Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG in der bis einschließlich für den Erhebungszeitraum 1964 geltenden Fassung schuldet der Kommanditist die Gewerbesteuer ohne die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach § 171 Abs. 1 HGB in demselben Umfang, wie der persönlich haftende Gesellschafter.

 

Normenkette

GewStG § 5 Abs. 1 S. 3; AO § 113; HGB § 171 Abs. 1

 

Tatbestand

In einem bei ihm anhängigen Rechtsstreit ist der IV. Senat des Bundesfinanzhofs abweichend von den Auffassungen des Finanzamts und des Finanzgerichts sowie im Gegensatz zu der nach § 64 AO veröffentlichten Entscheidung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs VI 331/62 S vom 29. November 1963 (BStBl 1964 III S. 433, Slg. Bd. 79 S. 550) zu der Rechtsmeinung gelangt, daß der Kommanditist selbst wenn er die durch die Tätigkeit der Kommanditgesellschaft entstandene Gewerbesteuer in gleichem Umfang wie der persönlich haftende Gesellschafter schulden sollte, dennoch für diese Schuld nach § 171 Abs. 1 UGB in Verbindung mit § 113 AO nur bis zur Höhe seiner - im Streitfall voll geleisteten - Einlage einzustehen habe. Nach der genannten Entscheidung des VI. Senats schuldet der Kommanditist die Gewerbesteuer in demselben Umfange wie der persönlich haftende Gesellschafter, ohne die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach § 171 Abs. 1 HGB. Da der VI. Senat der vom IV. Senat beabsichtigten Abweichung von seiner Entscheidung nicht zustimmte, war der IV. Senat gehindert, gemäß der für ihn tragenden Rechtsauffassung zu entscheiden und den gegen den Bf. für 1954 ergangenen Gewerbesteuermeßbescheid, der seine uneingeschränkte Inanspruchnahme wegen rückständiger Gewerbesteuer ermöglichen sollte, aufzuheben. Er hatte deshalb die Rechtsfrage unter Begründung seiner Rechtsauffassung an den großen Senat zu verweisen, was durch Vorlagebeschluß vom 10. September 1964 geschehen ist.

 

Entscheidungsgründe

Der Große Senat hat die Rechtsfrage in übereinstimmung mit dem genannten Urteil des VI. Senats dahin entschieden, daß der Kommanditist nach § 5 Abs. 1 GewStG in seiner für das Streitjahr 1954 geltenden Fassung die Gewerbesteuer wie der persönlich haftende Gesellschafter - also in vollem Umfange - schuldet und demgemäß wie dieser wegen der Gewerbesteuer voll in Anspruch genommen werden kann. Er hält damit an der höchstrichterlichen Rechtsprechung fest, wie sie seit den Gutachten des Großen Senats des Reichsfinanzhofs Gr. S. D 1/38 vom 6. April 1938 und Gr. S. D 1/40 vom 27. April 1940 (RStBl 1938 S. 434 und RStBl 1940 S. 547) unverändert bestanden hat.

Dabei sind für den Großen Senat die folgenden rechtlichen Erwägungen maßgebend:

Der IV. Senat begründet seine Rechtsauffassung maßgeblich mit dem Hinweis darauf, daß die Rechtsprechung den allgemeinen gültigen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts auch im Steuerrecht Rechnung zu tragen habe. Diese Grundsätze sprächen dafür, dem Grundgedanken des § 171 HGB auch im Gewerbesteuerrecht Geltung zu verschaffen und demgemäß § 113 AO dahin auszulegen, daß über seinen Wortlaut hinaus der Kommanditist für die durch die Tätigkeit der Kommanditgesellschaft entstandene Gewerbesteuer auch dann nach § 171 HGB nur beschränkt einzustehen habe, wenn auch er diese Steuer in vollem Umfange schulden sollte.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Rechtsauffassung des IV. Senats steht der eindeutige, einer erweiternden Auslegung nicht zugängliche Wortlaut der §§ 113 AO, 5 Abs. 1 GewStG entgegen.

Das Steuerrecht kennt als Haftung in den §§ 108 ff. AO nur das Einstehenmüssen für (fremde) Steuerschulden eines Dritten. Soweit das Steuerrecht nicht ausdrücklich auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts verweist (wie z. B. in den §§ 113, 120 AO), können dessen Vorschriften über die Haftung nicht angewandt werden. Die Verweisung des § 113 AO auf die Haftungsvorschriften des bürgerlichen Rechts bezieht sich aber nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ausschließlich auf Steuertatbestände, bei denen eine Gesellschaft (usw.) als solche der Besteuerung unterliegt, mithin also als solche die Steuer schuldet. Das ist jedoch bei der Gewerbesteuer nach § 5 Abs. 1 GewStG in seiner hier in Betracht kommenden Fassung nicht der Fall. Nach dieser Vorschrift schulden die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft - auch der Kommanditist - die Gewerbesteuer unmittelbar als Gesamtschuldner. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 des Steueranpassungsgesetzes schuldet aber jeder Gesamtschuldner die ganze Leistung. Angesichts dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung besteht für die Rechtsprechung keine verfassungskonforme Möglichkeit, die Vorschrift des §§ 113 AO im Sinne der vom IV. Senat vertretenen Rechtsauffassung auszulegen. Somit stellt sich - auch im Hinblick auf die vom IV. Senat geltend gemachten Gesichtspunkte - für den Senat lediglich die Frage, ob sich der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gehalten hat oder ob er gegen Verfassungsgrundsätze verstoßen hat, indem er in § 5 Abs. 1 GewStG die Inanspruchnahme des Kommanditisten für Gewerbesteuerschulden über die Vorschriften des Handelsrechts hinaus ermöglichte. Der Senat verneint in übereinstimmung mit der Entscheidung des VI. Senats VI 331/62 S a. a. O. einen solchen Verstoß. Der Gesetzgeber ist zwar grundsätzlich gehalten, die Ordnungsstruktur des Zivilrechts auch im Bereich des Steuerrechts in Betracht zu ziehen. Das bedeutet aber nicht, daß er Fragen der Steuerschuldnerschaft und der Steuerhaftung nur im Rahmen der Struktur des Zivilrechts regeln kann oder daß er schlechthin dem Steuerfiskus keine bessere Stellung als dem Privatgläubiger einräumen darf, wenn die Eigenart des zu regelnden steuerlichen Rechtsgebiets das gebietet oder jedenfalls zuläßt und er sich dabei im Rahmen seines Ermessens hält. Die Gewerbesteuer steht, wie auch die Zerlegungsvorschriften zeigen, in besonders enger Beziehung zu den Gemeindeleistungen, die den Grund für ihre Erhebung bilden. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich der Gesetzgeber im Rahmen seines von ihm zu verantwortenden Ermessens entschließt, die finanzielle Scherung dieser Leistungen durch eine entsprechende gesetzliche Regelung zu gewährleisten.

Die vom VI. Senat in seiner genannten Entscheidung erörterte Frage, welche Bedeutung einer ständigen, vom Gesetzgeber "erkennbar in seinen Willen aufgenommenen" höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Gesetzesauslegung zukommt, läßt der Große Senat auf sich beruhen. Sie ist für seine Entscheidung nicht rechtserheblich.

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 158

BFHE 84, 441

StRK, GewStG:5 R 21

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