Entscheidungsstichwort (Thema)

Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Tritt die Schenkerin wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vom Schenkungsvertrag rechtswirksam zurück, ist eine steuerpflichtige Schenkung nicht gegeben. Dies kann der Fall sein, wenn die Vertragsbeteiligten von der einverständlich bewußten Voraussetzung ausgingen, daß durch eine Abtretung keine zusätzliche Besteuerung nach dem Erbschaftsteuergesetz eintritt; die Unrichtigkeit dieser Annahme kann in Einzelfallen die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage rechtfertigen.

 

Orientierungssatz

Rücktritt vom Schenkungsvertrag

 

Normenkette

ErbStG 1951 § 3 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 119, 242

 

Tatbestand

Die Bfin. zu 1. ist die Mutter der Bfin. zu 2. Die Bfin. zu 1. war zu ¼ Erbin der am 16. August 1945 verstorbenen Witwe Anna C geworden. Da die Bfin. zu 1. befürchtete, infolge ihrer Zugehörigkeit zur NSDAP werde ihr der Erbteil entschädigungslos weggenommen, schlug sie die Erbschaft am 27. Mai 1946 in notariell beglaubigter Form aus. Infolge der Ausschlagung fiel der Erbteil der Bfin. zu 1. ihren beiden Kindern zu. Hiernach ist die Bfin. zu 2. zu Ks Erbin der vorgenannten Witwe Anna C geworden. In notarieller Verhandlung vom 22. Januar 1953 trat die Bfin. zu 2. ihre Ansprüche aus dem Nachlaß C an ihre Mutter, die Bfin. zu L, ab. Nachdem das FA letztere wegen dieses Vertrages zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung aufgefordert hatte, berichtigten die Bfin. zu 1. und die Bfin. zu 2. am 27. Dezember 1953 in einer weiteren notariellen Verhandlung die Erklärung vom 22. Januar 1953. Es hätten nicht die Gesamtansprüche der Bfin. zu 2. an die Bfin. zu 1. abgetreten werden sollen, sondern die Abtretung beziehe sich nur auf den Nießbrauch an dem Nachlaß C (Erbteil), und zwar auf die Zeit vom 1. Januar 1953 bis 31. Dezember 1957. Das FA hat zunächst die Nießbrauchschenkung durch an die Bfin. zu 2. (Schenkerin) gerichteten vorläufigen Steuerbescheid vom 20. Mai 1954 zur Schenkst herangezogen. Gegen diesen Schenkungsteuerbescheid hat der Bevollmächtigte der Bfin. zu 2. Einspruch eingelegt und Freistellung von der Schenkungsteuer gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG begehrt. Das FA hat durch Einspruchsbescheid vom 7. Oktober 1954 den vorläufigen Schenkungsteuerbescheid vom 20. Mai 1954 aufgehoben; der Schenkungsteuerbescheid sei nicht gehörig zustande gekommen, weil er nicht gemäß § 16 Abs. 1 ErbStDV der Erwerberin (Bfin. zu 1), sondern der Bfin. zu 2., der Schenkerin, bekanntgegeben worden sei. Nach Aufhebung des vorläufigen Schenkungsteuerbescheides hat das FA nunmehr durch den an die Bfin. zu 1. gerichteten (endgültigen) Schenkungsteuerbescheid vom 11. Oktober 1954 die „Zuwendung des Erbanspruchs” der Besteuerung unterworfen. Hiergegen hat die Bfin. zu 1. Sprungberufung eingelegt, zu der aber der Vorsteher des FA seine Zustimmung nicht erteilt hat … Das FA hat in der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 1955 die Heranziehung des gesamten Erbanspruchs zur Schenkungsteuer aufrechterhalten … Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Bfin. zu 1. Berufung eingelegt. Die Vereinbarung vom 27. Dezember 1953 stelle eine von der Bfin zu 1. als wirksam anerkannte Irrtumsanfechtung des Vertrages vom 22. Januar 1953 seitens der Bfin. zu 2. dar, so daß eine Schenkungsteuer aus diesem letztgenannten Vertrag nicht entstanden sein könne. Das FG hat die Bfin. zu 2. gemäß § 241 Abs. 2 AO als Beteiligte zu dem Verfahren hinzugezogen, sie hat sich im Verfahren über die Berufung mehrfach geäußert. Die Berufung der Bfin. zu 1. hat keinen Erfolg gehabt. Gegen das Urteil des FG haben sowohl die Bfin zu 1. wie die Beigezogene (Bfin. zu 2.) Rechtsbeschwerde (Rb) eingelegt. Mit beiden Rbn. wird Freistellung von der Schenkungsteuer begehrt …

 

Entscheidungsgründe

Die Rbn. müssen zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

In den Rbn. wird der im Verfahren über die Berufung geltend gemachte Einwand nicht mehr erhoben, das FA sei nach Aufhebung des vorläufigen Schenkungsteuerbescheids vom 20. Mai 1954 (durch die Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 1954) zum Erlaß eines neuen Schenkungsteuerbescheids (– des endgültigen Schenkungsteuerbescheids vom 11. Oktober 1954 –) verfahrensrechtlich nicht mehr in der Lage gewesen. Dieser Einwand ist auch unbegründet. Aufhebung eines Steuerbescheids ist nicht notwendig gleichbedeutend mit Freistellung von der angeforderten Steuer. Im vorliegenden Fall ließ die Einspruchsentscheidung deutlich erkennen, daß der Steuerbescheid nur aus einem verfahrensrechtlichen Grund aufgehoben wurde, daß aber das FA die materiell-rechtlichen Einwendungen der damaligen Stpfl. (Bfin. zu 2.) nicht anerkannte. Daraus folgt, daß sich das FA die erneute Anforderung einer Steuer vorbehielt. Eine – rechtskräftig gewordene – Freistellung von der Schenkungsteuer ist also in der Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 1954 nicht zu erblicken.

Auch die Berufung auf Irrtumsanfechtung i.S. des § 119 BGB kann den Rbn. nicht zum Erfolg verhelfen. Die Irrtumsanfechtung setzt voraus, daß der Anfechtende keine Sperrungen bei Abgabe seiner Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte. Nun bestreitet die Bfin. zu 2. selbst nicht, daß erst die von ihr im Dezember 1953 erlangte Kenntnis von der steuerlichen Auswirkung der Abtretungserklärung vom 22. Januar 1953 sie zu der Erkenntnis gebracht habe, sie würde bei verständiger Würdigung des Falles ihre Abtretungserklärung vom 22. Januar 1953 nicht abgegeben haben. Eine solche nachträgliche Erkenntnis über die Steuerpflicht kann aber nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung zurückbezogen werden, macht also die abgegebene Willenserklärung nicht zu einer irrtumsbehafteten. Davon abgesehen muß der Irrtum über die steuerlichen Auswirkungen der Abtretungserklärung vom 22. Januar 1953 als Irrtum im Beweggrund außer Betracht bleiben.

Dagegen greift der von der Bfin. zu 2. geltend gemachte Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch. Mit den beiden Rbn. ist davon auszugehen, daß es vom Standpunkt der Bfinnen. ein unmögliches Ergebnis wäre, wenn im vorliegenden Falle eine zweimalige, unter Umständen sogar dreimalige, Besteuerung nach dem ErbStG stattfinde, und zwar

  1. für den Anfall an die Bfin. zu 2. aus dem Erbfall C,
  2. für eine Schenkung aus der Abtretung des Anspruchs der Bfin. zu 2. aus dem Nachlaß C an die Bfin. zu 1., und gegebenenfalls
  3. für eine in der Rückgängigmachung der Abtretung zu erblickende Rückschenkung der Bfin. zu 1. an die Bfin. zu 2.

Es ist einleuchtend, daß die Bfinnen. ein solches Ergebnis weder vorausgesehen noch gewollt haben, da der etwaige Erfolg, nämlich die Wiederherstellung der ursprünglich ohne die Erbausschlagung seitens der Bfin. zu 1. eintretenden Erbfolge nach der Witwe C, mit ganz unverhältnismäßigen Opfern erkauft würde. Nach Lage des Falles, nach den glaubhaften Angaben der Beteiligten und des verstorbenen Ehemanns B (Ehemann der Bfin. zu 1. und Vater der Bfin. zu 2.) sowie schließlich nach der allgemeinen Lebenserfahrung sind die Bfinnen. zu 1. und 2. bei der Erklärung der Bfin. zu 2. über die Abtretung des Nachlaßanspruchs, d.h. von Anfang an von der, wenn auch nicht ausdrücklich erklärten, so doch beiden Bfinnen. einverständlich bewußten Voraussetzung ausgegangen, daß durch die Abtretung eine zusätzliche Besteuerung nach dem ErbStG nicht eintrete. Nachdem sich diese Annahme für die Bfinnen zu 1. und 2. als hinfällig erwiesen hat, ist der Abtretung des Nachlaßanspruchs durch die Bfin. zu 2. eine wesentliche Grundlage entzogen, so daß sie sich mit Recht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann. Hiernach hat die Bfin. zu 2. in der notariellen Verhandlung vom 27. Dezember 1953 nur von dem ihr unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 242 BGB, also gesetzlich zustehenden Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht, so daß die seitens der Bfin. zu 2. erklärte Abtretung des Anspruchs an dem Nachlaß C in Wegfall gekommen ist. Eine Besteuerung aus der Abtretung vom 22. Januar 1953 ist daher ebensowenig möglich, wie in dem Einverständnis der Bfin. zu 1. mit der berichtigten Erklärung der Bfin. zu 2. vom 27. Dezember 1953 eine Rückschenkung seitens der Bfin. zu 1. an die Bfin. zu 2. zu erblicken ist. Wenn das FA in der Einspruchsentscheidung meint, die Schenkung vom 22. Januar 1953 habe nicht mehr rückgängig gemacht werden können, weil sie schon vollständig ausgeführt worden sei, so kann dieser Auffassung nicht beigetreten werden. Die Bfin. zu 2. hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der insgesamt auf das Bankkonto der Bfin. zu 1. überwiesene Betrag von … DM nicht zugunsten der Bfin. zu 1., sondern nur zugunsten der Bfin. zu 2. und dritter Personen verwendet worden ist, eine Ausführung der Abtretung vom 22. Januar 1953 in der genannten Überweisung also nicht liegen kann. Die Bfin. zu 2. hat auch schon im Berufungsverfahren unwidersprochen vorgetragen, daß der Bfin. zu 1. nur die Zinsen des der Bfin. zu 2. angefallenen Erbteils zugeflossen und von der Bfin. zu 1. versteuert sind. Schließlich ist nach den von der Bfin. zu 2. im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen die Bfin. zu 2., nicht die Bfin. zu 1., einkommensteuerlich als am Nachlaß C Beteiligte behandelt worden; vermögenssteuerlich ist den Eltern der Bfin. zu 2. nur der Nießbrauch an dem vermögen der Bfin. zu 2. zugerechnet worden.

Hiernach war die angefochtene Entscheidung wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache geht unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung an das FA zurück, das die Schenkst nunmehr aus dem Schenkungsvertrag vom 27. Dezember 1953 festzusetzen haben wird. Etwas anderes würde nur gelten, wenn festzustellen wäre, daß die Bfin. zu 1. mehr als das ihr nach dem Vertrag vom 27. Dezember 1953 Zustehende erhalten hat; es würde dann die tatsächliche Bereicherung zu versteuern sein.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1201287

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