Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliches Gehör; Klageziel

 

Leitsatz (NV)

1. Der aus Art. 103 des Grundgesetzes abgeleitete Anspruch des Klägers auf Kenntnisnahme eingereichter Unterlagen erfaßt nur solche, die dem Gericht zur Kenntnis gebracht wurden.

2. Durch die bloße Vorlage nicht unterzeichneter Jahresabschlüsse wird das Ziel einer Klage gegen Schätzungsbescheide i.S. Körperschaftsteuer und § 47 KStG nicht hinreichend bestimmt.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 65

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Senat kann offenlassen, ob das Finanzgericht (FG) unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 16. März 1988 I R 93/84 (BFHE 153, 290, BStBl II 1988, 895) die Klage mangels ausreichender Bezeichnung des Klageziels als unzulässig abweisen durfte, obwohl die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) in ihrem Klageschriftsatz vom 24. Februar 1992 bezifferte Anträge gestellt hatte (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 17. Oktober 1990 I R 118/88, BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242). Dafür spricht, daß die Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung nicht ihre bereits schriftlich gestellten und bezifferten Anträge wiederholt, sondern eine Veranlagung entsprechend der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen begehrt hat. Die Klägerin hat eine falsche Beurteilung einer Sachentscheidungsvoraussetzung (hier: § 65 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) durch das FG nicht gerügt. Die Möglichkeit, Revision aufgrund einer fehlerhaften Verneinung der Zulässigkeit der Klage zuzulassen, scheidet daher aus (vgl. hierzu z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Rdnr. 25).

2. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen, wonach das FG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör und die Pflicht zur Sachaufklärung verletzt habe, sind unbegründet.

Bei Prüfung der Frage, ob Verfahrensmängel vorliegen, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 24). Der Senat kann daher nur prüfen, ob das FG, das den ursprünglich gestellten Klageantrag aufgrund des Antrags in der mündlichen Verhandlung als geändert ansah, ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) die Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und lt. Sitzungsprotokoll nicht unterzeichneten Kopien der Jahresabschlüsse ablehnen durfte und ob in dem Unterlassen, weitere Unterlagen beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) anzufordern, eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG liegt. Beides ist zu verneinen.

a) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG liegt u.a. vor, wenn das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. In ähnlicher Weise verlangt auch § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, daß das Gericht seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zieht (vgl. hierzu z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 28/85, BFHE 144, 139, BStBl II 1985, 626). Soweit die Klägerin die Nichtberücksichtigung von Unterlagen durch das FG rügt, die dem FA, nicht aber dem Gericht vorgelegen haben, hat das FG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör und Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens nicht verletzt. Unterlagen, die dem Gericht nicht zur Kenntnis gebracht wurden, können schon aus tatsächlichen Gründen von diesem nicht berücksichtigt werden. Sollte dem FA in diesem Zusammenhang ein Verfahrensfehler unterlaufen sein, so erlaubt dieser keine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 25).

b) Soweit die Klägerin die Nichtberücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Jahresabschlüsse rügt, die lt. Sitzungsniederschrift nicht unterzeichnet waren (§ 155 FGO i.V.m. § 418 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; vgl. hierzu Zöller, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., § 418 Rdnr. 1), ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Wie der Sitzungsniederschrift und dem eigenen Vortrag der Klägerin im Beschwerdeschriftsatz zu entnehmen ist, hat das FG die vorgelegten Unterlagen eingesehen und damit zur Kenntnis genommen. Wenn es die nicht unterzeichneten Jahresabschlüsse zur Bestimmung des Klageziels als nicht ausreichend anerkannt hat, so ist dies nicht zu beanstanden. Dies folgt daraus, daß die Klägerin eine Veranlagung lt. Steuererklärung beantragt hat und sich aus dem Jahresabschluß weder die Höhe der Körperschaftsteuer (vgl. insbesondere z.B. § 27 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -), noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens (vgl. zu steuerfreien Einnahmen BFH-Urteil vom 7. November 1990 I R 68/88, BFHE 162, 337, BStBl II 1991, 177), noch die Höhe der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 I R 97/89, BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154) entnehmen läßt.

3. Unbegründet ist auch die Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das FG.

Es kann dahinstehen, ob die Rüge mangelnder Sachaufklärung den formalen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht (vgl. hierzu z.B. Beschluß des BFH vom 24. Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694). Da die Klägerin selbst in der Beschwerdeschrift nicht behauptet, die nach Auffassung des FG zur Bestimmung des Klageziels notwendigen Steuererklärungen der Klägerin dem FA vorgelegt zu haben, ist die Rüge mangelnder Sachaufklärung unschlüssig. Im übrigen hat das FA unbestritten vorgetragen (vgl. Schriftsatz vom 15. März 1993, S. 3), daß bei ihm im Zusammenhang mit den Unterlagen für die KG keine Steuererklärungen für die Klägerin eingegangen sind.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 717

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