Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Nutzung eines unbebauten Grundstücks für gewerbliche oder betriebliche Zwecke liegt nur vor, wenn eine unmittelbare gewerbliche oder betriebliche Nutzung objektiv besteht. Eine noch bestehende landwirtschaftliche Nutzung eines unbebauten Grundstücks stellt keine gewerbliche oder betriebliche Nutzung im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV dar.

Ein unbebautes Grundstück eines gewerblichen Betriebs ist nicht als Vorratsgelände des Betriebs anzusehen, wenn nach den Umständen (z. B. insbesondere mit Rücksicht auf die Lage des Grundstücks in einem Wohnbaugebiet) damit zu rechnen ist, daß es künftig nicht für gewerbliche Zwecke verwendet wird.

 

Normenkette

GrStG § 12; GrStDV § 33 Ziff. 1

 

Tatbestand

Die Fabrik der Beschwerdeführerin (Bfin.) liegt im Zentrum der Stadt N. und umfaßt eine Fläche von 1,7 ha. Schon während des Krieges hat die Bfin. ein im Norden der Stadt gelegenes Gelände von etwa 3 ha erworben, das Ausweichmöglichkeiten für den Fabrikbetrieb bietet. Daneben hat die Bfin. in den Jahren 1938 bis 1952 insgesamt sechzehn unbebaute Einzelgrundstücke erworben, die alle abseits von der Fabrik im Wohnviertel von N. liegen. Von diesen Einzelgrundstücken sind in den letzten Jahren nur zwei mit Werkwohnungen bebaut worden, so daß noch vierzehn Grundstücke unbebaut sind. Das strittige Grundstück gehört zu diesen unbebauten Grundstücken; es ist 861 qm groß, wird noch landwirtschaftlich genutzt und hat einen Einheitswert von 1.290 DM.

Bei der ersten Hauptveranlagung der Grundsteuermeßbeträge wurde der Steuermeßbetrag für das Grundstück nach einer Steuermeßzahl 10 v. T. auf 12,90 RM festgesetzt. Bis zum Rechnungsjahr 1950 einschließlich wurde jedoch von der steuerberechtigten Gemeinde jeweils die Hälfte der veranlagten Grundsteuer erlassen. Auf Grund der Neufassung des § 33 der Grundsteuerdurchführungsverordnung (GrStDV) vom 29. Januar 1952 erteilte das Finanzamt am 9. September 1952 der Bfin. einen neuen Steuermeßbescheid, setzte aber hierbei den Steuermeßbetrag nicht nach der neu eingeführten Steuermeßzahl 5 v. T. auf 6,45 DM, sondern wie bisher nach der Steuermeßzahl 10 v. T. auf 12,90 DM fest; in dem Bescheid ist als Stichtag der 1. April 1951 angegeben.

Im Einspruchsverfahren hat das Finanzamt hervorgehoben, daß das strittige Grundstück einer Kapitalgesellschaft gehöre und daher Betriebsgrundstück sei. Die Bfin. habe das Grundstück zweifellos erworben, um es mit einem Werkwohnhaus zu bebauen oder für andere betriebliche Zwecke irgendwann zu nutzen (z. B. zum Austausch gegen ein anderes, betrieblich zu verwendendes Grundstück). Auf jeden Fall sei das Grundstück als Vorratsgelände im Sinn des § 33 Ziff. 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) anzusehen; denn auch im Fall seiner Bebauung mit einem Werkwohnhaus werde das Grundstück bis zum Augenblick des Beziehens der Wohnungen durch Werksangehörige betrieblich genutzt.

In der Berufung hat die Bfin. vorgebracht, daß die Vorschrift des § 33 Ziff. 1 GrStDV nicht darauf abstelle, ob es sich um ein Betriebsgrundstück handle. Es komme vielmehr nur darauf an, ob das Grundstück von ihr gewerblich oder betrieblich genutzt werde oder ob es Vorratsgelände ihres Betriebs sei. Vorratsgelände liege aber nur dann vor, wenn es sich um ein Grundstück handle, dessen Lage und Beschaffenheit eine zukünftige betriebliche Nutzung ermögliche und das für solche Zwecke vorrätig gehalten werde. Es sei aber zweifelsfrei, daß ihr Grundstück niemals für betriebliche Zwecke, sondern nur für Wohnzwecke genutzt werden könne.

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, daß das Grundstück unstreitig nicht gewerblich genutzt werde und daher nur geprüft werden müsse, ob es als Vorratsgelände des gewerblichen Betriebs der Bfin. anzusehen sei. Bisher sei weder die Absicht der Bfin., auf dem Grundstück ein Werkwohnhaus zu errichten, erkennbar in Erscheinung getreten, noch deute etwas darauf hin, daß die Bfin. die Absicht habe, das Grundstück zum Austausch gegen ein betrieblich zu verwendendes Grundstück zu benutzen. Es müsse daher angenommen werden, daß die Bfin. das Grundstück nur zum Zweck der Kapitalanlage erworben habe. Für solche spekulative Zwecke sei aber die günstigere Steuermeßzahl (5 v. T. statt 10 v. T.) nicht gedacht. Ein Grundstück, bei dem die Möglichkeit bestehe, es später zum Austausch gegen ein gewerblich zu verwendendes Grundstück oder durch Verkauf zu verwerten, werde wenigstens mittelbar zu betrieblichen Zwecken genutzt. Es müsse daher als Vorratsgelände betrachtet werden, auch wenn daneben die Möglichkeit einer Verwendung zu Wohnzwecken gegeben sei. Solange nicht die ausdrückliche Verwendung zu einem außerbetrieblichen Zweck (unter Ausschluß einer anderen Möglichkeit) gewiß sei, könne nur eine Besteuerung als Vorratsgelände in Betracht kommen.

In der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts, Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und wesentliche Verfahrensmängel. Vor allem wird vorgebracht, das Finanzgericht habe selbst klargestellt, daß das Grundstück nicht gewerblich oder betrieblich genutzt werde; die erste Möglichkeit des § 33 Ziff. 1 GrStDV scheide deshalb aus. Irrig sei jedoch die Auffassung des Finanzgerichts, daß ein Grundstück, bei dem die Möglichkeit zum Tausch oder zum Verkauf bestehe, mittelbar gewerblich genutzt werde und daher Vorratsgelände sei. Man dürfe beide Fälle (Nutzung zu gewerblichen Zwecken und Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs) nicht in gleichem Zusammenhang behandeln; Vorratsgelände dürfe niemals mit den zu gewerblichen Zwecken genutzten Grundstücken verwechselt werden. Es sei Gelände eigener Art. Als Vorratsgelände könnten nur solche Grundstücke in Betracht kommen, die für eine Nutzung zu gewerblichen oder betrieblichen Zwecken vorgesehen seien und vorrätig gehalten würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 33 Ziff. 1 GrStDV für unbebaute Grundstücke nur in zwei Fällen die Steuermeßzahl 10 v. T. beträgt: erstens, wenn das unbebaute Grundstück für eigene oder fremde gewerbliche oder betriebliche Zwecke genutzt wird, oder zweitens, wenn das unbebaute Grundstück Vorratsgelände eines öffentlichen oder gewerblichen Betriebs ist. Aus der Entstehungsgeschichte des § 33 GrStDV heraus hat die Vorinstanz auch zutreffend dargelegt, daß die Anwendung der Steuermeßzahl 10 v. T. nicht davon abhängt, ob das unbebaute Grundstück zu einem gewerblichen Betrieb gehört, sondern von der Nutzung zu gewerblichen oder betrieblichen Zwecken und, falls eine solche nicht gegeben ist, von der Eigenschaft des Grundstücks als Vorratsgelände.

Daß im Streitfall eine Nutzung des Grundstücks zu gewerblichen oder betrieblichen Zwecken vorliegt, hat die Vorinstanz in zutreffender Weise verneint. Es müßte, um bei dem Betrieb der Bfin. die Annahme einer Nutzung für gewerbliche oder betriebliche Zwecke zu rechtfertigen, eine unmittelbare Nutzung für solche Zwecke objektiv vorliegen, d. h. es müßte - wie die Bfin. es ausdrückt - ein gewerbliches oder betriebliches Leben sich sichtbar auf dem Grundstück abspielen. Das ist unstreitig nicht der Fall. Eine noch bestehende landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks stellt keine gewerbliche oder betriebliche Nutzung im Sinn des § 33 Ziff. 1 GrStDV dar.

Zur weiteren Frage, ob das strittige Grundstück gegebenenfalls als Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs anzusehen ist, hat die Vorinstanz auf die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Ziff. 2 GrStDV hingewiesen. Nach dieser Vorschrift ist Vorratsgelände der Bundesbahn solcher Grundbesitz, der für Neuanlagen und Erweiterungen bestimmt ist. Die Vorinstanz ist der Meinung, daß die vorgenannte Vorschrift für die Auslegung des Begriffs Vorratsgelände im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV einen gewissen Anhaltspunkt biete, aber nicht zwingend sei. So seien Fälle denkbar, in denen unbebaute Grundstücke der Bundesbahn nicht unter den Begriff des Vorratsgeländes fielen (z. B. Grundstücke, die selbst nicht für Neuanlagen und Erweiterungen geeignet, aber zu späterem Tausch gegen geeignete Grundstücke bestimmt seien), entsprechende Grundstücke gewerblicher Betriebe aber als Vorratsgelände im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV anzusehen seien. Dieser Auffassung der Vorinstanz vermag der erkennende Senat nicht beizutreten. Zu verkaufen oder zu vertauschen ist in der Regel jedes Grundstück. Auf die Möglichkeit, ein Grundstück zu vertauschen, kann es daher bei der Bestimmung des Begriffs "Vorratsgelände" nicht ankommen. Andernfalls müßte man zu dem Ergebnis kommen, daß alle unbebauten Grundstücke eines gewerblichen Betriebs, die nicht bereits unmittelbar gewerblich genutzt werden, Vorratsgelände des Betriebs sind. So aber kann die Vorschrift des § 33 Ziff. 1 GrStDV nicht aufgefaßt werden. In den Begriff des Vorratsgeländes eines gewerblichen Betriebs sind ohne Zweifel - entsprechend der Regelung bei der Bundesbahn - solche unbebaute Grundstücke einzubeziehen, die für Neuanlagen und Erweiterungen bestimmt sind. Aus dem Begriff des Vorratsgeländes sind aber solche unbebaute Grundstücke herauszunehmen, bei denen nach den Umständen (z. B. insbesondere mit Rücksicht auf die Lage der Grundstücke in einem Wohnbaugebiet) damit zu rechnen ist, daß sie künftig nicht für gewerbliche Zwecke verwendet werden. Ob und inwieweit unbebaute Grundstücke, die zwischen den beiden Gruppen liegen und bei denen die voraussichtliche künftige Verwendung am Stichtag nicht ohne weiteres zu erkennen ist, als Vorratsgelände anzusehen sind, muß hier nicht entschieden werden. Denn bei dem streitigen Grundstück spricht (insbesondere mit Rücksicht auf seine Lage im Wohnviertel der Stadt N.) die Vermutung dafür, daß es künftig nicht für gewerbliche Zwecke verwendet wird. Diese Vermutung ist nicht zu widerlegen. Mithin ist das strittige Grundstück kein Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs und die Steuermeßzahl beträgt nicht 10 v. T., sondern 5 v. T. Der Steuermeßbetrag selbst ist auf 6,45 DM festzusetzen. Das Finanzamt hat übersehen, daß die Veranlagung des Steuermeßbetrags nicht auf den 1. April 1951, sondern auf den 1. Januar 1951 durchzuführen war; die Fortschreibungsveranlagung gilt jedoch vom 1. April 1951 ab (ß 14 GrStG).

Auf die weiteren Einwendungen, die mindestens teilweise unbegründet sind, muß nicht weiter eingegangen werden.

Die Entscheidung im Kostenpunkt beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424043

BStBl III 1954, 214

BFHE 1955, 14

BFHE 59, 14

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