. auf sie im Bereich der Möglichkeit und der Wahrscheinlichkeit. Für diese Annahme spreche sehr stark die Feststellung, daß aus den einen Grundstück (33 III 120) mit einer Gesamtfläche von ursprünglich 51.060 qm nach 1935 insgesamt 34.079 qm herausgenommen, bebaut und zur Fabrik zugeschlagen worden seien. Seitdem habe dieses Grundstück, wie die Wertfortschreibung zum 1. Januar 1950 zeige, nur noch eine Restfläche von 16.981 qm.

Die Bfin. rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Nach ihrer Auffassung müsse ein Grundstück, um Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs zu sein, am maßgebenden Stichtag für eine Nutzung zu gewerblichen oder betrieblichen Zwecken vorgesehen sein und vorrätig gehalten werden. Ob den beiden Grundstücken eine solche Eigenschaft beizumessen sei, könne nur auf Grund ihrer Lage und Beschaffenheit im Zusammenhang mit den betrieblichen Verhältnissen beurteilt werden. Die Tatsache, daß beide Grundstücke jahrzehntelang ununterbrochen zum Betriebsvermögen gehörten, sei ohne Bedeutung; ebensowenig könne es darauf ankommen, daß durch den Besitz dieser Grundstücke "nutzlos Kapital gebunden werde". Für das eine Grundstück (33 III 119) treffe dies auch gar nicht zu; denn dieses Grundstück werde als Gartenland benutzt. Das andere sumpfige und mit Gestrüpp bewachsene Grundstück (33 III 120) sei nach den tatsächlichen Verhältnissen am Stichtag, auf die es ankomme, nicht als Vorratsgelände für gewerbliche Zwecke zu verwerten gewesen. Im übrigen sei das Fabrikgrundstück selbst zu groß, daß es auch bei einer etwa beabsichtigten Erweiterung der Kapazität des Betriebs ohne Inanspruchnahme anderer Räumlichkeiten ausreichen würde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.

Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß im Streitfall für die beiden unbebauten Grundstücke die Steuermeßzahl nur dann 5 v. T. beträgt, wenn sie nicht Vorratsgelände öffentlicher oder gewerblicher Betriebe sind (ß 33 der Grundsteuerdurchführungsverordnung - GrStDV -). Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteil III 172/53 S vom 7. Mai 1954 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1954 III S. 214) zur Frage des Vorratsgeländes gewerblicher Betriebe Stellung genommen. Er ist damals zu dem Ergebnis gekommen, daß auf jeden Fall solche unbebaute Grundstücke aus dem Begriff des Vorratsgeländes herauszunehmen seien, bei denen nach den Umständen (insbesondere mit Rücksicht auf die Lage der Grundstücke in einem Wohnbaugebiet) damit zu rechnen sei, daß sie künftig nicht für gewerbliche Zwecke verwendet würden. Ohne Zweifel seien aber umgekehrt - entsprechend der Regelung in § 5 Abs. 2 Ziff. 2 GrStDV für die Bundesbahn - solche unbebaute Grundstücke in den Begriff des Vorratsgeländes einzubeziehen, die für Neuanlagen und Erweiterungen bestimmt seien. Offen geblieben ist die Frage, ob und inwieweit unbebaute Grundstücke, die zwischen beiden Gruppen liegen und bei denen die voraussichtliche künftige Verwendung nicht ohne weiteres zu erkennen ist, als Vorratsgelände anzusehen sind.

Im Streitfall hat die Vorinstanz eine Reihe objektiver Umstände angeführt, die dafür sprechen, daß es sich um Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs handelt. Vor allem ist die Lage der beiden Grundstücke und ihr räumlicher Zusammenhang mit dem Fabrikgelände hervorzuheben. Ein Blick auf den Lageplan zeigt, daß die beiden unbebauten Grundstücke unmittelbar mit dem Fabrikgrundstück zusammenhängen und daß es sich bei dem Fabrikgelände und den beiden unbebauten Grundstücken um einen einheitlichen Geländekomplex handelt. Besonders eng ist der Zusammenhang mit dem Grundstück 33 III 119; dieses, an der Ecke des Geländes liegend, ist auf zwei Seiten (seitlich und rückwärts) von dem Fabrikgelände umschlossen. Von besonderer Bedeutung ist aber der Hinweis der Vorinstanz, daß aus dem Grundstück 33 III 120 seit der Einheitsbewertung 1935 nach und nach 34.079 qm herausgenommen, bebaut und der Fabrik zugeschlagen worden sind. Hinzu kommt noch, daß nach dem Flächennutzungsplan des Planungsamts N - die Vorinstanz hat auf diese Feststellungen des Finanzamts in den Einheitswertakten nicht besonders hingewiesen - die beiden unbebauten Grundstücke wie folgt ausgewiesen sind:

Grundstück 33 III 119 mit 26.995 q:

22.495 qm als Industriegebiet - kein Wohngebiet -,

4.500 qm als private Grünfläche - nicht bebaubar und nicht für eigene Nutzung -;

Grundstück 33 III 120 mit 16.981 qm:

13.981 qm als Industriegebiet - kein Wohngebiet -,

3.000 qm als private Grünfläche - nicht bebaubar und nicht für eigene Nutzung -.

Im übrigen befindet sich - wie die Bfin. selbst früher angegeben hat und auch der Lageplan ersehen läßt - auch auf dem Grundstück 33 III 119 ein Tiefbrunnen (mit einem kleinen Brunnenhäuschen darüber), der gewerblichen Zwecken (d. h. wohl dem Fabrikbetrieb) dient.

Bei den beiden strittigen Grundstücken spricht nach all diesen Umständen die Vermutung dafür, daß sie künftig für gewerbliche Zwecke verwendet werden. Bei dieser Sachlage kann es darauf, ob die Bfin. selbst auch ohne Inanspruchnahme der beiden Grundstücke ihren Betrieb erweitern könnte, nicht mehr ankommen. Ebenso kann es keine Rolle spielen, daß das eine Grundstück noch als Obstgarten genutzt wird. Unverständlich ist die Behauptung der Bfin., das andere Grundstück sei wegen seiner Beschaffenheit (sumpfig usw.) am Stichtag nicht als Vorratsgelände zu verwerten gewesen; dieser Umstand kann nicht die Eigenschaft des Grundstücks als Vorratsgelände aufheben, er könnte sich höchstens wertmindernd auswirken. Die beiden unbebauten Grundstücke sind daher als Vorratsgelände im Sinne des § 33 Ziff. 1 der Durchführungsverordnung zum Grundsteuergesetz (GrStDV) anzusehen; die Steuermeßzahlen betragen für sie 10 v. T. (ß 12 des Grundsteuergesetzes, § 33 Ziff. 1 GrStDV).

Die Entscheidung im Kostenpunkt beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408082

BStBl III 1955, 11

BFHE 60, 28

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