Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine einstweilige Anordnung zur Erteilung der Zustimmung zur Einstellung des Konkursverfahrens

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Frage eines Anordnungsanspruchs, wenn dem Finanzamt durch einstweilige Anordnung aufgegeben werden soll, die Zustimmung zur Einstellung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu erteilen.

2. Der für die einstweilige Anordnung (1.) erforderliche Anordnungsgrund von besonderer Intensität wird durch die Auswirkungen eines seit bereits drei Jahren andauernden Konkursverfahrens nicht belegt.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1, 3; AO 1977 §§ 258, 251 Abs. 2 S. 1; KO §§ 202, 14 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Antragsteller, Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer verschiedener, in einer Unternehmensgruppe zusammengefaßter Gesellschaften mbH, wird vom Finanzamt (FA) als Haftungsschuldner für rückständige Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 1979, 1981 und 1982 in Anspruch genommen. Am . . . beantragte das FA beim Amtsgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Antragstellers, da dieser in das Ausland geflüchtet sei und das bewegliche Vermögen zur Forderungsrealisierung nicht ausreiche. Dem Antrag wurde am selben Tage entsprochen. Rechtsmittel des Antragstellers gegen den Konkurseröffnungsbeschluß blieben - aus verfahrensrechtlichen Gründen - erfolglos. Am . . . beantragte der Antragsteller beim FA dessen Zustimmung zur Aufhebung seines persönlichen Konkursverfahrens gemäß § 202 der Konkursordnung - KO -. Das FA lehnte den Antrag ab; über die dagegen eingelegte Beschwerde ist noch nicht entschieden. Das Begehren des Antragstellers, dem FA durch einstweilige Anordnung aufzugeben, die Zustimmung zur Aufhebung des Konkursverfahrens zu erteilen, wurde vom Finanzgericht - FG - zurückgewiesen, und zwar mit der Begründung, die begehrte Regelung würde das Ergebnis des Hauptverfahrens vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen. Dies komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, wobei an Anordnungsanspruch und -grund strenge Anforderungen zu stellen seien. Im Streitfalle sei eine besondere Intensität des Anordnungsgrundes nicht erkennbar. Der Nachteil des Antragstellers, würde dieser auf das Ergebnis des Beschwerdeverfahrens verwiesen, bestände im weiteren Fortgang des Konkursverfahrens. Dieser Zustand dauere jedoch schon seit mehr als zwei Jahren an, ohne daß besonders gravierende und nicht wiedergutzumachende Nachteile erkennbar wären. Die vom Antragsteller angestrebte Verbesserung der persönlichen Rechtsposition sei kein ausreichender Gesichtspunkt.

Die Beschwerde des Antragstellers macht demgegenüber geltend, das FA müsse die erbetene Zustimmung geben, weil die Konkurseröffnung aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sei, ein öffentliches Interesse an der Beibehaltung des Konkursverfahrens nicht bestehe und auf keine andere Weise effektiver Rechtsschutz erlangt werden könne. Die Rechtswidrigkeit der Konkurseröffnung ergebe sich insbesondere aus Zweifeln an der rechtzeitigen Bekanntgabe des Haftungsbescheides und der nicht erfolgten Anhörung des Gemeinschuldners. Damit bestehe ein Anspruch auf Folgenbeseitigung. Den letztlich verbleibenden Steuernachforderungen ständen weitaus höhere Sicherheiten gegenüber. Hingegen sei für ihn - Antragsteller - wegen der einschneidenden Wirkungen des Konkursverfahrens dessen Fortgang mit irreparablen Schäden verbunden.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das FG hat es mit Recht abgelehnt, dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen.

Es kann sich bereits fragen, ob ein Anordnungsanspruch auf die begehrte Regelungsanordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung) glaubhaft gemacht worden ist. Als Rechtsgrundlage in Betracht kommen könnte § 258 der Abgabenordnung - AO 1977 -, der es der Vollstreckungsbehörde - FA - ermöglicht, ,,eine" (einzelne) Vollstreckungsmaßnahme aufzuheben, soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist. Unmittelbar anwendbar wäre diese Vorschrift allerdings nicht, da die Vollstreckungsmaßnahme des FA - Konkursantrag - bereits zur Eröffnung des Konkursverfahrens geführt hat, die Maßnahme mithin nicht mehr zurückgenommen werden kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 1. März 1978 VII B 41/77, BFHE 124, 311, BStBl II 1978, 313, und vom 26. April 1988 VII B 176/87, BFH/NV 1988, 762, 764) und das Verfahren selbst sich ausschließlich nach Konkursrecht bestimmt (vgl. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, § 14 Abs. 1 KO). Einer entsprechenden Anwendung von § 258 AO 1977, sollte sie im Hinblick auf das Antragsziel möglich sein, stände nicht entgegen, daß die begehrte Zustimmung zur Einstellung des Konkursverfahrens unwiderruflich wäre (Kilger, Konkursordnung, 15. Aufl. 1987, § 202 Anm. 2 b). Denn in der Zustimmung liegt kein Forderungsverzicht; nach Einstellung des Konkursverfahrens könnten andere Einzelvollstreckungsmaßnahmen (wieder) durchgeführt werden, selbst ein neuer Konkursantrag wäre rechtlich nicht ausgeschlossen. Der Senat braucht jedoch über die Frage der Rechtsgrundlage eines Anordnungsanspruchs nicht zu entscheiden, auch nicht darüber, ob das diesbezügliche Antragsvorbringen - insbesondere Folgenbeseitigung im Hinblick auf die ,,Rechtswidrigkeit der Konkurseröffnung" - einen Anordnungsanspruch ergeben könnte und ob nicht dazu auch glaubhaft gemacht werden müßte, daß die Zustimmung aller (anderen) Konkursgläubiger - Voraussetzung für eine Einstellung des Konkursverfahrens gemäß § 202 KO - vorliegt oder wenigstens zu erwarten ist. Offenbleiben kann ferner, ob nur eine Ermessenskontrolle der ablehnenden Entscheidung des FA in Betracht käme (§ 102 FGO) oder ob den Gerichten bei Anwendung von § 258 AO 1977 ein eigenständiges ,,Interimsermessen" zusteht (vgl. hierzu Senat, Beschlüsse vom 4. Februar 1986 VII B 129/85, BFH/NV 1986, 478 f., vom 4. Juli 1986 VII B 56/86, BFH/NV 1987, 20, 22, und vom 4. November 1986 VII B 108/86, BFH/NV 1987, 555 f.). Denn selbst dann, wenn ein Anordnungsanspruch vorliegen würde, fehlt es jedenfalls, wie vom FG richtig entschieden, an dem ebenfalls erforderlichen Anordnungsgrund.

Der Senat hat es bisher offengelassen, ob es einer Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes bedarf, wenn sich der Antrag auf eine einstweilige Anordnung zur Rücknahme des Konkursantrags richtet (BFH/NV 1988, 762, 764; Beschluß vom 20. November 1984 VII B 39/84, Steuerrechtsprechung in Karteiform, § 69 FGO, Rechtsspruch 266). Zielt der Antrag auf Zustimmung zur Einstellung eines Konkursverfahrens ab, dessen Eröffnung bereits - mit Rechtskraftwirkung (vgl. Kilger, a. a. O., § 74 Anm. 2; § 109 Anm. 7) - beschlossen ist, so sind die einschneidenden rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen des Konkurses für den Gemeinschuldner schon eingetreten. Damit entfällt der Grund für eine möglicherweise in Betracht kommende Erleichterung hinsichtlich der Voraussetzungen für den vorläufigen Rechtsschutz. Dieser kann hier - wie auch sonst - nur gewährt werden, wenn auch ein Anordnungsgrund vorliegt. Für die Regelungsanordnung bedarf es der Glaubhaftmachung eines Grundes der in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO geforderten Art (dazu Bundesfinanzhof, Beschluß vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, 432, BStBl II 1984, 492; vgl. auch Beschluß vom 14. Januar 1987 II B 102/86, BFHE 148, 440, 443, BStBl II 1987, 269). Wird eine Anordnung begehrt, die - wie hier - das Ergebnis des Hauptverfahrens (endgültig) vorwegnehmen würde, so muß sogar ein Anordnungsgrund von besonderer Intensität gegeben sein (Senat, Beschluß vom 21. Februar 1984 VII B 78/83, BFHE 140, 163, 166, BStBl II 1984, 449; vgl. auch Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 114 Anm. 69). Einen derartigen Grund hat der Antragsteller nach Auffassung des Senats nicht glaubhaft gemacht. Die - allerdings schwerwiegenden - Auswirkungen des Konkursverfahrens treffen jeden Gemeinschuldner; sie stellen keinen gerade den Antragsteller treffenden besonderen Nachteil dar. Schon gar nicht sind sie geeignet, einen Anordnungsgrund von besonderer Intensität zu ergeben. Die Berücksichtigung der Wirkungen des Konkurses verbietet sich um so mehr, als sie seit nunmehr bereits drei Jahren bestehen und nicht ersichtlich ist, daß in diesem Stadium des Konkursverfahrens die Zustimmung zu seiner Einstellung etwa zur Abwendung wesentlicher Nachteile (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO) unabweisbar geworden wäre.

Das weitere Vorbringen des Antragsstellers betrifft den Anordnungsanspruch; das gilt auch, soweit der Antragsteller geltend macht, es bestehe kein öffentliches Interesse an der Fortdauer des Konkursverfahrens, weil im Falle der Einstellung hinreichende werthaltige Sicherheiten geboten werden könnten (vgl. dazu Senat in BFH/NV 1988, 762, 764 a. E.). Bei der Prüfung der Frage, ob auch ein Anordnungsgrund besteht, kann dieses Vorbringen keine Rolle spielen (vgl. auch BFHE 148, 440, 443, BStBl II 1987, 269). Mangels eines solchen Grundes kann die beantragte Anordnung nicht erlassen werden. Der Antragsteller muß darauf verwiesen werden, das Ergebnis des Hauptverfahrens abzuwarten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416410

BFH/NV 1990, 76

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