Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung, Verfahrensmängel, Divergenz

 

Leitsatz (NV)

1. Die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, die Frage, ob nicht verwertbare Flächen eines Wohngrundstücks (z. B. Treppenhaus) bei der Einheitsbewertung ansetzbar seien, habe grundsätzliche Bedeutung, reicht für eine schlüssige Darlegung dieses Zulassungsgrundes ebensowenig aus wie der Hinweis darauf, daß der BFH diese Frage noch nicht entschieden habe.

2. Soweit der Beschwerdeführer rügt, das FG habe schriftsätzlich gestellte Beweisanträge übergangen und dadurch seine Sachaufklärungspflicht verletzt, fehlt es an einer schlüssigen Rüge. Da das Übergehen eines Beweisantrags und die Verletzung der Sachaufklärungspflicht zu den verzichtbaren Mängeln gehören, ist es erforderlich, in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde -- und zwar noch innerhalb der Beschwerdefrist -- darzulegen, daß die Nichterhebung der angebotenen Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1--3, Abs. 3; BewG § 79

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind je zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks, das sie 1992 erworben und umgebaut haben. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) hat das zunächst als Zweifamilienhaus (mit einem Einheitswert von 56 100 DM) bewertete Grundstück mit Bescheid vom 21. September 1993 auf die Kläger zum 1. Januar 1993 fortgeschrieben. Außerdem führte das FA wegen der Umbaumaßnahmen im Jahre 1992 mit Bescheid vom 2. August 1994 eine Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1993 zum Einfamilienhaus mit einem im Ertragswertverfahren ermittelten Einheitswert von 77 400 DM durch.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage wandten sich die Kläger gegen die Annahme eines Einfamilienhauses, da der Umstand, daß sie das Haus allein nutzten, nichts an dem Zweifamilienhauscharakter ändern könnte; alle erforderlichen Anschlüsse für ein zweites Bad und eine zweite Küche seien noch vorhanden. Die Kläger wandten sich außerdem gegen die Berechnung der vom FA mit 195 qm angesetzten Wohnfläche sowie gegen den Ansatz der Jahresmiete mit 36,60 DM/qm. Die Klage hatte nur zu einem ganz geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß es sich bei dem Grundstück der Kläger um ein Einfamilienhaus handele, denn es enthalte nur eine Wohnung. Für die Annahme einer zweiten Wohnung fehle eine zweite Küche und ein zweites Bad. Es genüge nicht, daß entsprechende Anschlüsse vorhanden seien; entscheidend sei, daß die Räume tatsächlich anderweitig (und auch künftig nicht mehr als Küche oder Bad) genutzt würden. Die Jahresmiete von 36,60 DM/qm entspreche nach dem Mietpreisspiegel auf den 1. Januar 1964 der Miete vergleichbarer Grundstücke. Die Gesamtwohnfläche betrage allerdings nicht 195 qm, wie vom FA angenommen, sondern nur 194 qm.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet, da die Voraussetzungen nach §115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für eine Zulassung der Revision nicht erfüllt sind.

1. Grundsätzliche Bedeutung (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)

Soweit die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen, entspricht die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bereits nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (s. Senatsbeschluß vom 11. Dezember 1991 II B 47/91, BFHE 166, 302, BStBl II 1992, 348, sowie Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm.7, m. w. N.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Daran fehlt es im Streitfall. Die bloße Behauptung der Kläger, die Frage, ob nicht verwertbare Flächen wie die Flächen im Treppenhaus bei der Einheitsbewertung ansetzbar seien, habe grundsätzliche Bedeutung, reicht für eine schlüssige Darlegung dieses Zulassungsgrundes ebensowenig aus wie der Hinweis darauf, daß der Bundesfinanzhof (BFH) diese Frage noch nicht entschieden habe. Im Hinblick darauf, daß die für den Ansatz der üblichen Miete gemäß §79 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) erforderliche Wohnflächenberechnung nach Maßgabe der §§42 bis 44 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) i. d. F. vom 5. April 1984 (BGBl I 1984, 553, BStBlI 1984, 284) erfolgt und dementsprechend bei Einfamilienhäusern bis zu 10 v. H. der Wohnfläche abgezogen werden können (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19. Dezember 1975 III R 6/75, BFHE 118, 76, BStBl II 1976, 283), hätten die Kläger insbesondere darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Frage der Erfassung nicht verwertbarer Flächen eines Wohngebäudes umstritten ist und inwieweit diese Frage durch den Rechtsstreit aufgeworfen wird (vgl. Senatsbeschluß vom 29. Oktober 1997 II B 31/97, BFH/NV 1998, 347, m. w. N.). Nachdem das FG den vom FA bei der Wohnflächenberechnung zugestandenen Abzug von 10 v. H. bestätigt hat, hätte der Kläger ferner darlegen müssen, inwieweit diese Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits überhaupt noch geklärt werden soll.

2. Divergenz (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO)

In einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde muß neben einer genauen Bezeichnung der Divergenzentscheidung des BFH dargetan werden, daß das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem sich aus der Divergenzentscheidung ergebenden -- ebenfalls tragenden -- abstrakten Rechtssatz nicht übereinstimmt (s. BFH-Beschluß vom 21. Juli 1997 III B 213/96, BFH/NV 1998, 180). Die Rechtssätze sind so genau zu bezeichnen, daß eine Abweichung erkennbar wird (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 63, m. w. N.).

Die Kläger haben zwar dem von ihnen zitierten BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 III R 82/84 (BFHE 144, 76, BStBl II 1985, 497) den Rechtssatz entnommen, es genüge -- für die Annahme einer Küche --, daß in einem solchen Raum die notwendigen Anschlüsse vorhanden seien, es sei jedoch nicht erforderlich, daß in den Räumen tatsächlich ein Haushalt geführt werde; demgegenüber habe das FG entscheidend darauf abgestellt, daß im Streitfall "die Räume tatsächlich anderweitig genutzt werden und auch künftig nicht als Küche oder Bad mit Dusche oder Badewanne genutzt werden sollen". Tatsächlich weicht jedoch das angefochtene Urteil nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 144, 76, BStBl II 1985, 497 ab; denn der BFH betont in diesem Urteil, die Hinweise in seiner Rechtsprechung auf die erforderlichen Küchenanschlüsse seien dahin zu verstehen, "daß dieser Raum im Hinblick auf seine künftige Nutzung als Küche in der Weise gestaltet und vorbereitet sein muß, daß im wesentlichen nur noch die Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände zu installieren sind. Bei den noch zu treffenden Maßnahmen darf es sich lediglich um unerhebliche Restarbeiten handeln, wie sie vielfach erst unmittelbar vor dem Einzug vorgenommen werden ... ". Hieran knüpft das angegriffene Urteil der Vorinstanz ausdrücklich an, wenn es darauf abstellt, daß im Streitfall die umgebauten Räume entsprechend dem Umbauzweck gerade nicht mehr als Küche oder Bad genutzt werden sollen. Eine Divergenz ist daher zu verneinen.

3. Verfahrensmangel (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)

a) Soweit die Kläger die Versagung des rechtlichen Gehörs rügen, weil das FG zur Frage des Mietansatzes den angebotenen Sachverständigen nicht gehört und damit das rechtliche Gehör versagt habe, fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung, inwiefern das Urteil des FG darauf beruhen kann; dabei kommt es auf den Rechtsstandpunkt des FG an, mag dieser richtig oder falsch sein (s. BFH-Urteil vom 26. November 1992 IV R 109/90, BFHE 170, 88, BStBl II 1993, 235, und BFH-Beschluß vom 7. Februar 1995 V B 62/94, BFH/NV 1995, 861, m. w. N.). Da das FG davon ausgegangen ist, daß im Streitfall von der üblichen Miete (§79 Abs. 2 BewG) nach Maßgabe des vom FA aufgestellten Mietspiegels auszugehen ist (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 26. Januar 1979 III R 99/76, BFHE 126, 569, BStBl II 1979, 254, und vom 10. August 1984 III R 41/75, BFHE 142, 289, BStBl II 1985, 36, m. w. N.), hätten die Kläger darlegen müssen, inwiefern dennoch eine von einem Sachverständigen ermittelte niedrigere Miete hätte berücksichtigt werden können oder müssen.

b) Auch soweit die Kläger rügen, das FG habe die gestellten Beweisanträge auf Durchführung eines Augenscheins sowie auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis des Nichtvorhandenseins des der Flächenberechnung zugrunde gelegten Ostbalkons übergangen und habe dadurch seine Sachaufklärungspflicht verletzt, fehlt es an einer schlüssigen Rüge.

Da das Übergehen eines Beweisantrags und die Verletzung der Sachaufklärungspflicht zu den verzichtbaren Mängeln gehören (s. Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 37), ist es erforderlich, in der Beschwerdebegründung -- und zwar noch innerhalb der Beschwerdefrist -- darzulegen, daß die Nichterhebung der angebotenen Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Mai 1996 X B 108/95, BFH/NV 1996, 835; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, 1986, S. 99; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, §115 FGO Tz. 90).

Da die Kläger die Nichterhebung der angebotenen Beweise vor dem FG nicht gerügt haben, hätten sie daher im Rahmen der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Beschwerdefrist vortragen müssen, daß für sie die Absicht des FG, die angebotenen Beweise nicht zu erheben, nicht so rechtzeitig erkennbar gewesen sei, daß dies noch vor dem FG hätte gerügt werden können. Der entsprechende Vortrag der Kläger mit dem erst nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgelegten Schriftsatz kann nicht mehr berücksichtigt werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 1246

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