Leitsatz (amtlich)

Die im finanzgerichtlichen Verfahren statthafte Anschlußbeschwerde gegen eine isolierte Kostenentscheidung des FG ist auch dann zulässig, wenn der Wert des Gegenstands der Anschlußbeschwerde die Grenze von 50 DM (§ 128 Abs. 3 FGO) nicht übersteigt.

 

Normenkette

FGO § 128 Abs. 3, §§ 129, 145 Abs. 2

 

Tatbestand

Beide Prozeßbeteiligten hatten vor dem FG die Hauptsache für erledigt erklärt. Das FG hob die Kosten des Verfahrens gemäß §§ 137, 138 FGO gegeneinander auf, weil der Beschwerdeführer die Besteuerungsgrundlagen erst während des Klageverfahrens dargelegt habe.

Mit der Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der Kosten, die ihm durch die unvermeidbare Hinzuziehung eines mit der steuerlichen Materie vertrauten Anwalts erwachsen seien, in vollem Umfang dem Land aufzuerlegen. Mit der Anschlußbeschwerde beantragt das FA, dem Beschwerdeführer die Kosten des Klageverfahrens voll aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde und die Anschlußbeschwerde sind zulässig.

Gegen eine isolierte Kostenentscheidung findet nach § 145 Abs. 2 FGO die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 50 DM übersteigt (§ 128 Abs. 3 FGO). Werden, wie hier vom FG, die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Beteiligten zur Hälfte zur Last (§ 136 Abs. 1 Satz 2 FGO). Im übrigen hat jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2.-3. Aufl., § 136 FGO Anm. 1). Da im Streitfall eine halbe Gerichtsgebühr 17,75 DM beträgt und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers 133,45 DM ausmachen, übersteigt der Wert der Beschwerde mit 151 DM die Beschwerdewertgrenze des § 128 Abs. 3 FGO.

Die Anschlußbeschwerde ist im finanzgerichtlichen Verfahren statthaft (vgl. die Beschlüsse des BFH I B 35/67 vom 31. Juli 1967, BFH 90, 92, BStBl III 1967, 784; IV B 3/66 vom 19. April 1968, BFH 92, 314, BStBl II 1968, 538). Sie ist auch zulässig, obwohl der Beschwerdewert für das FA unter 50 DM liegt.

Der BFH hat bereits in dem Beschluß IV B 3/66 ausgeführt, die Anschlußbeschwerde sei kein selbständiges Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkendes Verteidigungsmittel; mit der Anschließung solle lediglich erreicht werden, den Rechtsstreit in vollem Umfang durch das Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen. Für die Anschlußbeschwerde gilt deshalb nicht - wie für die Beschwerde selbst - die Beschwerdefrist (§ 129 FGO), aber auch nicht die Beschwerdewertgrenze (§ 128 Abs. 3 FGO). § 128 Abs. 3 FGO soll verhindern, daß der BFH über einen Kostenrechtsstreit mit einem Bagatellbeschwerdewert entscheiden muß. Ist der BFH aber mit dem Kostenrechtsstreit bereits wegen der zulässigen Beschwerde des Beschwerdeführers befaßt, so steht einer Erweiterung des Beschwerdegegenstandes durch Anschließung des Beschwerdegegners nichts entgegen. Das Rechtsmittel selbst bleibt das einheitliche, das der Beschwerdeführer eingelegt hat (vgl. den Beschluß des BGH GSZ 2/51 vom 17. Dezember 1951, BGHZ 4, 229). Dementsprechend haben das RG und der BGH in ständiger Rechtsprechung entschieden, es bedürfe für die Anschließung an ein Rechtsmittel nicht der Erreichung der Rechtsmittelsumme (vgl. den Beschluß des RG II B 18/32 vom 16. September 1932, RGZ 137, 232, Urteil des RG IV 183/37 vom 25. November 1937, RGZ 156, 240, 242; Beschluß des BGH GSZ 2/51 a. a. O., 234; Urteil des BGH III ZR 170/60 vom 27. November 1961, NJW 1962, 797, 798, rechte Spalte). Auch das zivilrechtliche Schrifttum hält die Anschließung an ein Rechtsmittel selbst dann für zulässig, wenn die "Erwachsenheitssumme" nicht erreicht ist (vgl. Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, III. Band, § 556 Anm. B II c; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 29. Aufl., § 556 Anm. 1; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 29. Aufl., § 556 Anm. 1; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 135 Anm. V 2 c; ebenso speziell für die Kostenbeschwerde im Rahmen des § 567 Abs. 2 ZPO; Fenn, Die Anschlußbeschwerde im Zivilprozeß und im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1961 S. 229). Für das finanzgerichtliche Verfahren kann nichts anderes gelten, weil - wie ausgeführt - auch hier die Anschließung kein selbständiges Rechtsmittel darstellt (ebenso Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 121 Rdnr. 22; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., III. Bd., § 120 FGO Anm. 4 Abs. 3).

Allerdings ist der RFH davon ausgegangen, daß bei der Anschließung an eine Rechtsbeschwerde die Rechtsbeschwerdesumme auch erreicht sein müsse (vgl. das Urteil VI A 1064/31 vom 7. Oktober 1931, RFH 29, 356). Dem hat sich der BFH im Urteil III 60/62 U vom 25. Mai 1962 (BFH 75, 250, BStBl III 1962, 358 am Ende) angeschlossen. Aus dieser, wie gesagt, für die Rechtsbeschwerde und also das alte Recht der AO entwickelten Rechtsansicht kann aber für die vorliegende Frage nichts entnommen werden. Jedenfalls folgt der Senat ihr nicht, weil die Anschlußbeschwerde kein selbständiges Rechtsmittel ist und deshalb bei ihrer Einlegung nicht die für die Beschwerde geltenden Formerfordernisse erfüllt sein müssen. Dabei verkennt der Senat nicht, daß bei dieser Auslegung eine Anschlußbeschwerde auch derjenige einlegen kann, der zur Einlegung einer selbständigen Beschwerde nicht berechtigt ist. Dieser bei der Anschließung an ein Rechtsmittel des anderen Verfahrensbeteiligten auftretende Vorteil wird aber durch den Nachteil für den sich Anschließenden ausgeglichen, daß sein Rechtsmittel von dem Hauptrechtsmittel abhängig ist. Denn einer zunächst zulässigen Anschlußbeschwerde kann dadurch der Boden entzogen werden, daß die Beschwerde zurückgenommen wird.

Die Beschwerde und die Anschlußbeschwerde sind nicht begründet....

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 95

BFHE 1970, 276

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