Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH; Erlaß aus Billigkeitsgründen

 

Leitsatz (NV)

1. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.

2. Die Gewährung eines Erlasses aus Billigkeitsgründen stellt eine Ermessensentscheidung dar, bei der sich die gerichtliche Kontrolle und Rechtsschutzgewährung in der Untersuchung erschöpfen, ob die Finanzbehörden die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten und von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben.

3. Ein Erlaß aus Billigkeitsgründen kann in den Fällen nicht gewährt werden, in denen der Steuerschuldner sein Einkommen oder Zuwendungen in Vermögenswerten anlegt oder sein Vermögen verschwendet und dadurch seine mangelnde Leistungsfähigkeit selbst herbeiführt.

 

Normenkette

AO 1977 § 227; FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) hat zusammen mit anderen Tatbeteiligten in den Jahren 1971 bis 1973 insgesamt ... Mio. l steuerbegünstigtes Heizöl als Dieselkraftstoff zweckwidrig verwendet und wurde aufgrund dieser Tat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt -- HZA --) nahm den Antragsteller neben den anderen Tatbeteiligten mit drei Haftungsbescheiden in Höhe von insgesamt 1,5 Mio DM in Anspruch. Nach Rücknahme der vom Antragsteller eingelegten Einsprüche wurden die Haftungsbescheide bestandskräftig. Auf die Steuerschulden entrichtete der Antragsteller durch Ratenzahlungen in den Zeiträumen von Mai 1977 bis November 1983 und von Mai bis September 1994 insgesamt 8 000 DM. Darüber hinaus bezahlte das als Drittschuldner in Anspruch genommene Finanzamt A weitere 5 000 DM. Von den Steuerschulden, die sich durch Zahlungen anderer Gesamtschuldner auf nunmehr 900 000 DM reduziert haben, hat der Antragsteller insgesamt 13 000 DM beglichen.

Von einer Realisierung der an vierter Rangstelle im Grundbuch eingetragenen Sicherungshypothek auf das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück des Antragstellers hat das HZA zunächst abgesehen und erst am 21. März 1994 beim Amtsgericht A die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragt. Daraufhin hat der Antragsteller mit Schreiben an das HZA vom 25. Juli 1994 beantragt, ihm die verbleibenden Mineralölsteuerschulden aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Mit Bescheid vom 8. September 1994 lehnte das HZA den Antrag ab.

Die dagegen eingelegte Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) mit Bescheid vom 26. Juli 1995 als unbegründet zurück. Sie führte im wesentlichen aus, daß die in den Billigkeitsrichtlinien zu §227 der Abgabenordnung -- AO 1977 -- (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung -- VSF -- S 1019) festgelegten Erlaßvoraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt seien. Insbesondere sei nicht erwiesen, daß die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des Einkommens und der Vermögensverhältnisse des Antragstellers ohne eine Entlassung aus der Haft gefährdet sei. Nach seinen eigenen Angaben erhalte der Antragsteller seit 1984 von seiner Stiefmutter jährliche Barbeträge in Höhe von ca. ... DM, die er ausschließlich zum Erhalt seines Immobilienvermögens aufwende, so daß von einem aufrichtigen Willen zur Abtragung seiner Haftungsschuld nicht ausgegangen werden könne. Die durch Ratenzahlungen geleisteten Beträge in der Gesamthöhe von 13 000 DM könnten auch nicht annäherungsweise als wesentliche Abtragung seiner Schuld angesehen werden. Darüber hinaus habe der Antragsteller seine Angaben nie belegt, nach denen die aus den Heizölverdieselungsgeschäften erzielten Gewinne und zusätzlich beschaffte Kredite in der Schweiz verspekuliert worden seien.

Den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für die Klage gegen die Ablehnung des vom Antragsteller begehrten Billigkeitserlasses durch die OFD lehnte das Finanzgericht (FG) ab. Es führte aus, die mit der Klage beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die ergangenen Verwaltungsentscheidungen Ermessensfehler nicht erkennen ließen. Entgegen den Behauptungen des Antragstellers habe das HZA durch sein Verhalten keine Vertrauenslage geschaffen, nach der der Antragsteller fest mit einem Billigkeitserlaß hätte rechnen dürfen. Ein Vertrauenstatbestand bestehe allenfalls hinsichtlich einer zuvorkommenden und wohlwollenden Behandlung. Ungeachtet einer eventuellen Erlaßwürdigkeit infolge der leichtfertigen Vergeudung der Heizölverdieselungsgewinne und zusätzlicher Kreditmittel sei die OFD zu Recht von einer fehlenden Erlaßbedürftigkeit ausgegangen. Denn den nach seinen eigenen Angaben eingetretenen Verlust der Gelder durch in der Schweiz getätigte Warentermingeschäfte habe der Antragsteller bisher nicht hinreichend bewiesen. In diesem Zusammenhang komme der vorgelegten Niederschrift über die in der Schweiz durchgeführte richterliche Vernehmung des mit der Geldanlage beauftragten Rechtsanwalts kein nennenswerter Beweiswert zu. Insbesondere habe das FG aus zahlreichen anderen Verfahren den Eindruck gewonnen, daß dessen Zeugenaussagen nicht ohne weiteres glaubhaft seien. Darüber hinaus komme ein Billigkeitserlaß dem Antragsteller nicht wirtschaftlich zugute, da das ihm gehörende Grundstück mit den Haftungsschulden vorgehenden Grundpfandrechten belastet sei. Ein vollständiger oder teilweiser Erlaß würde somit weder die Einkommens- noch die tatsächliche Vermögenslage des Antragstellers verbessern.

Gegen den Beschluß des FG hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, mit der er weiterhin die Gewährung von PKH begehrt. Zur Begründung trägt er vor, das FG sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, indem es dem Grundstück einen Verkehrswert von lediglich 400 000 DM zugrunde gelegt habe, der dem Grundstück in unbebautem Zustand entspreche. Entgegen der Auffassung des FG sei er auch erlaßwürdig, da er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten stets um Schadensminderung bemüht habe. 20 Jahre nach Verbüßung der Haftstrafe müsse die Schuld und die selbst gesetzte Ursache für die wirtschaftliche Notlage in den Hintergrund treten. Nach den allgemeinen Grundsätzen der im Rahmen der Insolvenzrechtsreform eingeführten Restschuldbefreiung sei von einer Verwirkung der Haftungsansprüche auszugehen. Darüber hinaus sei er auch erlaßbedürftig. Das HZA habe durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der der Zusage eines Erlasses gleichstehe. Aus den dienstlichen Äußerungen mehrerer Zollbeamten gehe hervor, daß die damalige Haltung des HZA von Wohlwollen und Entgegenkommen gekennzeichnet war und daß sich die Beamten bereit erklärt hatten, einen Erlaßantrag vor Weiterleitung an die OFD vorbereitend zu prüfen. Mit der empfohlenen Rücknahme seiner Einsprüche sei der Zweck verfolgt worden, die Erfolgsaussichten seines Antrags auf Erlaß durch Wohlverhalten zu verbessern. Im übrigen habe es gängiger Verwaltungspraxis entsprochen, bei entsprechendem Wohlverhalten nach Ablauf von fünf Jahren die Haftungsschulden zu erlassen. Er habe alles unternommen, um den Verlust der durch die Straftaten erzielten Gewinne glaubhaft zu machen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen die Versagung der begehrten PKH ist nicht begründet. Die Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --, §114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Das FG hat deshalb den Antrag auf Gewährung von PKH zu Recht abgelehnt.

I. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217, und vom 2. Juni 1987 VII B 20/87, BFH/NV 1988, 261). Nach Auffassung des Senats sind diese Voraussetzungen im Streitfall nicht gegeben, denn bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist es nicht zu beanstanden, daß das FG die Verwaltungsentscheidungen als frei von Ermessensfehlern erachtet und infolgedessen den Antrag auf PKH abgelehnt hat.

II. Der Senat läßt offen, ob die vom Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als ausreichend zu erachten ist, um die Bedürftigkeit des Antragstellers in der im PKH-Verfahren erforderlichen Art und Weise zu belegen. Die Versagung der Gewährung von PKH durch das FG erweist sich jedenfalls unabhängig von der Erfüllung der in §117 Abs. 2 ZPO festgelegten Voraussetzungen als richtig.

1. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß die Gewährung eines Erlasses aus Billigkeitsgründen eine Ermessensentscheidung darstellt (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Folglich steht dem FG bei der Überprüfung von einen Billigkeitserlaß ablehnenden Verwaltungsentscheidungen gemäß §102 FGO nur eine eingeschränkte Kontrollbefugnis zu. Gerichtliche Kontrolle und Rechtsschutzgewährung erschöpfen sich bei Ermessensentscheidungen der Verwaltung in der Untersuchung, ob die Finanzbehörden die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten und von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung (§227 AO 1977) entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben (§5 AO 1977; vgl. BFH-Beschluß vom 11. Oktober 1995 II S 13/95, BFH/NV 1996, 254). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, daß das FG eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Klage nicht zu erkennen vermocht und den Antrag auf PKH abgelehnt hat.

2. Entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers ist durch das Verhalten des HZA kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der -- Ermessensreduzierung auf Null -- einen Anspruch auf Erlaß der Haftungsschulden begründen könnte. Wie das FG zutreffend erkannt hat, ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers lediglich, daß das HZA in Aussicht gestellt hat, den Erlaßantrag vor der Weiterleitung an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) -- dessen Zustimmung für die Gewährung des Erlasses erforderlich ist -- einer vorbereitenden Prüfung zu unterziehen. Selbst wenn die dem Antragsteller entgegengebrachte Haltung tatsächlich von Wohlwollen und Entgegenkommen geprägt gewesen sein sollte, vermag dieser Umstand allein einen Vertrauenstatbestand nicht zu begründen. Denn den Hinweisen auf die Voraussetzung für eine Billigkeitsmaßnahme und auf die erforderliche Zustimmung des BMF konnte der Antragsteller nicht entnehmen, daß das HZA auf eine Geltendmachung des Haftungsanspruchs verzichten und die Vollstreckung einstellen werde.

Auch der tatsächliche Geschehensablauf belegt, daß der Antragsteller auf einen bevorstehenden Erlaß der Haftungsschulden nicht vertraut und demzufolge auch keine entsprechenden Dispositionen getroffen hat. Obwohl er durch das HZA auf die Möglichkeit eines Erlasses hingewiesen worden ist, hat er einen Antrag auf Erlaß seiner Haftungsschulden erst gestellt, nachdem das HZA die Zwangsversteigerung seines Grundstücks beantragt hatte. Auch aus der Tatsache, daß er die frühere Ratenzahlungen jahrelang unterbrochen und erst wieder aufgenommen hat, nachdem die Zwangsversteigerung des Grundstücks drohte, kann ein Vertrauenstatbestand nicht hergeleitet werden. Die Einleitung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück des Antragstellers stellt sich daher insoweit nicht als unzulässige Rechtsausübung dar.

Da es im Streitfall sowohl an einem Vertrauenstatbestand als auch an einer Vertrauensfolge fehlt, vermag der Senat auch nicht zu erkennen, daß die Klage unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung (zu den Voraussetzungen vgl. Urteil des BFH vom 8. Oktober 1986 II R 167/84, BFHE 147, 409, BStBl II 1987, 12, und Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §4 AO 1977 Tz. 67, 67 a) Erfolg haben könnte. Der bloße Zeitablauf allein führt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich noch nicht dazu, daß sich die Geltendmachung eines Rechts als Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben darstellt (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 1972 2 BvR 255/67, BVerfGE 32, 305, und Urteil des BFH vom 4. November 1992 X R 13/91, BFH/NV 1993, 454, m. w. N.).

3. Bei summarischer Prüfung läßt auch die vom FG bestätigte Auffassung des HZA, eine nachgewiesene leichtfertige Vergeudung des Vermögens würde einen die Erlaßwürdigkeit des Antragstellers ausschließenden Umstand darstellen, Ermessensfehler nicht erkennen. Nach den eigenen Angaben des Antragstellers ist der vollständige Verlust der durch die Heizölverdieselungsgeschäfte erzielten Gewinne in Höhe von ... DM und eines Bankdarlehens in Höhe von ... DM auf fehlgeschlagene Spekulationsgeschäfte (Warentermingeschäfte) in der Schweiz zurückzuführen. Darüber hinaus trägt der Antragsteller vor, er habe die jährlichen Zuwendungen seiner Stiefmutter in Höhe von ... DM ausschließlich zum Erhalt seines Immobilienvermögens eingesetzt. Sollten sich diese Angaben in dem noch durchzuführenden Klageverfahren bestätigen, so wäre dies durchaus geeignet, die Erlaßunwürdigkeit des Antragstellers und somit den Ausschluß eines Billigkeitserweises zu begründen. Denn ein Erlaß aus Billigkeitsgründen kann in den Fällen nicht gewährt werden, in denen der Steuerschuldner sein Einkommen oder Zuwendungen in Vermögenswerten anlegt oder sein Vermögen verschwendet und dadurch seine mangelnde Leistungsfähigkeit selbst herbeiführt (vgl. Krabbe in Koch/Scholtz, Kommentar zur Abgabenordnung, 5. Aufl. 1996, §227 Rdnr. 18, m. w. N. aus der Rechtsprechung).

4. Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, daß das FG eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Klage deshalb verneint, weil eine tatsächliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage durch den Erlaß der Haftungsschulden voraussichtlich nicht eintreten würde. Auch insoweit sind Ermessensfehler des HZA mit dem FG nicht erkennbar.

Bei seinen Berechnungen ist das FG von den Angaben des Antragstellers ausgegangen, nach denen die dinglichen Lasten des Grundstücks mit 500 000 DM bzw. 600 000 DM anzusetzen sind und der Verkehrswert ca. 550 000 DM bis 600 000 DM beträgt. Selbst bei Zugrundelegung der für den Antragsteller günstigsten Wertangaben verstößt die Schlußfolgerung des FG, daß sich die -- gegenüber den bereits eingetragenen Grundpfandrechten -- nachrangigen Haftungsschulden durch eine Zwangsversteigerung des Grundstücks mit großer Wahrscheinlichkeit nicht beitreiben lassen würden, nicht gegen Erfahrungs- oder Denkgesetze. In diesem Zusammenhang läßt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers aus den Ausführungen des FG nicht entnehmen, daß es fälschlicherweise einen Verkehrswert von lediglich 400 000 DM angenommen habe. Vielmehr hat das FG seinen Ausführungen sämtliche vom Antragsteller gemachten Wertangaben zugrunde gelegt und lediglich in einem Klammerzusatz bemerkt, daß bei Berücksichtigung des Zustandes des Hauses und der Bodenrichtwerte der Stadt A von einem Verkehrswert von nur 400 000 DM ausgegangen werden könne. Aus diesem ergänzenden Hinweis kann jedoch nicht gefolgert werden, daß der vom Antragsteller deutlich höher angesetzte Verkehrswert im Rahmen der im PKH- Verfahren ohnehin nur summarischen Prüfung in keiner Weise berücksichtigt worden sei.

Unter Berücksichtigung sämtlicher vom Antragsteller hinsichtlich des Grundstückswerts und der bestehenden Belastungen gemachten Angaben besteht zumindest die nicht entfernt liegende Möglichkeit, daß ein Erlaß weder die Einkommens- noch die Vermögenslage tatsächlich verbessern würde. Damit sind jedoch die Voraussetzungen, die im Rahmen eines Billigkeitserweises nach §227 AO 1977 an die Erlaßbedürftigkeit zu stellen sind, nicht erfüllt. Denn eine Erlaßbedürftigkeit liegt nach der Rechtsprechung des BFH dann nicht mehr vor, wenn es unabhängig von einem Billigkeitserlaß bereits zu einer Gefährdung der Existenz gekommen ist und ein Erlaß dem Steuerschuldner nicht wirtschaftlich zugute kommen würde (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., §227 AO 1977 Tz. 46 a, m. w. N., und von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §227 AO 1977 Rdnr. 326). In den Fällen, in denen wie im Streitfall ein Erlaß der Schulden keine geeignete Maßnahme darstellt, um die konkrete Wirtschaftslage des Antragstellers tatsächlich nachhaltig zu verbessern, verbleibt dem Schuldner die Möglichkeit, sich mit Maßnahmen des Vollstreckungsschutzes gegen eine die persönliche finanzielle Leistungsfähigkeit überfordernde Inanspruchnahme zur Wehr zu setzen (vgl. von Groll, a.a.O., §227 AO 1977 Rdnr. 327).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66540

BFH/NV 1998, 683

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