Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Kommt der Abbruch eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden erst in ungewisser Zukunft in Betracht, so ist eine Wertminderung nicht gerechtfertigt, wenn am Bewertungsstichtage für den Eintritt dieser Möglichkeit kein Anhalt besteht.

 

Normenkette

BewG §§ 10, 9, 50/3, § 70/3

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige errichtete 1953 auf fremdem Grund und Boden (im Hafengebiet) ein Gebäude, dessen Einheitswert auf den 1. Januar 1954 nach seinem Sachwert auf 60.000 DM durch eine Nachfeststellung ermittelt worden ist. - Gegen den errechneten Wert wendet sie ein: Vertraglich bestehe eine Verpflichtung, auf Verlangen des Grundeigetümers (der Stadtgemeinde) alle Baulichkeiten, die auf dem gemieteten Platz errichtet oder von einem anderen Mieter übernommen seien, bis zum Ablauf der gesetzlich festgelegten Mietzeit zu beseitigen, den Platz zu ebnen oder in den früheren Stand zu bringen. Nach dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfordere ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden an sich schon eine niedrigere Bewertung als ein Gebäude auf eigenem Grunde. Das Vorliegen einer Abbruchsverpflichtung sei auch nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs III A 348/32 vom 19. Januar 1933, RStBl 1933 S. 692, durch einen Abschlag zu berücksichtigen. Zwar könnten gegenwärtig keine konkreten Angaben gemacht werden, ob und wann die Abbruchsverpflichtung eintreten werde. Ein Abschlag sei jedenfalls wegen des Risikos zu berücksichtigen; dies gelte um so mehr, als die Abbruchsverpflichtung der Steuerpflichtigen kurzfristig, im Falle des angeführten Urteils des Reichsfinanzhofs nicht vor Ablauf von 25 Jahren eintreten konnte und im Urteilsfalle eine Entschädigung, im Streitfalle keine Entschädigung des Mieters vorgesehen sei. Die Steuerpflichtige schätzt die Wertminderung auf 20 % des Gebäudewertes.

Die Stadtgemeinde hat auf Befragen erklärt, daß hinsichtlich des strittigen Grundstückes keine Planungen vorlägen und mit einer Kündigung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei. Die Hauptmieterin nütze ihr Gebäude auf dem Grundstücke seit 1910 und nach der Auskunft der Stadtgemeinde weiterhin auf nicht absehbare Zeit. Eine Abbruchsgefahr läge daher tatsächlich nicht vor.

Einspruch und Berufung waren erfolglos. Das Finanzgericht geht davon aus, daß eine etwaige Abbruchsverpflichtung nach Vertragsablauf bei der Ermittlung des gemeinen Wertes als ein diesen Wert beeinflussender Umstand zu berücksichtigen sei; es sei der Betrag zu schätzen, den ein Käufer wegen der Abbruchsmöglichkeit voraussichtlich weniger bieten würde. Stehe der vorzeitige Abbruch am Stichtage mit einiger Sicherheit fest, so bleibe für die Schätzung des Abschlages die Frage offen, zu welchem Zeitpunkte der Abbruch erfolgen werde. Sei am Stichtage fraglich, ob ein vorzeitiger Abbruch überhaupt erfolgen werde, so werde die Abbruchsgefahr und der hiervon abhängende Abschlag niedriger zu schätzen sein. Die Auffassung des Finanzamtes, daß mit einer berücksichtigungsfähigen, ernsthaften Abbruchsgefahr am Stichtage nicht zu rechnen gewesen sei, erscheine einmal durch die gegebene Hafenlage begründet, deren änderung für die Stadtgemeinde (auch bei Freihaltung von privaten Entschädigungsansprüchen) mit hohen Kosten verbunden sei. Entscheidend sei aber, daß Betriebe, die im Hafengebiete ansässig werden wollten, mit der übernahme vorzeitiger Abbruchsverpflichtungen rechnen müßten. Ein Abschlag sei nicht begründet, weil an Gebäuden im Hafengebiete interessierte Käufer - wie die Steuerpflichtige - keine bessere Auswahl hätten.

In der Rb. führt die Steuerpflichtige aus, es sei bedenklich, wenn das Steuerrecht keinen Unterschied in der Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden gegenüber Gebäuden auf eigenem Grund und Boden mache. Es müsse auch für die Beurteilung des Wertes eines Gegenstandes die Frage herangezogen werden, in welcher Höhe der Gegenstand gegebenenfalls beliehen werden könne. In dieser Beziehung sei festzustellen, daß die Banken Gebäude auf fremden Grundstücken überhaupt nicht oder nur in Ausnahmefällen sehr niedrig beliehen. Die rechtliche Trennung des Grundstücks-Eigentums von Gebäude-Eigentum wirke sich nachteilig auf den gemeinen Wert im Sinne des § 10 des Bewertungsgesetzes (BewG) aus. Die fraglichen Gebäude seien objektiv deswegen weniger wert, weil sie auf einem ihr nicht gehörenden Grundstück errichtet seien. Ein etwaiger Käufer würde für derartige Gebäude keinesfalls den gleichen Preis zahlen wie für solche, bei denen er den Grund und Boden mit kaufen könne.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. ist der Erfolg zu versagen.

Der erkennende Senat hat bereits im Urteil III 97/58 U vom 27. Februar 1959 (BStBl 1959 III S. 190, Slg. Bd. 68 S. 494) ausgeführt, der Umstand, daß ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden steht, rechtfertige für sich allein noch keine Minderbewertung des Gebäudes. Es besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsansicht abzugehen.

Die Vorinstanz hat bereits darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil III A 348/32 vom 19. Januar 1933, RStBl 1933 S. 692) bei der Wertfeststellung alle den Wert beeinflussenden Umstände, insbesondere auch Abbruchsverpflichtungen, hinreichend gewürdigt werden müssen. Dieser Ansicht hat sich auch der erkennende Senat in dem oben bezeichneten Urteil III 97/58 U a. a. O. angeschlossen. Er hat aber dargelegt, daß die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung des Pachtverhältnisses und die daraus resultierende Abbruchsgefahr in jedem einzelnen Falle besonders berücksichtigt werden müsse. Dieser Zusatz ist schon deswegen gerechtfertigt, weil ein etwa zu gewährender Abschlag je nach dem Grade der Wahrscheinlichkeit zu bemessen ist.

Hier handelt es sich um ein Grundstück im Hafengebiet, das die Hauptmieterin des Grundstückes seit 1910 besitzt und bebaut hat. Der Mietvertrag ist kündbar, insbesondere "wenn dies Gründe des öffentlichen Verkehrsinteresses" fordern; die Abbruchsverpflichtung entspricht dem § 10 der "Allg. Bedingungen". Der Senator für Häfen, Schiffahrt und Verkehr hat bestätigt, daß für den Fall einer Beanspruchung des Geländes die Gebäude beseitigt werden müssen. Die Abbruchsverpflichtung tritt daher im Falle einer Beendigung des Vertrages in Kraft. Der Senator hat weiter ausgeführt, daß über das Gelände zur Zeit keine Planungen bestehen und in absehbarer Zeit mit einer Kündigung nicht zu rechnen ist. Mit Recht haben deshalb die Vorinstanzen die Ansicht vertreten, daß am Stichtage eine Abbruchsgefahr nicht bestand. Möglichkeiten in ungewisser Zukunft, für deren Eintritt am Bewertungsstichtage kein Anhalt besteht, rechtfertigen keine Wertminderung.

Die Vorinstanzen haben auch zutreffend auf die Besonderheiten bei der Anmietung von Grundstücken im Hafengebiet hingewiesen. Die Widmung dieses Gebietes für den öffentlichen Verkehr schließt private Verfügungsmöglichkeiten - also den Verkauf des Grundstückes an Private - aus. Wenngleich ein Erwerb des Grundstückes darum nicht möglich ist, so verbürgen die darüber geschlossenen Mietverträge aus den beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien eine gewisse Dauerhaftigkeit, die auch im vorliegenden Falle unbestritten ist.

Die Tatsache, daß ein Gebäude auf fremdem Grund von einer Bank gar nicht oder sehr niedrig beliehen wird, kann nicht zu einem Abschlage führen, weil ein solcher Umstand nicht zu den sich aus der Beschaffenheit des Gebäudes ergebenden Eigenschaften gehört, die den gemeinen Wert im Sinne des § 10 Abs. 2 BewG bestimmen. Es ist auch nicht richtig, wenn die Bfin. meint, das Steuerrecht mache keinen Unterschied zwischen Gebäuden auf fremdem und solchen auf eigenem Grund. Ein Abschlag kann gerechtfertigt sein, wenn der bei einer Veräußerung zu erzielende gemeine Wert dadurch beeinträchtigt werden würde. Dies trifft aber im vorliegenden Falle nicht zu, weil alle an dem Hafengelände interessierten Firmen das Grundstück nur mietweise erhalten können. Wenn sie selbst ein Grundstück zur Miete erhielten, könnten sie eigene Gebäude wiederum nur unter den gleichen Bedingungen errichten wie die Bfin. Ein Käufer dieses Gebäudes mit dem Grund und Boden ist wegen der besonderen Verhältnisse des Hafengeländes aber nicht denkbar. Würde ein Rechtsnachfolger das Gebäude übernehmen, so könnte er bei der Ermittlung des Kaufpreises keinen Abschlag nur deswegen machen, weil das Gebäude auf gemietetem Boden steht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410010

BStBl III 1961, 206

BFHE 1961, 563

BFHE 72, 563

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