Leitsatz (amtlich)

Bei der Anfechtung eines Einkommensteuerbescheides umfaßt der Wert des Streitgegenstandes nicht auch die Ergänzungsabgabe.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 1

 

Tatbestand

Sachlich geht der Rechtsstreit um die Frage, ob die Kosten eines Erholungsaufenthalts des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als Betriebsausgaben anzuerkennen sind.

Veriahrensrechtlich ist streitig, ob die Revisionssumme von 1 000 DM (§ 115 Abs. 1 FGO) überschritten ist.

Der Kläger erlitt am 2. April 1963 mit seinem PKW einen schweren Verkehrsunfall, der bleibende Gesundheitsschäden zur Folge hatte. Der Kläger macht geltend, der Unfall habe sich auf einer Betriebsfahrt ereignet. Daher seien Aufwendungen zur Linderung und Beseitigung der Unfallfolgen betrieblich veranlaßt. Die Kosten von insgesamt 2 819,45 DM für seine Aufenthalte in Z und W seien derartige Aufwendungen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) versagte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1968 und im Einspruchsverfahren den begehrten Betriebsausgabenabzug und berücksichtigte die streitigen Kosten auch nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG. In der Einspruchsentscheidung wurde die Einkommensteuer nach einem zu versteuernden Betrag von 22 727 DM auf 5 402 DM festgesetzt.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der am 5. Dezember 1974 eingelegten Revision beantragt der Kläger sinngemäß Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung der Einspruchsentscheidung dahin, daß die Einkommensteuer 1968 unter Anerkennung der streitigen Kosten als Betriebsausgaben, hilfsweise als außergewöhnliche Belastung, festgesetzt wird.

Das FA beantragt Verwerfung der Revision als unzulässig, da deren Streitwert nur 989 DM betrage.

Dem widerspricht der Kläger. Er berechnet zwar ebenfalls die Differenz zwischen der vom FA festgesetzten Einkommensteuer 1968 (5 402 DM) und der von ihm erstrebten Einkommensteuer 1968 (4 413 DM) mit 989 DM. Er bezieht aber auch die Differenz der sich bei den entsprechenden Einkommensteuerfestsetzungen ergebenden Ergänzungsabgabebeträge (162 DM ./. 132 DM = 30 DM) mit in den Wert des Streitgegenstandes ein und gelangt somit zu einem die Revisionssumme übersteigenden Streitwert von 1 019 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Die Revision ist weder vom FG zugelassen worden noch konnte sie zulassungsfrei nach § 116 FGO erhoben werden. Voraussetzung für ihre Zulässigkeit ist daher, da die Revision vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) erhoben worden ist, daß der Wert des Streitgegenstandes 1 000 DM übersteigt. Das ist nicht der Fall, weil die Ergänzungsabgabe bei der Bemessung des Streitwertes außer Betracht zu bleiben hat. Dies hat der BFH bereits hinsichtlich ähnlicher "Folgesteuern" in ständiger Rechtsprechung entschieden, so z. B. hinsichtlich der Abgabe "Notopfer Berlin" und der Kirchensteuer (vgl. die Entscheidungen vom 25. August 1955 IV 410/55 U, BFHE 61, 261, BStBl III 1955, 298; vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291, und vom 18. Oktober 1974 VI R 126/72, BFHE 114, 4, BStBl II 1975, 145). Diese Rechtsprechung geht zurück auf das Gutachten des Großen Senats des RFH vom 28. Mai 1938 GrS D 3/38 (RStBl 1938, 554) und dessen Kernsatz, daß nur das als Streitwert gilt, was für die Steuer, über die unmittelbar zu entscheiden ist, erstrebt wird (vgl. auch Urteil IV 410/55 U). Diese Steuer ist im Streitfall die Einkommensteuer 1968.

Auch der Kläger beruft sich allerdings auf das genannte RFH-Gutachten, weil nach diesem etwaige Zuschläge zur Einkommensteuer, die sich lediglich als tarifmäßige Erhöhung der Einkommensteuer darstellen (Urteil IV 410/55 U), in den Streitwert einzubeziehen sind. Der Kläger meint, daß die Ergänzungsabgabe ein solcher Tarifzuschlag sei. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Nach § 1 des Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer - Ergänzungsabgabegesetz - (Art. 1 des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967, BGBl I 1967, 1254, BStBl I 1967, 484) wurde zwar die Ergänzungsabgabe "zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer" erhoben. Gleichwohl handelt es sich nicht lediglich um einen tarifmäßigen Zuschlag zu diesen Steuern, sondern um eine selbständige Steuer. Das ergibt sich schon daraus, wie Herrmann/Heuer (Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 32 a EStG, Anh. I Anm. 1) zutreffend hervorheben, daß bei der Einkommensteuer und der Ergänzungsabgabe der Steuergläubiger nicht identisch ist; denn die Ergänzungsabgabe ist nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG eine Bundessteuer, die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer dagegen sind nach Art. 106 Abs. 3 GG Gemeinschaftsteuern. Die Ergänzungsabgabe erhöht auch nicht etwa den Maßstab für die Kirchensteuer. Bemessungsmaßstab für sie ist grundsätzlich, wenn ein bestimmter Einkommensbetrag überschritten ist, wie bei der Kirchensteuer ein Prozentsatz der Einkommensteuer (§§ 3, 4 des Ergänzungsabgabegesetzes). Der Charakter der Ergänzungsabgabe unterscheidet sich nicht in wesentlichen Punkten von anderen Folgesteuern, insbesondere nicht von der Kirchensteuer. Es besteht daher kein Grund, die Ergänzungsabgabe im Gegensatz zu anderen Folgesteuern zur Einkommensteuer in den Streitwert eines Einkommensteuerrechtsstreits mit einzubeziehen.

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 347

BFHE 1978, 422

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