Entscheidungsstichwort (Thema)

Fiktive Zugewinnausgleichsberechnung

 

Leitsatz (NV)

Die Frage der Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 ist durch die BFH- Rechtsprechung geklärt. Die in § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 zur Ermittlung des Abzugsbetrags vorgegebene Verhältnisrechnung ist auch dann durchzuführen, wenn der Steuerwert des Nachlasses negativ ist und sich deshalb rechnerisch ein negativer Abzugsbetrag ergibt, der im Rahmen des § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 mit 0 DM anzusetzen ist.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; ErbStG 1974 § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist aufgrund Testaments die alleinige Erbin ihres 1991 verstorbenen Ehemannes (Erblasser). Beide lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Zum Nachlaß gehörte u. a. eine Kommanditbeteiligung des Erblassers von 14/18 mit einem negativen Einheitswertanteil von ca. 1,6 Mio DM. Dieser Anteil fiel aufgrund der vom Erblasser angeordneten Vermächtnisse im wesentlichen den beiden Söhnen zu; der Sohn A erhielt einen Gesellschaftsanteil von 4/18, und der Sohn B erhielt einen Anteil von 8/18, so daß bei der Klägerin ein Kommanditanteil von 2/18 verblieb.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) setzte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 31. Oktober 1991 Erbschaftsteuer in Höhe von ... DM fest; dieser Bescheid erging hinsichtlich des nach § 5 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes in der am Stichtag maßgebenden Fassung (ErbStG 1974) nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Zugewinnausgleichsanspruchs, den das FA mit 0 DM ansetzte, vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung.

Der hiergegen eingelegte Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die Zugewinnausgleichsforderung betrage nicht 0 DM, sondern mindestens 430 000 DM, blieb erfolglos. Das FA vertrat die Auffassung, daß sich bei einem Steuerwert des Gesamtnachlasses von ./. 1 218 536 DM, einem nach Verkehrswerten ermittelten Gesamtnachlaßwert von 7 600 795 DM und einer nach Verkehrswerten ermittelten fiktiven Zugewinnausgleichsforderung von 3 700 397 DM aufgrund der gebotenen Verhältnisrechnung

(3 700 397 DM x . /. 1 218 536 DM)

(= )

(7 600 795 DM)

für die steuerlich zu berücksichtigende Ausgleichsforderung ein Wert von . /. 593 236 DM ergebe, so daß ein Abzug begrifflich ausscheide. Die genannten Werte sind unstreitig. Zur Ermittlung der fiktiven Ausgleichsforderung hat das FA auf Tz. 2.1 des koordinierten Einführungserlasses vom 20. Dezember/10. März 1976 (BStBl I 1976, 145) Bezug genommen. Dabei könne nicht der um die negativen Vermächtnisse geminderte Gesamtnachlaß herangezogen werden, da auch bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) Vermächtnisse nicht berücksichtigt würden. Während des Einspruchsverfahrens erklärte das FA den vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid unverändert für endgültig.

Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin sinngemäß, die angefochtene Erbschaftsteuerfestsetzung ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung machte die Klägerin geltend, daß nach (unstreitigen) Verkehrswerten gerechnet die Zugewinnausgleichsforderung rd. 3,7 Mio DM betrage, während der tatsächliche Erwerb (nach Abzug der zu erfüllenden Vermächtnisse) nur rd. 1,94 Mio DM betragen habe; damit habe sie unstreitig weniger erhalten als ihr bei einer Auflösung der Zugewinngemeinschaft steuerfrei zugestanden hätte. Das Besteuerungsergebnis beruhe darauf, daß die negativen Einheitswertanteile am Betriebsvermögen, die aber als Vermächtnisse abgeflossen seien, in die Berechnung einbezogen worden seien. Deren Sinnwidrigkeit zeige sich insbesondere darin, daß keine Erbschaftsteuer angefallen wäre, wenn sie -- die Klägerin --, ohne mit Vermächtnissen belastet zu sein, den gesamten Nachlaß erhalten hätte. Nur aufgrund der Belastung durch die Vermächtnisse mit steuerrechtlich negativem Wert sei die Steuerschuld entstanden. Da es unzulässig sei, Zugewinnausgleichsforderungen der Erbschaftsteuer zu unterwerfen, verstoße die Besteuerung gegen Art. 2, 3 und 14 des Grundgesetzes.

Auch die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) schloß sich in vollem Umfang der Begründung der Einspruchsentscheidung an, die keinen Rechtsfehler erkennen lasse und auf die das FG gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verwies. Die nach Tz. 2.1 b des Einführungserlasses getroffene Verhältnisrechnung sei vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10. März 1993 II R 87/91 (BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510) als richtig beurteilt worden. Eine Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 dahingehend, daß der Steuerwert des Nachlasses die Obergrenze des nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Betrags sei (vgl. Meincke, Kommentar zum Erschaftsteuergesetz, 10. Aufl., § 5 Rdnr. 46 ff.), widerspreche dem erbschaftsteuerlichen Charakter dieser Regelung. Auch der Umstand, daß im Streitfall der Nachlaßgegenstand, der zum Unterschied zwischen dem Verkehrswert und Steuerwert des Nachlasses führt (Gesellschaftsanteil), allein mit seinem negativen Steuerwert anderen Personen, nämlich den Vermächtnisnehmern, zugute kommt, stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Ein Ausklammern solcher Vermächtnisse an Dritte aus der Minderungsberechnung widerspreche § 5 Abs. 1 ErbStG 1974, da dieser den Erwerb des überlebenden Ehegatten in dem Umfang steuerfrei lasse, den er im Fall der Scheidung als Zugewinnausgleichsanspruch hätte beanspruchen können, wobei dieser Gesellschaftsanteil zum Endvermögen des Erblassers gehört hätte (s. Moench, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, § 5 Rdnr. 40 a). Außerdem hätte die Klägerin die Erbschaft ausschlagen und dadurch gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG 1974 die Begrenzung der Steuerfreiheit auf einen aus dem Steuerwert des Endvermögens abgeleiteten Betrag (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974) vermeiden können, da diese Regelung nicht für § 5 Abs. 2 ErbStG 1974 gelte. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht liege nicht vor.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend macht.

Zur Begründung weist die Klägerin darauf hin, daß für den Nachlaß vor Berücksichtigung der Vermächtnisse ein negativer Wert ermittelt worden sei, der auf dem negativen Einheitswert für die Kommanditbeteiligung des Erblassers beruhe. Nach Abzug des Steuerwerts der auf die Übertragung des (wesentlichen Teils) des Kommanditanteils gerichteten Vermächtnisse sei bei der Klägerin ein positiver Erwerb ermittelt worden. Die wortgemäße Anwendung des Einführungserlasses habe "zu einem negativen und damit nicht zu berücksichtigenden Freibetrag nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 geführt, weil bei der Ermittlung des Freibetrags der Steuerwert des Nachlasses vor Berücksichtigung der Vermächtnisse zugrunde gelegt wurde". Demgegenüber wäre es sachgerecht gewesen, bei der Ermittlung des Freibetrags den Steuerwert des Nachlasses nach Berücksichtigung der Vermächtnisse und damit den Steuerwert des Nachlasses, den die Klägerin tatsächlich erhalten habe, zugrunde zu legen. Nur dieses Ergebnis wäre damit vereinbar gewesen, daß die Klägerin aufgrund des negativen Steuerwerts des Nachlasses vor Berücksichtigung der Vermächtnisse nicht mit einer Erbschaftsteuerschuld beschwert worden wäre. Darüber hinaus habe die Klägerin tatsächlich nur ein Nachlaßvermögen erhalten, das zu Verkehrswerten weit hinter der Ausgleichsforderung nach § 1371 Abs. 2 BGB zurückbleibe, die bei güterrechtlicher Lösung steuerfrei geblieben wäre. Es könne nicht rechtens sein, daß für den Alleinerben nur dadurch eine Erbschaftsteuer entstehe, daß er mit Vermächtnissen belastet sei. Damit stehe die Frage im Raum, ob es rechtlich zulässig sei, daß im Falle der Zugewinn gemeinschaft bei einem mit Vermächtnissen beschwerten Erben eine Erbschaftsteuerschuld entsteht, obwohl der tatsächliche Erwerb des Erben nach Berücksichtigung der Vermächtnisse (weit) hinter der Ausgleichsforderung nach § 1371 Abs. 2 BGB zurückbleibt und ohne die Verpflichtung der Erfüllung von Vermächtnissen keine Erbschaftsteuerschuld entstünde. Diese Frage habe grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, an deren Klärung ein Interesse der Allgemeinheit bestehe.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist nicht begründet, da die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat. Die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage der Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 ist durch das Senatsurteil in BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510 geklärt. Auch wenn -- worauf die Klägerin zutreffend hinweist -- in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall der Steuerwert des Nachlasses positiv war, so kann doch für den Streitfall, in dem der nach steuerlichen Bewertungsvorschriften bemessene Gesamtnachlaß negativ ist, nichts anderes gelten. Ist zur Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 nach zivilrechtlichen Grundsätzen das zum Nachlaß gehörende Endvermögen des Erblassers mit höheren Werten angesetzt als bei der nach steuerlichen Vorschriften erfolgenden Bewertung des Nachlasses, so ist nach dem Senatsurteil in BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510 zur Ermittlung des nicht als Erwerb von Todes wegen i. S. des § 3 ErbStG 1974 geltenden Abzugsbetrags die Ausgleichsforderung entsprechend dem Verhältnis des Steuerwerts des zum Nachlaß gehörenden Endvermögens zu dessen höheren (bürgerlich-rechtlichen) Wert zu kürzen. Diese in § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 zur Ermittlung des Abzugsbetrags vorgegebene Verhältnisrechnung ist nach dem keine Einschränkung enthaltenden Gesetzeswortlaut offensichtlich auch dann durchzuführen, wenn der Steuerwert des Nachlasses negativ ist. Wenn die Vorinstanz daher in der angefochtenen Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Senatsurteil in BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510 davon ausgegangen ist, daß sich bei einem negativen Steuerwert des Gesamtnachlasses, einem positiven Verkehrswert des Gesamtnachlasses und einer ebenfalls positiven, nach Verkehrswerten errechneten fiktiven Zugewinnausgleichsforderung rechnerisch ein negativer Abzugsbetrag ergibt, der im Rahmen des § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 mit 0 DM anzusetzen ist, so ergibt sich insoweit im Streitfall keine klärungsbedürftige Rechtsfrage.

Auch der Hinweis in der Beschwerdebegründung, daß der "tatsächliche Erwerb des Erben nach Berücksichtigung der Vermächtnisse (weit) hinter der Ausgleichsforderung nach § 1371 Abs. 2 BGB zurückbleibt und ohne die Verpflichtung zur Erfüllung von Vermächtnissen keine Erbschaftsteuerschuld entstünde", begründet nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Denn gerade der Umstand, daß der Steuerwert des Nachlasses (z. B. durch den Ansatz des Grundbesitzes mit den nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 vermittelten Einheitswerten) unter dem Verkehrswert des Nachlasses liegt, hat zu der in § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 vorgesehenen Angleichung der fiktiven Ausgleichsforderung an den Steuerwert des Nachlasses geführt (s. Senatsurteil in BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510). Daß bei der an den Nachlaß anknüpfenden Verhältnisrechnung die den Erben belastenden Vermächtnisse unberücksichtigt bleiben müssen, folgt unmittelbar aus § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 und bedarf daher ebenfalls keiner Klärung. Denn der Nachlaß umfaßt begrifflich das gesamte auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehende Vermögen einschließlich der aufgrund von Vermächtnissen an einzelne Vermächtnisnehmer vermachten Gegenstände oder Rechte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421672

BFH/NV 1997, 29

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge