Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auch Versicherungsbeiträge in Form von Einmalprämien können Sonderausgaben i. S. des § 10 EStG sein.

Zu den berücksichtigungsfähigen Versicherungsbeiträgen gehören auch die Ausfertigungsgebühr und die Versicherungsteuer.

Wird im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag ein Darlehnsvertrag geschlossen, so kann bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das Darlehen als Stundung der geschuldeten Einmalprämie aufzufassen sein. In diesem Fall können nur die vom Steuerpflichtigen tatsächlich aufgebrachten Beträge nach § 10 EStG als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

 

Normenkette

StAnpG § 1 Abs. 2-3, § 6; EStG § 10/1/2/a, § 10/1/2/b, § 11 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.), ein Gewerbetreibender, schloß im Dezember 1950 einen Lebensversicherungsvertrag über 30.000 DM ab. Die Versicherungssumme ist im Jahre 1965 oder vorher beim Tode des Bf. fällig. Der Bf. hatte vertraglich eine Einmalprämie von 22.590 DM zuzüglich einer Ausfertigungsgebühr von 10 DM und der Versicherungsteuer von 452 DM zu zahlen. Gleichzeitig gewährte die Versicherungsgesellschaft dem Bf. ein verzinsliches Darlehen von 18.750 DM. Das Finanzamt versagte unter Berufung auf § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) den Abzug der Einmalprämie als Sonderausgabe, weil der Versicherungsvertrag und die Kreditgewährung in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden. Der Steuerausschuß gab dem Einspruch statt.

Die Berufung des Vorstehers des Finanzamts hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht erkannte den Unterschied zwischen der Einmalprämie von (22.590 + 10 + 452 =) 23.052 DM und dem erhaltenen Darlehen von 18.750 DM, also 4.302 DM, als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 an. Es führte aus, für den Veranlagungszeitraum 1950 gelte die später getroffene Regelung, daß aufgewendete Versicherungsprämien nicht unmittelbar oder mittelbar mit einer Kreditaufnahme in Verbindung stehen dürften, nicht. Das ergebe sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes, der nicht erkennbar mit dem Willen des Gesetzgebers in Widerspruch stehe. Sonderausgaben seien bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aber nur solche Aufwendungen, die der Steuerpflichtige zur Erlangung der Steuervergünstigung tatsächlich gemacht habe. Das treffe im vorliegenden Falle hinsichtlich des Darlehens von 18.750 DM nicht zu. In Höhe dieses Betrags sei dem Bf. ein Kredit zugeflossen. Es möge zwar sein, daß der Bf., wie er behauptet, ausreichend eigene Mittel zur Zahlung der Einmalprämie zur Verfügung gehabt habe; jedenfalls habe er sich dieser Mittel aber nicht entblößen wollen. In Höhe des über das Darlehen hinausgehenden Betrags von 4.302 DM habe der Bf. aus eigenen Mitteln Aufwendungen gemacht.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) will der Bf. weiterhin die Einmalprämie von 23.052 DM in voller Höhe für 1950 berücksichtigt haben. Er bestreitet, daß zwischen dem Abschluß des Versicherungsvertrags und der Aufnahme des Darlehens ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestanden habe. Die Kreditverhandlungen seien schon im Sommer 1950 aufgenommen worden, und zwar nicht um Mittel für die Einmalprämie zu bekommen, sondern um Maschinen und ein Betriebsgrundstück kaufen zu können. Daß der Kauf des Grundstücks bisher nicht zustande gekommen sei, sei nicht seine Schuld.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Zutreffend geht das Finanzgericht davon aus, daß zu den Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2a EStG 1950 auch Einmalprämien gehören können. Einmalprämien können ihrem Wesen nach ebenso echte Versicherungsbeiträge sein, wie wiederkehrende Beiträge, bei denen im übrigen auch die Laufdauer kürzer oder länger sein kann.

Unbedenklich ist auch, wenn das Finanzgericht zu den Beiträgen im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2a EStG nicht nur die eigentlichen Prämien, sondern auch die üblichen mit der Versicherung zusammenhängenden und vom Versicherungsnehmer zu tragenden Nebenleistungen, wie die Ausfertigungsgebühr und die Versicherungsteuer, gerechnet hat (vgl. Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Lebensversicherungsprämien").

Beiträge und Versicherungsprämien sind nur insoweit und in dem Jahr als Sonderausgaben zu berücksichtigen, in dem der Steuerpflichtige sie tatsächlich geleistet hat (§ 11 Abs. 2 EStG). Ob geleistete Beiträge und Versicherungsprämien unmittelbar oder mittelbar mit der Aufnahme eines Kredits in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen dürfen, ist zweifelhaft. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß die Verwendung fremder Mittel erst durch § 10 Abs. 1 Ziff. 2d EStG 1953 ausgeschlossen worden sei, und Wortlaut und Sinn des bis dahin geltenden Gesetzes nicht verböten, Beiträge und Versicherungsprämien aus kreditierten fremden Mitteln zu erbringen. Der Senat läßt dahingestellt, ob nicht die Rechtsgrundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 358/52 U vom 9. Oktober 1953 (Slg. Bd. 58 S. 206, Bundessteuerblatt 1953 - BStBl - III S. 370), die das steuerbegünstigte Sparen mit fremden Mitteln betreffen, sinngemäß auf Versicherungsprämien, die mit kreditierten Mitteln erbracht werden, anzuwenden sind. Denn Lebensversicherungsverträge, besonders wenn sie auf Einmalprämien oder mit kurzer Beitragslaufzeit abgeschlossen werden, sind Kapitalansammlungsverträgen in verschiedener Hinsicht wirtschaftlich ähnlich. Es könnte vielleicht manches dafür sprechen, die Ausführungen in Abschn. 103 der Einkommensteuer- Richtlinien (EStR) II/1948 und 1949, die im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 155/53 vom 17. September 1953 (Slg. Bd. 58 S. 48, BStBl 1953 III S. 310) für Kapitalansammlungsverträge als rechtlich zutreffend gebilligt worden sind, auch bei Versicherungsprämien aus kreditierten fremden Mitteln anzuwenden.

Im vorliegenden Fall braucht diese Zweifelsfrage aber nicht abschließend entschieden zu werden. Denn der Bf. hat nicht im Kreditwege Mittel von einem Dritten aufgenommen und zur Deckung der geschuldeten Versicherungsprämien verwendet. Er hat vielmehr gleichzeitig mit dem Versicherungsvertrag ein als Darlehnsvertrag bezeichnetes Abkommen mit der Versicherungsgesellschaft geschlossen. Das Finanzgericht konnte ohne Rechtsverstoß zu der Auffassung kommen, daß beide Abkommen wirtschaftlich zusammenhängen. Es hat aber nicht festgestellt, welche Bedingungen hinsichtlich der Laufzeit dieses sogenannten Darlehens vereinbart waren, insbesondere, ob es innerhalb einer festgelegten Frist getilgt oder, wie oft in ähnlichen Fällen, bei Eintritt des Versicherungsfalles mit der fälligen Versicherungssumme verrechnet werden sollte. Einer weiteren Aufklärung in diesem Punkt bedarf es indessen für das Streitjahr nicht. Auch wenn man davon ausgeht, daß der Versicherungsvertrag und der Darlehnsvertrag ernsthaft gewollt waren und bürgerlich-rechtlich selbständig nebeneinander stehen, so ist für die steuerliche Beurteilung doch nicht ohne weiteres die von den Beteiligten gewählte bürgerlich- rechtliche Form maßgebend, sondern das, was sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als der wirkliche Gehalt der getroffenen Vereinbarungen ergibt (§ 1 Abs. 3 StAnpG). Es braucht dazu nicht festgestellt zu werden, ob die Beteiligten bewußt zum Zwecke der Steuerumgehung im Sinne des § 6 StAnpG mißbräuchlich eine rechtliche Gestaltung gewählt haben.

Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise hat aber der Bf. im Streitjahr 1950 an die Versicherungsgesellschaft nur den vom Finanzgericht zugelassenen Betrag von 4.302 DM abgeführt. Nur diesen Betrag hat er im Sinne des § 11 Abs. 2 EStG im Streitjahr verausgabt. Aus dem sogenannten Darlehen sind ihm keine zusätzlichen Mittel zugeflossen; die Darlehnsgewährung ist vielmehr wirtschaftlich einer Stundung der nach dem Versicherungsvertrag geschuldeten Prämie ähnlich. Wenn der Bf. den als Darlehen bezeichneten Betrag in späteren Jahren in Raten abdeckt, so entrichtet er damit Versicherungsbeiträge. Das gleiche gilt von den Zinsen, die er für das sogenannte Darlehen zu zahlen hat. Die Raten und Zinsen können im Jahr der tatsächlichen Zahlung nach den für dieses Jahr geltenden Grundsätzen als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Ist dagegen vorgesehen, daß das sogenannte Darlehen bei Eintritt des Versicherungsfalls gegen die fällige Versicherungssumme verrechnet wird, so kann der Bf. den Verrechnungsbetrag nicht als Sonderausgabe absetzen. Denn die Verrechnung des sogenannten Darlehens mit der Versicherungssumme ist dann nur eine buchmäßige Bewegung, die weder das Vermögen des Bf. noch das Vermögen der Versicherungsgesellschaft wirtschaftlich berührt.

In dem amtlich nicht veröffentlichten Urteil IV 206/51 ("Der Betriebs-Berater" 1951 S. 860; Steuerrechtsprechung in Karteiform, Rechtsspruch 1 zu § 10 Abs. 1 Ziff. 2 EStG) hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in einem ähnlichen Fall den Abzug der vollen Versicherungsprämie im Jahr des Vertragsabschlusses zugelassen. Der erkennende Senat tritt dieser Rechtsauffassung des IV. Senats nicht bei.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 103

BFHE 1957, 268

BFHE 64, 268

StRK, EStG:10/1/2 R 19

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