Leitsatz (amtlich)

Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO setzt voraus, daß der mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel auch wirklich vorhanden ist.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, wurde im Jahre 1961 gegründet. Der Beschwerdegegner (FA) berücksichtigte im Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr 1963 eine verdeckte Gewinnausschüttung, die zu einer Körperschaftsteuer von 35 DM führte.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Das FG hat festgestellt, nach der Bilanz der Steuerpflichtigen zum 31. Dezember 1962 sei der Anspruch der Steuerpflichtigen auf Einzahlung der noch ausstehenden Stammeinlagen in ein zinsloses Darlehen umgewandelt worden. Darin liege nach § 19 Nr. 3 KStDV eine verdeckte Gewinnausschüttung. Die eindeutige Form der Bilanzierung, wie sie von der Steuerpflichtigen gewählt worden sei, könne steuerlich nicht rückgängig gemacht werden. Eine Berichtigung der Bilanz komme nicht in Betracht, da die gewählte Bilanzierung zutreffend sei und den wirklichen Willen der Beteiligten zur Zeit der Bilanzierung widerspiegele. Einen erwirtschafteten Gewinn setze die verdeckte Gewinnausschüttung nicht voraus, diese könne vielmehr auch aus der Substanz der Gesellschaft geleistet werden.

Den Streitwert hat das FG auf 35 DM festgesetzt. Die Revision hat es nicht zugelassen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Steuerpflichtigen.

Die Steuerpflichtige rügt wesentliche Verfahrensmängel, die sie darin sieht, daß das FG gegen Auslegungsgrundsätze und gegen Denkgesetze verstoßen habe.

Das FG habe gegen den Auslegungsgrundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise verstoßen, da es sich ausschließlich auf die buchmäßige Darstellung gestützt habe, obwohl Bilanzänderung wegen Irrtums beantragt worden sei. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise hätte sich die Begründung des Urteils des FG damit auseinandersetzen müssen, daß hier ein Sonderfall vorliege, da sie, die Steuerpflichtige, als Kapitalverwaltungsgesellschaft nur ein reiner GmbH-Mantel sei, ferner, daß die buchmäßige Darstellung eines Darlehens durch Umbuchung der ausstehenden Einzahlung auf die Stammeinlagen entstanden sei, und schließlich, daß sie, die Steuerpflichtige, niemals über das geringste Vermögen verfügt habe.

Einen groben Verstoß gegen alle Denkgesetze sieht die Steuerpflichtige darin, daß das FG unterstellt habe, der Alleingesellschafter gründe eine GmbH und leihe sich selbst das gesamte Vermögen der Gesellschaft.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist zulässig (§ 115 Abs. 3 FGO), aber nicht begründet.

Die Steuerpflichtige hat nicht dargelegt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO). Sie hat sich auch nicht darauf berufen, daß das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH abweiche (§ 115 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 3 FGO). Sie hat ihre Beschwerde vielmehr "wegen wesentlicher Verfahrensmängel" eingelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Nur darauf hat sich daher die Prüfung der Beschwerde zu erstrecken.

Soweit allerdings die Steuerpflichtige meint, das FG habe gegen den Auslegungsgrundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise verstoßen, rügt sie keinen Verfahrensmangel, sondern unrichtige Anwendung der Vorschrift über die verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG). Damit kann sie im gegenwärtigen Verfahren nicht gehört werden. Anders zu beurteilen ist die Rüge der Steuerpflichtigen, das FG habe gegen die Denkgesetze verstoßen. Im Verfahren vor dem FG hatte die Steuerpflichtige behauptet, sie habe ihrem Gesellschafter kein echtes Darlehen gewährt, das sogenannte Darlehen stelle vielmehr nicht eingezahltes Stammkapital dar. Die Buchungen, die diesen Vorgang beträfen, und der Ausweis des Darlehens in der Bilanz seien deshalb unrichtig. Wenn die Steuerpflichtige nunmehr in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt, das FG habe unter Verstoß gegen die Denkgesetze ein Darlehen der Gesellschaft an den Gesellschafter angenommen, so macht sie eine Verletzung des § 96 Abs. 1 FGO und damit einen Verfahrensmangel geltend.

Weitere Voraussetzung für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist aber, daß die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Das ist nur der Fall, wenn der Verfahrensmangel nicht nur geltend gemacht wird, sondern auch wirklich vorhanden ist. Der BFH muß daher diese Frage prüfen. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, daß mit der Behauptung eines angeblichen Verfahrensmangels, auf dem - wenn er bestünde - die angefochtene Entscheidung beruhen kann, stets die Revision auch bei Unterschreiten der Streitwertgrenze (§ 115 Abs. 1 FGO) erzwungen werden könnte. In der anschließenden Revision könnte dann der Revisionskläger, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) durch Beschluß V B 83/61 vom 14. August 1962 (BVerwGE 14, 342) klargestellt hat, weitere Verfahrensmängel geltend machen und darüber hinaus die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts erheben. Die Streitwertgrenze hätte dann keine praktische Bedeutung mehr. Der BFH hat daher in seinen Entscheidungen über Nichtzulassungsbeschwerden nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wiederholt geprüft, ob der geltend gemachte Verfahrensmangel bestand (BFH-Beschlüsse VI B 2/66 vom 15. Juli 1966, BFH 86, 708, BStBl III 1966, 628; VI B 49/66 vom 30. Juni 1967, BFH 89, 328, BStBl III 1967, 612). Auch die Rechtsprechung des BVerwG steht auf diesem Standpunkt (Beschlüsse VIII B 190/61 vom 20.2.1962, Die öffentliche Verwaltung 1962 S. 555; III CB 4/62 vom 9. Februar 1962, NJW 1962 S. 832; V B 91/61 vom 11. Januar 1962, Sammel- und Nachschlagewerk des Bundesverwaltungsgerichts S. 310 § 132 der Verwaltungsgerichtsordnung Nr. 24).

Im Streitfall liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor. Die Feststellung des FG, die ausstehenden Einlagen des Gesellschafters seien in ein zinsloses Darlehen umgewandelt worden, verstößt nicht gegen die Denkgesetze. Die Steuerpflichtige nennt die Annahme des FG zwar eine "aller Logik bare Konstruktion", gibt aber nicht an, welches Gesetz der Logik das FG verletzt habe. Da die GmbH als solche rechtlich selbständig ist (§ 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -), ist es denkgesetzlich nicht ausgeschlossen, daß sie mit ihrem Alleingesellschafter auch Rechtsgeschäfte der vom FG festgestellten Art abschließt.

Ist somit das FG ohne die geltend gemachte Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften zu der Feststellung gelangt, die Steuerpflichtige und ihr Gesellschafter hätten den Anspruch auf Leistung der Einlagen in eine Darlehensforderung umgewandelt, so ist nicht weiter zu prüfen, ob diese Umwandlung nicht nach § 19 Abs. 2 GmbHG unwirksam ist (vgl. Hachenburg-Schilling, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 6. Aufl. § 19 Anm. 8), und ob sich diese Unwirksamkeit nach § 5 Abs. 2, 5 des Steueranpassungsgesetzes steuerlich auswirkt. Denn das sind Fragen des sachlichen Rechts, die nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 FGO sein können.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 351

BFHE 1968, 348

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