Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat bleibt bei seiner mit Urteil I 204/64 vom 12. Juli 1967 (BFH 90, 122, BStBl III 1967, 781) getroffenen Entscheidung, daß Erträge aus Genußscheinen in Wertpapierform zu den Einkünften aus beweglichem Kapitalvermögen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz gehören.

2. Die im Schlußprotokoll (BStBl I 1959, 1009) zu Art. 6 DBA-Schweiz enthaltene Aufhebung der Einschränkung des Besteuerungsrechts des Quellenstaates in Art. 6 Abs. 3 Buchst. a DBA-Schweiz gilt auch für Erträge aus Genußscheinen in Wertpapierform.

 

Normenkette

KStG § 2 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 8b Abs. 7 S. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 5; KapStDV § 1 Abs. 1; DBA SWE i.d.F. v. 20.3.1959 Art. 3 Abs. 1; DBA SWE i.d.F. v. 20.3.1959 Art. 3 Abs. 4; DBA SWE i.d.F. v. 20.3.1959 Art. 6 sowie Schlussprotokoll zu Art. 6

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist eine schweizerische Kapitalgesellschaft. Sie ist alleinige Gesellschafterin einer inländischen GmbH und außerdem Inhaberin von Genußscheinen in Wertpapierform, die von der GmbH ausgegeben worden sind, der Steuerpflichtigen indes kein Stimmrecht verleihen. Die GmbH hat in der Zeit vom 2. August 1960 bis zum 17. Juni 1962 auf die Genußscheine 19 345 170 DM ausgeschüttet, von denen sie 25 v. H. Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt hat.

Der Revisionsbeklagte (FA) hat den Antrag der Steuerpflichtigen, ihr - wie in den Vorjahren (vgl. Urteil des BFH I 204/64 vom 12. Juli 1967, BFH 90, 122, BStBl III 1967, 781) - gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. a, DBAS vom 15. Juli 1931 in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 (BStBl I 1959, 1006) 10 v. H. der Bruttoerträge zu erstatten, abgelehnt, weil die von der GmbH ausgeschütteten Beträge bei der Steuerpflichtigen Einkünfte aus einem gewerblichen Betrieb seien (Art. 3 Abs. 1 und 4 DBAS in Verbindung mit den Erläuterungen im Schlußprotokoll - BStBl I 1959, 1009 -). Die Erstattung müsse aber auch dann versagt werden, wenn Art. 6 Abs. 2 DBAS Platz greife, da die ausgeschütteten Beträge bei der GmbH berücksichtigungsfähig im Sinne von § 19 Abs. 3 KStG seien (Schlußprotokoll zu Art. 6 - Abs. 11 - DBAS).

Die unmittelbar zum FG erhobene Klage (zunächst Sprungberufung alter Art: § 261 AO a. F.) blieb ohne Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1969, 583, veröffentlicht ist, führte aus:

Das Recht zur Besteuerung von Dividenden stehe je nach der Ausgestaltung der Beteiligung und der Art der Erhebung der Steuer dem Wohnsitzstaat des Gläubigers oder dem Quellenstaat zu. Angesichts der hier in Rede stehenden Genußscheine in Wertpapierform und der Erhebung der Steuer im Abzugswege liege es bei der BRD als dem Quellenstaat. - Was die Frage der Erstattung eines Teiles der einbehaltenen Steuer betreffe, so könne der Steuerpflichtigen nicht darin gefolgt werden, daß eine GmbH als ausschüttende Gesellschaft nach Art. 3 Abs. 1 und 4 DBAS zu beurteilen und nur als empfangende Gesellschaft durch das Schlußprotokoll zu Art. 6 (Abs. 12) den übrigen Kapitalgesellschaften gleichgestellt werde. Die Vorschriften des Schlußprotokolls zu Art. 6 (Abs. 11 und 12) DBAS bezweckten im Hinblick auf die steuerlichen Auswirkungen des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes für ausgeschüttete und nicht ausgeschüttete Gewinne von Kapitalgesellschaften die Angleichung der Besteuerung der von einem schweizerischen Unternehmen gehaltenen Schachtelbeteiligungen an die Besteuerung der von einem inländischen Unternehmen gehaltenen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Steuerpflichtigen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung und den ablehnenden Bescheid des FA aufzuheben sowie das FA zur Erstattung von 1 934 517 DM Kapitalertragsteuer anzuweisen. Zur Begründung läßt die Steuerpflichtige ausführen:

Nach den Vorschriften des DBAS seien GmbH-Beteiligungen grundsätzlich nicht dem Kapitalvermögen, sondern dem gewerblichen Betriebsvermögen zuzurechnen. Die Beteiligung der Steuerpflichtigen an der inländischen GmbH sei mithin ein Gewerbebetrieb im Sinne von Art. 3 DBAS, selbst wenn sie nach innerdeutschem Recht zum beweglichen Kapitalvermögen rechne (BFH-Urteil I R 205/67 vom 5. März 1969, BFH 95, 171, BStBl II 1969, 325). Daraus folge, daß die Beteiligung der Steuerpflichtigen an der GmbH auch keine Schachtelbeteiligung sein könne; denn trotz der Stimmrechtsvermittlung verkörpere die Beteiligung kein Kapitalvermögen. Daraus aber folge wiederum, daß auch die Vorschriften des Schlußprotokolls zu Art. 6 DBAS im Streitfalle keine Anwendung fänden. Im übrigen werde durch diese Vorschriften die einschränkende Regelung in Art. 6 Abs. 3 Buchst. a DBAS wieder aufgehoben. - Demgegenüber seien Genußscheine - und nur um deren Ertrag gehe es im Streitfalle - nach den Vorschriften des DBAS dem beweglichen Kapitalvermögen zuzuordnen. Da die Genußscheine jedoch keine Stimmrechte vermittelten, das Schlußprotokoll zu Art. 6 (Abs. 11) DBAS jedoch eine stimmberechtigte Beteiligung von mindestens 25 v. H. voraussetze, entfalle die Anwendung dieser Vorschriften auf Genußscheine. Beteiligung und Genußscheine seien zwei völlig verschiedene Steuergüter, deren jedes seine spezielle Regelung im DBAS gefunden habe. Das Merkmal der Stimmberechtigung (vermittelt durch die Beteiligung) könne bei der Besteuerung der Genußscheine nicht dazu herangezogen werden, um den Tatbestand der Vorschrift des Schlußsprotokolls zu Art. 6 (Abs. 11) DBAS zu vervollständigen, der letztens nur die empfangende, nicht auch die ausschüttende GmbH betreffe.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der BMWF, der in seiner Eigenschaft als BdF dem Verfahren beigetreten ist (§ 122 Abs. 2 FGO), hat ausgeführt:

Das DBAS unterscheide für die Zuweisung des Besteuerungsrechts zwischen unverbrieften Beteiligungen an gewerblichen Unternehmen einerseits und solchen in Wertpapierform andererseits. Soweit danach das Besteuerungsrecht dem Quellenstaat zustehe, sei dem ausländischen Gläubiger der Teil der Abzugsteuer, der 15 v. H. der Bruttobezüge übersteige, zu erstatten. Eine Ausnahme gelte - bei Vorliegen seiner Voraussetzungen - nach dem Schlußprotokoll zu Art. 6 (Abs. 11) DBAS; sie bezwecke, die durch die Regelung in Art. 6 Abs. 3 Buchst. a DBAS gegebene Verstärkung der als Folge des gespaltenen deutschen Körperschaftsteuertarifs ohnehin auftretenden (als "Ausländereffekt" bezeichneten) Begünstigung ausländischer Muttergesellschaften gegenüber deutschen Muttergesellschaften auszuschließen. Nach deutschem Steuerrecht ermäßige sich die Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft auf berücksichtigungsfähige Ausschüttungen von 51 v. H. auf 15 v. H. ihres Einkommens. Blieben indes bei der empfangenen Muttergesellschaft die Ausschüttungen aufgrund des Schachtelprivilegs des § 9 Abs. 1 KStG außer Ansatz, ohne daß diese die ihr zugeflossenen Ausschüttungsbeträge an ihre Gesellschafter weiter ausschütte, greife die Nachsteuer des § 9 Abs. 3 KStG Platz. Von ausländischen Muttergesellschaften könne die Nachsteuer indes nicht erhoben werden. Deshalb dürfe in diesen Fällen die deutsche Kapitalertragsteuer nicht ermäßigt werden, da sonst durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. a DBAS die Wettbewerbslage zu Lasten der deutschen Muttergesellschaften noch weiter verschoben würde. - Im vorliegenden Streitfall handele es sich jedoch um Dividenden aus Genußscheinen, die nicht unter Art. 3 sondern unter Art. 6 DBAS fielen. Auch für sie gelte der ermäßigte Körperschaftsteuersatz des § 19 KStG. Wäre die Steuerpflichtige unbeschränkt steuerpflichtig, so käme auch bei ihr die Erhebung der Nachsteuer aus § 9 Abs. 3 KStG zum Zuge. Daß die Ausschüttungen gerade auf die mit dem Stimmrecht versehenen Anteile (GmbH-Beteiligung) entfielen, sei nicht Voraussetzung der Regelung des Schlußprotokolls in Abs. 11 zu Art. 6 DBAS. Der tragende Gedanke dieser Regelung sei vielmehr der, daß die Dividenden bei wesentlicher Beteiligung in der Schweiz steuerfrei und damit die Voraussetzungen erfüllt seien, unter denen bei einer deutschen Gesellschaft die Nachsteuer zu erheben wäre.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Wie der erkennende Senat bereits im Urteil I 204/64 (a. a. O.) ausgeführt hat, weist das DBAS das Besteuerungsrecht an Dividenden - als Erträgen von Beteiligungen an einem gesellschaftlichen Unternehmen - grundsätzlich dem Quellenstaat zu; eine Ausnahme gilt für Dividenden aus Beteiligungen in Wertpapierform (Art. 3 Abs. 1 und 4 DBAS), deren Besteuerung dem Wohnsitzstaat des Gläubigers zusteht (Art. 6 Abs. 1 DBAS). Als Ausnahme von dieser Ausnahme verbleibt das Besteuerungsrecht beim Quellenstaat, soweit die auf die Dividenden entfallende Steuer im Abzugswege erhoben wird (Art. 6 Abs. 2 DBAS).

Erträge aus Genußscheinen in Wertpapierform zählen aus den Gründen der genannten Entscheidung zu den Einkünften aus beweglichem Kapitalvermögen (Art. 6 Abs. 1 DBAS); ihre Besteuerung liegt jedoch beim Quellenstaat, soweit die auf sie entfallende Steuer im Abzugswege erhoben wird (Art. 6 Abs. 2 DBAS). Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil I 204/64 (a. a. O.) Bezug.

2. Der vorliegende Rechtsstreit geht um die Frage, ob die in Art. 6 Abs. 3 Buchst. a DBAS enthaltene Einschränkung des Besteuerungsrechts des Quellenstaats, die nach dem bereits genannten Urteil des erkennenden Senats I 204/64 (a. a. O.) auch Erträge aus Genußscheinen in Wertpapierform erfaßt, durch die Vorschriften des Schlußprotokolls zu Art. 6 Abs. 11 und 12 DBAS (gültig für Dividenden, die nach dem 30. Juni 1959 fällig geworden sind; siehe Abschn. V Abs. 2 Buchst. a des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959) auch für Erträge aus Genußscheinen aufgehoben worden ist. Die Regelung besagt, soweit hier von Interesse, folgendes:

"Solange in der Bundesrepublik Deutschland der Satz der Körperschaftsteuer für ausgeschüttete Gewinne niedriger ist als der Steuersatz für nicht ausgeschüttete Gewinne und der Unterschied 20 vom Hundert oder mehr beträgt, ist, abweichend von Artikel 6 Abs. 3 Buchstabe a die in der Bundesrepublik Deutschland im Abzugsweg (an der Quelle) erhobene Steuer nur in Höhe des Betrages zu erstatten, der 25 vom Hundert der Dividenden übersteigt, wenn die Dividenden an eine Kapitalgesellschaft mit Wohnsitz in der Schweiz gezahlt werden, der mindestens 25 vom Hundert der stimmberechtigten Anteile der ausschüttenden Gesellschaft gehören."

"Kapitalgesellschaften im Sinne des Absatzes 11 sind Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften sowie Gesellschaften mit beschränkter Haftung."

Der Wortlaut dieser Regelung läßt nichts dafür erkennen, daß die Abweichung von Art. 6 Abs. 3 Buchst. a DBAS auf bestimmte, dem Steuerabzug von Kapitalertrag unterliegende Erträge beschränkt sein solle. Auch dem Sinngehalt der Vorschriften des Art. 6 Abs. 3 Buchst. a DBAS und des Schlußprotokolls zu Art. 6 (Abs. 11 und 12) DBAS kann nichts für eine solche Auffassung entnommen werden. Erträge aus gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen und Erträge aus Genußscheinen (als forderungsrechtlichen Wertpapieren) werden im innerdeutschen Steuerrecht gleich behandelt; auch im Streitfall sind die an die Steuerpflichtige ausgeschütteten Beträge (als Erträge aus Genußscheinen) bei der ausschüttenden GmbH als berücksichtigungsfähig anerkannt und behandelt worden. Auch die Vorschriften des Art. 6 DBAS machen insoweit zwischen Erträgen aus verbrieften Beteiligungen (dazu Schlußprotokoll zu Art. 6 - Abs. 2 - DBAS) und solchen aus Genußscheinen in Wertpapierform, wie oben ausgeführt, keinen Unterschied.

Den Vorschriften des Art. 3 DBAS ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Sie enthalten allein Zuteilungsnormen, lassen indes den Charakter der GmbH als Kapitalgesellschaft unberührt. Erträge aus dem Betrieb einer GmbH können dem Empfänger aufgrund einer Beteiligung wie aufgrund eines Genußscheines in Wertpapierform zufließen; während das Besteuerungsrecht im ersten Falle grundsätzlich dem Quellenstaat (Betriebstättenstaat) zusteht, steht es im zweiten Falle dem Quellenstaat nur dann zu, wenn die Steuer im Abzugswege (an der Quelle) erhoben wird. Ist dies der Fall, greift die Regelung in Art. 6 DBAS (einschließlich ihrer Änderung durch das Schlußprotokoll zu Art. 6) unbeschränkt ein, wobei die Erweiterung des Besteuerungsrechts auf die vollen 25 v. H. (abweichend von Art. 6 Abs. 3 Buchst. a DBAS) des weiteren u. a. voraussetzt, daß der Emfänger daneben mit mindestens 25 v. H. an der ausschüttenden Gesellschaft stimmberechtigt beteiligt ist.

Daß der Steuerpflichtigen "mindestens 25 v. H. der stimmberechtigten Anteile der ausschüttenden Gesellschaft gehören", und daß der Unterschied zwischen den Steuersätzen für ausgeschüttete und für nicht ausgeschüttete Gewinne 20 v. H. oder mehr beträgt, ist nicht zweifelhaft.

Der Senat kann der Steuerpflichtigen daher nicht darin folgen, daß angesichts dieser Rechtslage bei Anwendung der Vorschriften des Schlußprotokolls Art. 6 (Abs. 11) DBAS zwischen den Erträgen der die Stimmberechtigung vermittelnden Beteiligung und den Erträgen der keine Stimmberechtigung vermittelnden Genußscheine in Wertpapierform unterschieden werden müsse.

3. Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob sich die Begriffsbestimmung im Schlußprotokoll zu Art. 6 (Abs. 12) DBAS nicht auch auf die ausschüttende Gesellschaft, sondern allein auf die empfangende Gesellschaft in der Rechtsform der GmbH bezieht. Der Umstand, daß das Wort "Kapitalgesellschaft" in Abs. 11 allein für die empfangende Gesellschaft verwendet wird, rechtfertigt die Auffassung der Steuerpflichtigen nicht. Denn da die Regelung im Schlußprotokoll zu Art. 6 DBAS in erster Linie vom gespaltenen Körperschaftsteuersatz ausgeht, als ausschüttende Gesellschaft indes nur eine Kapitalgesellschaft in Betracht kommt (§ 19 Abs. 1 KStG), bedarf hier eher der in § 19 Abs. 1 KStG - als im innerdeutschen Steuerrecht - gebrauchte Begriff der Kapitalgesellschaft einer für das DBAS verbindlichen Definierung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425924

BStBl II 1972, 199

BFHE 1972, 72

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