Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Schwierigkeiten in der Beurteilung einer Rechtsfrage sind für sich allein kein "besonderer Umstand" nach § 14 BewG und rechtfertigen daher bei der Bewertung einer Kapitalforderung keinen Abschlag vom Nennwerte. Für die Bewertung kommt es auf die objektive Rechtslage am Stichtage an.

 

Normenkette

BewG §§ 14, 12 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist der Wert, mit dem eine Forderung bei der Vermögensabgabe anzusetzen ist.

Die Vermögensgegenstände, mit denen der Abgabepflichtige zur Vermögensabgabe herangezogen worden ist, enthalten unter anderem eine Darlehnsforderung der Ehefrau, zu deren Sicherung ihr im Jahre 1935 eine Hypothek abgetreten worden ist. Anläßlich der Abtretung war die folgende Vereinbarung getroffen worden:

"Die Gläubigerin ist berechtigt, bei der Rückzahlung des Kapitals nach ihrer Wahl 6000,-- RM oder denjenigen Betrag in Reichsmark zu verlangen, der am Tage der Rückzahlung 6000,-- GM (eine Goldmark gleich dem Werte von 1/2790 kg Feingold) oder 7328,69 Schweizer Franken entspricht. Maßgebend für die Umrechnung ist der amtlich festgelegte Geldkurs oder der amtliche Geldkurs der Berliner Börse. Falls am Tage der Zahlung die Zahlung im ausländischen Geld gesetzlich zulässig ist, kann die Gläubigerin stattdessen auch Zahlung in Schweizer Franken effektiv verlangen."

Nach der Währungsreform leitete die Gläubigerin ein Verfahren nach § 6 der Vierzigsten Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz (40. UGDV) ein, mit dem Ziele, im Hinblick auf die vorerwähnte Vereinbarung eine Umstellung der Forderung im Verhältnis 1:1 zu erreichen. Dem Antrage wurde stattgegeben. Das Oberlandesgericht erließ im Juli 1953 einen Beschluß, in dem es unter anderem heißt:

"Es wird festgestellt, daß die im Grundbuch von J. Band II Blatt 223 in Abteilung III unter Nr. 1 eingetragene Hypothek von 6000 GM, mindestens 6000 RM, und die ihr zu Grunde liegende Forderung, letztere im Falle ihres Bestehens, mit der Wirkung auf Deutsche Mark umgestellt sind, daß an die Stelle von je einer Goldmark bzw. Reichsmark eine Deutsche Mark getreten ist."

Bei der Vermögensermittlung für die Vermögensteuerhauptveranlagung 1949 hat das Finanzamt die Forderung zum 21. Juni 1948 zunächst mit 6000 DM als sonstiges Vermögen angesetzt. In dem hiergegen angestrengten Rechtsmittelverfahren bestand der Ehemann auf einem Wertansatz von nur 600 DM, weil die Forderung unbeschadet des inzwischen ergangenen Gerichtsbeschlusses im Verfahren nach § 6 der 40. UGDV im Verhältnis 10:1 auf DM umgestellt sei. Das Finanzgericht entschied im Juni 1955, die Forderung sei zum Stichtag mit 3000 DM zu bewerten. Es führte aus, die Beurteilung von Forderungen mit Wertsicherungsklauseln habe sich am Stichtage nicht endgültig übersehen lassen. Sie sei zunächst nicht einheitlich gewesen und habe sich erst längere Zeit nach der Währungsreform durch die Rechtsprechung gefestigt. Dieser besondere Umstand (§ 14 des Bewertungsgesetzes -- BewG --) rechtfertige es, die auf 6000 DM umgestellte Forderung nur in Höhe ihres halben Nennbetrages, also mit 3000 DM zu bewerten.

In Anwendung dieses zur Vermögensteuer ergangenen und rechtskräftig gewordenen Urteiles wurde die Forderung auch bei der Vermögensabgabeveranlagung und der Berechnung der Teilablösung der Vermögensabgabe mit 3000 DM angesetzt.

Demgegenüber beharrt der abgabepflichtige Ehemann auch für die Vermögensabgabe auf dem bereits in dem vorangegangenen Verfahren zur Vermögensteuer vertretenen Standpunkt, die Forderung sei im Verhältnis 10:1 auf 600 DM umgestellt. Sie falle daher unter die Vorschrift des § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG. Eine Heranziehung zur Vermögensabgabe scheide damit aus.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat auf die Ausführungen in dem zur Vermögensteuer ergangenen Urteil verwiesen, wonach die Forderung mit 3000 DM anzusetzen sei. Dabei müsse es auch für die Vermögensabgabe verbleiben.

In der Rb. rügt der Bf. insbesondere Verstoß gegen das Stichtagsprinzip des § 21 LAG, wonach ausschließlich auf die Verhältnisse am 21. Juni 1948 abzustellen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt, wenn auch aus anderen als den vom Bf. angeführten Gründen, zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

1. Nach § 21 Abs. 1 Ziff. 1 LAG unterliegt der Vermögensabgabe das Vermögen zu Beginn des 21. Juni 1948, das sich nach den bei der Vermögensteuer (Hauptveranlagung 1949) für die Ermittlung des Gesamtvermögens maßgebenden Vorschriften errechnet. Der Hinweis des Finanzgerichts auf diese Bestimmung will besagen, daß für die Bewertung der streitigen Forderung die Vorschriften des BewG maßgebend sind, vgl. §§ 7, 10 des Gesetzes über die Vermögensteuerveranlagung 1949 und die Vermögensteuer für das zweite Kalenderhalbjahr 1948 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949 S. 83 ff.) in Verbindung mit § 4 des Vermögensteuergesetzes. Er bedeutet nicht, daß eine Bindung an den bei der Vermögensteuer zugrunde gelegten Wertansatz besteht. Dafür, daß das Finanzgericht eine solche Bindung dennoch unterstellt habe, wie der Bf. meint, fehlt jeder Anhaltspunkt. Das Finanzgericht hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, es sei nach "nochmaliger" Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt, die Forderung sei auch für die Vermögensabgabe mit 3000 DM zu bewerten. Der Hinweis auf die bei der Vermögensteuer in diesem Zusammenhange vertretene Rechtsauffassung kann nicht beanstandet werden.

2. Nach dem rechtskräftigen Gerichtsbeschluß sind die Hypothek und die zugrunde liegende Forderung im Verhältnis 1:1 umgestellt. Daran ist der Senat gemäß § 6 Abs. 3 letzter Satz der 40. UGDV gebunden. Daß die Forderung am Währungsstichtage noch bestanden hat, ist unstreitig; sie bestand daher in diesem Zeitpunkt in Höhe von 6000 DM, nicht aber in Höhe von 600 DM. Der Beschluß des Oberlandesgerichtes kann sich, da er die Umstellung als solche zum Gegenstande hat, nur auf die Verhältnisse am Währungsstichtage beziehen; das Umstellungsverhältnis kann nur einheitlich festgestellt werden. Daß der Gerichtsbeschluß erst im Juli 1953 ergangen ist, ändert hieran nichts. Die Verbindlichkeit ist infolge der Gesetzeslage zum 21. Juni 1948 automatisch auf 6000 DM umgestellt worden. Die hiergegen in der Rb. erhobenen Einwendungen sind nicht stichhaltig, insbesondere kann von der gerügten "Rückwirkung" des Gerichtsbeschlusses keine Rede sein. Dieser besaß keine rechtsgestaltende, sondern deklaratorische Wirkung. Ergänzend sei bemerkt, daß die Vorschrift in § 6 Abs. 3 letzter Satz a. a. O. nicht erst nachträglich in die 40. UGDV aufgenommen worden ist.

3. Zu prüfen bleibt, ob wegen etwaiger Schwierigkeiten in der Beurteilung der Wertsicherungsklausel oder wegen einer insoweit ungeklärten Rechtslage am 21. Juni 1948 "besondere Umstände" (§ 14 Abs. 1 BewG) vorgelegen haben, die eine niedere Bewertung der Forderung, also einen Abschlag vom Nennwerte geboten erscheinen lassen. Das Finanzgericht hat die Frage zu Unrecht bejaht. Es mag sein, daß am Währungsstichtage nicht ohne weiteres zu übersehen war, ob und inwieweit Vereinbarungen der hier vorliegenden Art in vollem Umfange anzuerkennen waren. Eine derartige Unsicherheit bestand indessen allenfalls in der Beurteilung der Wertsicherungsklausel, also der Frage, ob die Gläubigerin auf der Zahlung eines Betrages bestehen konnte, der sich aus dem dort angegebenen Umrechnungsmaßstabe (zu 6000 GM oder 7328,69 Schweizer Franken) "am Tage der Rückzahlung" ergeben hätte. Diese Frage liegt ausschließlich auf rechtlichem Gebiete. Schwierigkeiten in der Beurteilung einer Rechtsfrage aber begründen, jedenfalls für sich allein, noch keinen "besonderen Umstand" nach § 14 Abs. 1 BewG und rechtfertigen daher auch keine niedere Bewertung, d. h. ein Abgehen vom Nennwert der Forderung. Denn die Rechtsfrage ist selbst dann, wenn sie die Forderung unmittelbar betrifft, keine Eigenschaft ("Umstand") derselben, vielmehr umgekehrt eine sich aus den jeweiligen (besonderen) Umständen (vgl. § 14 Abs. 1 BewG) ergebende Folgewirkung. Maßgebend ist, ob nach den Merkmalen der Forderung die Rechtslage am Stichtage zutreffend festzustellen war (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 215/37 vom 10. Februar 1938, RStBl 1938 S. 537). Dies aber war hier mindestens insoweit der Fall, als eine Umstellung im Verhältnis 10:1 schlechthin ausscheiden mußte. Denn nach § 13 Abs. 3 des Umstellungsgesetzes vom 20. Juni 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948 Beilage 5 S. 13) unterlagen nur solche Reichsmarkforderungen der Umstellung, die auf Reichsmark, Rentenmark oder Goldmark lauteten oder nach den vor dem Inkrafttreten des Währungsgesetzes in Geltung gewesenen Vorschriften in RM zu erfüllen gewesen wären. Da dies auf die hier vorliegende Forderung aus den von dem Oberlandesgericht in dem Beschluß vom Juli 1953 angegebenen Gründen nicht zutraf, fiel die Forderung nicht unter das Umstellungsgesetz. Schied aber nach der Rechtslage am Währungsstichtage eine Umstellung der Forderung schlechthin aus, so ergab sich daraus zwangsläufig, daß der Nennbetrag der Forderung keinesfalls unter 6000 DM liegen konnte. Unter den am 21. Juni 1948 obwaltenden Verhältnissen war die Forderung daher gemäß § 14 BewG mit 6000 DM zu bewerten. Für einen Abschlag fehlt die Rechtsgrundlage.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425870

BStBl III 1961, 493

BFHE 1962, 624

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