Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verbrauchsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die nach § 99 Abs. 6 TabStG zu erlassende Tabaksteuerschuld durfte in den Steuerbilanzen nur in Höhe der jeweils tatsächlich erlassenen Teilbeträge zugunsten des Gewinns ausgebucht werden.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 3; TabStG § 99 Abs. 6

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige, dessen Firma im Handelsregister eingetragen ist, ist Tabakgroßhändler. Streitig ist die Behandlung erlassener Tabaksteuerbeträge bei den Veranlagungen 1954 und 1955. In der Zeit vom 20. Dezember 1951 bis zum 5. Juni 1953 nahm der Steuerpflichtige einen ihm genehmigten fortlaufenden allgemeinen Tabaksteuer-Vollstreckungsaufschub ohne Verzinsung und ohne Sicherheitsleistung im Gesamtbetrage von 78 166,34 DM in Anspruch. Von diesem Betrage war ihm nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 des § 99 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) vom 6. Mai 1953 (BGBl 1953 I S. 169) ein Betrag von 75 640,14 DM mit Aussicht auf Erlaß zu stunden. Das geschah durch einen unanfechtbar gewordenen "Festsetzungsbescheid" des Hauptzollamts vom 31. Oktober 1953. Wegen des in Aussicht gestellten Erlasses ist in § 99 Abs. 6 TabStG bestimmt:

"Beträge, die nach den Absätzen 1 und 2 mit der Aussicht auf Erlaß gestundet sind, werden in Höhe von 20 von Hundert jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres, erstmalig zu Beginn des Kalenderjahres 1954, erlassen. Diese Beträge können vom Bundesminister der Finanzen oder der von ihm ermächtigten Stelle ganz oder teilweise bereits im Kalenderjahr 1953 erlassen werden, wenn ein dringendes Bedürfnis vorliegt und der Hersteller es beantragt".

Da der Steuerpflichtige keinen Antrag gestellt hat, den Betrag von 75 640,14 DM ganz oder teilweise bereits im Kalenderjahr 1953 zu erlassen, heißt es demgemäß in dem genannten Bescheid des Hauptzollamts weiter: "Der gestundete Betrag von 75 640,14 DM wird gemäß § 99 Abs. 6 TabStG in Höhe von 20 v. H. jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres, erstmalig Beginn des Kalenderjahres 1954, erlassen. - Entsprechende Mitteilungen erfolgen zu gegebener Zeit". Zu diesem Erlaßbetrag kam nach dem Bescheid des Hauptzollamts ein weiterer nach § 99 Abs. 6 TabStG durchzuführender Erlaß von 2.021 DM hinzu, so daß sich ein Gesamtbetrag von 75.640,14 DM + 2 021 DM = 77 661,14 DM ergab, der in fünf Teilbeträgen von je 15 532,23 DM in den Jahren 1954 bis 1958 zu erlassen war. Die entsprechenden Teilbeträge wurden in den hier maßgeblichen Kalenderjahren 1954 und 1955 erlassen.

Der Steuerpflichtige verminderte bereits in seiner Handelsbilanz zum 31. Dezember 1 9 5 3 seine Verbindlichkeiten an das Hauptzollamt um den Betrag von 7 5 6 4 0 , 1 4 DM. Den sich auf Grund dieser bilanzmäßigen Behandlung ergebenden Gewinn setzte er in seinem Betriebsvermögensvergleich 1953 als "Sanierungsgewinn" vom Gesamtgewinn des Veranlagungszeitraums 1953 ab. Das Finanzamt folgte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1953 der bilanzmäßigen Behandlung des Steuerpflichtigen und erkannte den sich hiernach ergebenden Sanierungsgewinn von 75 640,14 DM als steuerfrei an. Bei den Jahresabschlüssen für 1954 und 1955 verbuchte der Steuerpflichtige die Teilerlaßbeträge von je 15 532,23 DM erfolgsneutral.

Im Anschluß an eine den Erlaßvorgang darstellende, im Jahre 1957 durchgeführte Betriebsprüfung änderte das Finanzamt seine bisherige Rechtsauffassung mit dem Hinweis, daß es bei der Einkommensteuerveranlagung 1954 davon ausgegangen sei, dem Steuerpflichtigen sei antragsgemäß nach § 99 Abs. 6 Satz 2 TabStG ein Gesamtbetrag von 75 640,14 DM bereits im Kalenderjahr 1953 erlassen worden. Es erhöhte die Gewinne 1954 und 1955 jeweils um die Teilerlaßbeträge von 15 532,23 DM.

Nach erfolglosem Einspruch des Steuerpflichtigen gab die Vorinstanz seiner Berufung statt und erkannte dahin, daß die in den Jahren 1954 und 1955 verfügten Erlaßteilbeträge von je 15 532,23 DM als erfolgsneutral, mithin nicht als Gewinne dieser Veranlagungszeiträume zu behandeln seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Steuerschuld wegen des zugesagten Erlasses bereits mit der im Jahre 1953 erfolgten Stundung wirtschaftlich nicht mehr bestanden habe, weil hier die Erlaßzusage dem Erlaß selbst gleichzusetzen sei. Der Steuerpflichtige sei daher nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen berechtigt gewesen, den Untergang der Tabaksteuerschuld bei Aufstellung der Bilanz 1953 zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe zwar durch den "stufenweisen Erlaß" den Steuerpflichtigen die Möglichkeit geben wollen, durch entsprechende Bilanzierung die Progression des Einkommensteuertarifs zu mindern. Daraus könne aber mangels ausdrücklicher entgegenstehender gesetzlicher Bestimmung nicht entnommen werden, daß er die Steuerpflichtigen dazu habe zwingen wollen. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die Wahl der günstigsten Bilanzierung habe einräumen wollen. Eine Gewinnerhöhung sei in den Jahren 1954 und 1955 durch den in diesen Jahren vom Hauptzollamt verfügten Teilerlaß von je 15 532,23 DM nicht eingetreten.

Diese Auffassung des Finanzgerichts ist unzutreffend. Der Vorinstanz ist allerdings darin zuzustimmen, daß es sich bei der Tabaksteuerschuld in Höhe der Erlaßzusage am 31. Dezember 1953 nur noch um eine formal bestehende Verbindlichkeit handelte, weil der Steuerpflichtige zu diesem Stichtag bereits mit Sicherheit annehmen konnte, daß er sie nicht zu erfüllen brauche. Das hat - wie der III. Senat des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung III 353/57 S vom 3. April 1959 (BStBl 1959 III S. 300, Slg. Bd. 69 S. 97) ausgesprochen hat - für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zur Folge, daß die Tabaksteuerschuld den Einheitswert des Betriebsvermögens vom 1. Januar 1954 nicht mindert.

Für die einkommensteuerliche Beurteilung muß jedoch nach der in § 99 Abs. 6 TabStG getroffenen Regelung etwas anderes gelten. Der Senat sieht den Sinn dieser Regelung darin, daß der Wegfall der Tabaksteuerschuld und die sich daraus ergebende Gewinnauswirkung nach dem Willen des Gesetzgebers maßgeblich durch den Zeitpunkt bestimmt sein soll, zu dem der Erlaß durch die Behörde tatsächlich ausgesprochen wird. Nur wenn ausnahmsweise einem Antrag nach § 99 Abs. 6 Satz 2 TabStG stattgegeben war, durfte der Steuerpflichtige die Tabaksteuerschuld bereits 1953 ausbuchen. Das hat zur Folge, daß die Tabakschuld unabhängig von den allgemeinen Grundsätzen der Gewinnverwirklichung am 31. Dezember 1953 in voller Höhe zu passivieren war, und daß demgemäß die durch den Erlaß der Tabaksteuer bedingten Gewinne jeweils erst in Höhe der Teilerlaßbeträge in den Jahren 1954 und folgende in Erscheinung traten. Dem steht nicht der von der Rechtsprechung vertretene und von I. Senat des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung I 136/60 S vom 27. März 1962 (BStBl 1962 III S. 273) erneut bestätigte Grundsatz des steuerlichen Bilanzenzusammenhangs entgegen, da beide von den Beteiligten vertretene Auffassungen - Sanierungsgewinn oder Passivierung der gesamten Tabaksteuerschuld - für den Veranlagungszeitraum 1953 zur im Ergebnis zutreffenden Steuerfestsetzung führen, sich die Falsche Bilanzierung im Jahre 1953 also steuerlich nicht ausgewirkt hat. Hiernach war die Durchbrechung des Bilanzenzusammenhanges auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des Urteils I 136/60 S zulässig (vgl. Urteil des Senats IV 302/50 S vom 1. Dezember 1950, BStBl 1951 III S. 10, Slg. Bd. 55 S. 22, und die dort angeführte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs).

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 241

BFHE 1963, 661

BFHE 76, 661

DB 1963, 606

DStR 1962/63, 388

StRK, EStG:6/1/3 R 78

FR 1963, 216

BFH-N, (K) Nr. 1023

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