Entscheidungsstichwort (Thema)

Ständige Einrichtung i.S. des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 DBA-Frankreich - Tätigkeit eines Bühnenmalers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Tatbestandsmerkmal der ständigen Einrichtung in Art.12 Abs.2 Satz 1 DBA-Frankreich korrespondiert mit dem Betriebsstättenbegriff des Art.2 Nr.7 DBA-Frankreich und des § 12 Satz 1 AO 1977. Der Steuerpflichtige unterhält keine ständige Einrichtung, wenn seine Tätigkeit in den benutzten Räumlichkeiten sich von vornherein auf einen Zeitraum von nur sechs Wochen erstreckt und die Räume nur zur Ausführung eines einzigen Auftrags zur Verfügung gestellt werden.

2. Die Tätigkeit eines Bühnenmalers wird nicht in Form von öffentlichen Darbietungen i.S. des Art.12 Abs.2 Satz 2 DBA-Frankreich ausgeübt (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 11.April 1990 I R 75/88, BFHE 160, 513).

 

Normenkette

DBA FRA Art. 12 Abs. 2 S. 2, Art. 2 Nr. 7; AO 1977 § 12 S. 1; DBA FRA Art. 12 Abs. 2 S. 1

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bei der Stadt B als Theatermaler nichtselbständig tätig. Daneben hatte er vom Theatre in L (Frankreich) den Auftrag, für eine dortige Aufführung das Bühnenbild zu malen. Zu diesem Zweck hielt er sich sechs Wochen in L auf. Zur Erstellung des Bühnenbildes konnte er den Malersaal des Theaters nutzen, in dem er allein mit der ihm zugeteilten Dolmetscherin arbeitete.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfaßte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1984) die vom Kläger in Frankreich erzielten Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit. Der dagegen erhobene Einspruch und die Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieben erfolglos.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des Art.12 Abs.2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21.Juli 1959 (BGBl II 1961, 398) i.d.F. vom 9.Juni 1969 (BGBl II 1970, 719 --DBA- Frankreich--).

Das FA hat die streitige Einkommensteuerfestsetzung mit Bescheid vom 25.September 1992 geändert, indem es sie im Hinblick auf die Anhängigkeit von Verfassungsbeschwerden für vorläufig erklärt hat. Der Kläger hat diesen Bescheid gemäß § 123 Satz 2, § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Revisionsverfahren übergeleitet.

Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids die Einkommensteuer für 1984 ohne Hinzurechnung der in Frankreich erzielten Einkünfte als Bühnenmaler festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß der Kläger im Streitjahr aus seiner Tätigkeit als Bühnenmaler in Frankreich Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielte. Diese Einkünfte sind nicht gemäß Art.20 Abs.1 a DBA-Frankreich von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen. Sie sind nicht (hier: nach Art.12 DBA-Frankreich) in Frankreich steuerpflichtig.

1. Die Tätigkeit des Klägers als Bühnenmaler gilt nicht gemäß Art.12 Abs.1 i.V.m. Art.2 Satz 1 DBA-Frankreich als in Frankreich ausgeübt, da der Kläger diese Tätigkeit nicht unter Benutzung "einer ihm dort regelmäßig zur Verfügung stehenden ständigen Einrichtung" ausübte.

Das Tatbestandsmerkmal der ständigen Einrichtung korrespondiert mit dem Betriebsstättenbegriff des Art.2 Nr.7 DBA-Frankreich und des § 12 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Eine ständige Einrichtung ist deshalb nur dann anzunehmen, wenn sie u.a. von einer gewissen Dauer ist und der Steuerpflichtige über sie nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Welche Mindestzeitspanne das Merkmal der gewissen Dauer erfüllen muß, ist bisher ungeklärt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.April 1954 I B 136/53 U, BFHE 58, 705, BStBl III 1954, 179; Urteil vom 30.Oktober 1973 I R 50/71, BFHE 110, 536, BStBl II 1974, 107). Muß die ständige Einrichtung einer nachhaltigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen, so unterhält dieser noch keine solche Einrichtung im anderen Vertragsstaat (hier: in Frankreich), wenn die Tätigkeit --wie im Streitfall-- in den benutzten Räumlichkeiten sich von vornherein auf einen Zeitraum von nur sechs Wochen erstreckt und die Räume nur zur Ausführung eines einzigen Auftrags zur Verfügung gestellt werden. Dann fehlt es an einer gewissen "Verwurzelung" des Steuerpflichtigen mit dem Ort der Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit. Denn für die Annahme einer ständigen Einrichtung ist letztlich entscheidend, daß eine bestimmte selbständige unternehmerische Tätigkeit durch eine Geschäftseinrichtung mit einer festen örtlichen Bindung ausgeübt wird.

2. Die vom Kläger in Frankreich als Bühnenmaler ausgeübte Tätigkeit ist auch nicht deswegen dort steuerpflichtig, weil es sich um eine "selbständige Tätigkeit von Künstlern, ... handelt, die in Form von öffentlichen Darbietungen ausgeübt wird" (Art.12 Abs.2 Satz 2 DBA-Frankreich). Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung reicht es nicht, daß die künstlerische Tätigkeit für eine öffentliche Darbietung ausgeübt wird; die Tätigkeit muß vielmehr in Form von öffentlichen Darbietungen ausgeübt werden. Bei einem Bühnenmaler ist aber nicht seine Tätigkeit, sondern deren Ergebnis Gegenstand öffentlicher Darbietungen.

Art.12 Abs.2 Satz 2 DBA-Frankreich unterscheidet sich in seinem Wortlaut sowohl von Art.17 des OECD-Musterabkommens als auch von Art.17 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11.April 1967 (BGBl II 1969, 18 --DBA-Belgien--), von denen letzterer Künstler im allgemeinen und ohne weitere Einschränkung betrifft. Insoweit weicht der Senat auch nicht von seiner Entscheidung vom 11.April 1990 I R 75/88 (BFHE 160, 513) ab.

Dem Ziel, im Interesse der Praxis einen einheitlichen Künstlerbegriff für alle deutschen Doppelbesteuerungsabkommen zu gewinnen, steht --wie das FG zutreffend hervorgehoben hat-- der unterschiedliche Wortlaut der entsprechenden Bestimmungen entgegen. Es ist dann davon auszugehen, daß die Beteiligten des jeweiligen DBA Unterschiedliches regeln wollten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64021

BFH/NV 1993, 18

BFHE 170, 126

BFHE 1993, 126

BB 1993, 571 (L)

DB 1993, 668 (L)

DStR 1993, 392 (K)

DStZ 1993, 317 (KT)

HFR 1993, 295 (LT)

StE 1993, 133 (K)

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