Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bildung von Garantierückstellungen durch einen Kfz-Händler

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Händlervertrag zwischen einem Kfz-Händler und einem Kfz-Produzenten ist ein schwebender Vertrag, aufgrund dessen der Händler Rückstellungen nur bilden kann, wenn ihm aus dem Vertrag ein Verlust droht. Ein Verlust droht, wenn der Wert der eigenen Verpflichtung den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung übersteigt (Verpflichtungsüberhang).

2. Ein auf dem Händlervertrag beruhendes System von Garantieleistungen ergibt für den Händler noch keinen Verpflichtungsüberhang, wenn er lediglich geltend macht, daß von ihm aufgrund des Vertrages zu erbringende Garantieleistungen zu einem Aufwand führen.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren eine Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt und einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Dem Vertrieb der Kraftfahrzeuge lag ein Händlervertrag zugrunde, der in § 11 folgende Regelung zur Gewährleistung enthielt:

,,1. Die X AG übernimmt für das Lieferprogramm entsprechend ihren Gewährleistungsbedingungen in der jeweils gültigen Fassung die Gewähr für Mängelfreiheit in Werkstoff und Werkarbeit. Der Händler ist verpflichtet, die Gewährleistungsbedingungen der X AG zum Bestandteil seiner Verkaufsverträge für das Lieferprogramm zu machen und sämtliche bei ihm erhobenen berechtigten Gewährleistungsansprüche zu erfüllen. Der Händler wird die X AG über die Generalvertretung über jeden Gewährleistungsfall, der zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führt, rechtzeitig unterrichten.

2. Alle Gewährleistungsarbeiten werden mit Teilen aus dem Lieferprogramm der X AG für deren Rechnung ausgeführt. Die Abwicklung der Gewährleistung sowie die Abrechnung des Zeit- und Materialaufwandes erfolgen nach den jeweiligen Richtlinien der X AG.

3. Der Händler ist verpfichtet, Gewährleistungsansprüche, die bei ihm gestellt werden, an die Generalvertretung zur Prüfung und Anerkennung weiterzuleiten.

4. Für die Abwicklung und Vergütung in Kulanzfällen gelten Ziffer 2 und 3 entsprechend."

Die Klägerin bildete Rückstellungen für Gewährleistungen und Kundendienstarbeiten für die in der jeweiliegen zweiten Jahreshälfte ausgelieferten Fahrzeuge. Im Anschluß an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Anerkennung der Rückstellungen.

Ursprünglich lag der Bildung der Rückstellungen ein Ansatz von 120 DM für jedes in den vorangegangenen sechs Monaten vor dem Bilanzstichtag ausgelieferte Kraftfahrzeug zugrunde. Der gegen die Versagung dieser Rückstellungen gerichtete Einspruch, mit dem nur ein Ansatz von 80 DM pro Fahrzeug begehrt wurde, blieb erfolglos.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, daß die Käufer bezüglich der von ihr verkauften Kraftfahrzeuge einen Rechtsanspruch auf Behebung von Mängeln während der Garantiezeit hätten. Die erbrachten Garantieleistungen bezögen sich im wesentlichen auf diesen Käuferkreis. Aufgrund des bestehenden Händlervertrags müsse sie darüber hinaus auch Garantiearbeiten an Kraftfahrzeugen durchführen, die nicht von ihr verkauft worden seien. In beiden Fällen gelte, daß der Hersteller nie die Kosten in der Höhe ersetze, wie sie sonst für derartige Arbeiten berechnet würden. Vielmehr müsse sie die anfallenden Kosten in Höhe von 10 v. H. selbst übernehmen, obwohl die Gewinnspanne allenfalls bei 3 v. H. liege. Nicht berücksichtigt seien in diesem Zusammenhang die anfallenden Kosten, die aufgrund der Fehlersuche, der Kundengespräche und des erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwands wegen der Bearbeitung der Garantieabrechnungen entstünden.

Über die Garantiearbeiten hinaus müsse sie auch Kulanzarbeiten an den von ihr verkauften Kraftfahrzeugen durchführen, ohne hierzu durch den Händlervertrag verpflichtet zu sein.

Insgesamt sei der Sonderaufwand für die Bearbeitung der Garantie- und Kulanzabrechnungen, der nicht erfaßt und nicht erstattet werde, etwa mit einer Arbeitskraft für eineinhalb Tage im Monat zu berechnen. Hinzu komme der Aufwand für besondere Inanspruchnahme des technischen Personals, der nicht erfaßt und ersetzt werde. In 10 bis 12 v. H. der Gewährleistungs- und Kulanzfälle gäbe es Schwierigkeiten mit der Generalvertretung.

Im Rahmen eines Steuererfahrungsaustausches für Kraftfahrzeugbetriebe, an dem sich rund 150 Kraftfahrzeugbetriebe beteiligt hätten, sei festgestellt worden, daß 90 v. H. dieser Betriebe die Bildung von Rückstellungen für derartige Verpflichtungen für erforderlich hielten und in 96 v. H. aller Fälle auch eine Anerkennung durch die Finanzverwaltung erfolgt sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Die Verpflichtung zur Leistung von Gewährleistungsarbeiten beruhe nicht ausschließlich auf dem jeweiligen mit dem Kunden abgeschlossenen Kaufvertrag, sondern ganz wesentlich auch auf dem Händlervertrag, wie sich aus dem Wortlaut des § 11 des Händlervertrags ergebe. Danach stünden die Gewährleistungsarbeiten des Händlers in engem wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Händlervertrag; denn der Händler sei jedem Neuwagenkäufer zur Vornahme der Gewährleistungsarbeiten unabhängig davon verpflichtet, ob dieser den Wagen bei ihm oder bei einem anderen Händler gekauft habe. Es fehle ein direkter Zusammenhang zwischen der Zahl der verkauften Fahrzeuge und der Höhe des Aufwands. Der Händlervertrag selbst biete keine Grundlage für die Rückstellung. Er sei ein einheitlicher, sich auf viele Jahre erstreckender gegenseitiger Vertrag und enthalte zahlreiche Verpflichtungen und Rechte für alle Beteiligten, die sich grundsätzlich in ihren auf ein Wirtschaftsjahr bezogenen Leistungen und Gegenleistungen ausglichen. Der Einwand der Klägerin, bei ihr glichen sich Leistung und Gegenleistung aus dem Händlervertrag jedenfalls insoweit nicht aus, als der Bereich der Gewährleistung betroffen sei, weil es in 10 bis 12 v. H. der Gewährleistungs- und Kulanzfälle Schwierigkeiten mit der Generalvertretung gebe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen erscheine dieser Vortrag angesichts des Wortlauts des § 11 des Händlervertrags zu wenig substantiiert. Andererseits könne nicht ein Teilbereich der Vertragsregelung aus dem gesamten Vertragswerk herausgelöst und gesondert betrachtet werden.

Die gleichen Erwägungen hätten für die Kulanzleistungen zu gelten, die aus Gefälligkeit gegenüber einzelnen Kunden erbracht würden, zu denen aber keine rechtliche Verpflichtung bestünde.

Darüber hinaus könne für Garantieleistungen aus Kulanzgründen nur dann eine Rückstellung gebildet werden, wenn bis zum Bilanzstichtag eine Verpflichtung zur Garantieleistung eingegangen worden sei oder wenn aufgrund von in der Vergangenheit erbrachten Kulanzleistungen am Bilanzstichtag unter Berücksichtigung des pflichtgemäßen Ermessens des vorsichtigen Kaufmanns damit zu rechnen sei, daß Kulanzleistungen auch in Zukunft bewilligt werden müßten. Im Streitfall fehlten nachprüfbare Aufstellungen, aus denen Umfang und Anzahl von derartigen Kulanzregulierungen auch nur annähernd ersichtlich wären.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das FA hat die gebildete Rückstellung zu Recht nicht anerkannt.

Bei Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschrift verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Zu diesen Grundsätzen, die auch für die Klägerin in der Rechtsform der GmbH gelten (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 38 des Handelsgesetzbuches alter Fassung - HGB a. F. -), gehört das in § 152 Abs. 7 Satz 3 des Aktiengesetzes alter Fassung - AktG a. F. - (§ 249 Abs. 3 Satz 1 HGB n. F.) ausgesprochene Verbot, andere als die in § 152 Abs. 7 Sätze 1 und 2 AktG a. F. (§ 249 Abs. 1 und 2 HGB n. F.) erwähnten Rückstellungen zu bilden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1987 I R 68/87, BFHE 152, 250, BStBl II 1988, 338). Danach kann die Klägerin die strittigen Rückstellungen in den Streitjahren nicht ansetzen. Die Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (vgl. § 152 Abs. 7 Satz 1 AktG a. F. = § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB n. F.), die im Streitfall allein in Betracht kommen könnten, liegen nicht vor.

Grundlage der zu bildenden Rückstellungen können allein der Händlervertrag und nicht die mit den Kunden abgeschlossenen Kaufverträge sein. Die zu erwartenden Garantie- und Kulanzleistungen stehen in erster Linie in Zusammenhang mit dem Händlervertrag und nicht mit den mit den Kunden abgeschlossenen Kaufverträgen, weil die Klägerin zu diesen Leistungen auch denjenigen gegenüber verpflichtet ist, die ein Fahrzeug bei einem anderen Händler gekauft haben (vgl. BFH-Urteile vom 22. August 1963 IV 105/63 S, BFHE 77, 665, BStBl III 1963, 560, und vom 4. Dezember 1963 I 138/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 196). Der Senat weicht damit nicht von BFHE 77, 655, BStBl III 1963, 560 ab, das Rückstellungen für Kundendienstleistungen betraf. Die Verpflichtung zu Kundendienstleistungen war - wie im Streitfall zu den Garantie- und Kulanzleistungen - in erster Linie auf den Händlervertrag zurückzuführen. Der Hinweis in dem Urteil, daß der Kundendienst dem Gesamtumsatz zugute komme und eine einem Werbeaufwand ähnliche Maßnahme sei, trifft auch auf die Garantie- und Kulanzleistungen zu. Das auf dem Händlervertrag beruhende System der Garantie- und Kulanzleistungen ist eine Gemeinschaftsaufgabe der Händlerorganisation, die dem Absatz der von der Klägerin vertriebenen Kfz-Marken zugute kommt.

Bei dem Händlervertrag handelt es sich um einen schwebenden Vertrag. Eine Rückstellung kommt insoweit nur in Betracht, als aus dem Vertrag ein Verlust droht (§ 152 Abs. 7 Satz 1 AktG a. F. = § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB n. F.). Ein Verlust droht, wenn der Wert der eigenen Verpflichtung den Wert des Anspruchs auf Gegenleistung übersteigt (Verpflichtungsüberhang; BFHE 152, 250, BStBl II 1988, 338). Danach droht im Streitfall kein Verlust. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß der Wert der eigenen Verpflichtung den Wert des Anspruchs auf Gegenleistung übersteigt. Sie hat lediglich geltend gemacht, daß bestimmte von ihr nach dem Vertrag zu erbringenden Leistungen zu einem Aufwand führen.

Da im Streitfall in erster Linie der Händlervertrag als Grundlage für die Rückstellung in Betracht kommt, muß der Senat nicht prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für Garantie- bzw. Kulanzleistungen vorlägen, wenn diese in erster Linie auf die mit den Kunden der Klägerin abgeschlossenen Verträge zurückzuführen wären.

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 691

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