Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung nach Erledigung des Rechtsstreits wegen Aufhebung von Pfändungsmaßnahmen durch einstweilige Anordnung

 

Leitsatz (NV)

1. Auch bei einer Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO muß der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens beachtet werden.

2. Wird die Aufhebung von Pfändungsmaßnahmen angestrebt, so darf eine einstweilige Anordnung der Entscheidung in der Hauptsache nicht ,,endgültig vorgreiflich" sein.

3. Darlegungen der Unzulässigkeit einer Pfändung reichen zur Glaubhaftmachung des Grundes für eine gegen die Pfändungsmaßnahme gerichtete einstweilige Anordnung nicht aus.

 

Normenkette

FGO §§ 114, 138 Abs. 2 S. 1; ZPO § 920 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) pfändete beim Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) am 27. September 1985 die in der Niederschrift über die Pfändung genannten Gegenstände. Entsprechend den Angaben in der Niederschrift hat das FA einen Teil der Gegenstände im Gewahrsam des Beschwerdeführers belassen und den anderen Teil in Verwahrung genommen.

Der Beschwerdeführer stellte beim Finanzgericht (FG) den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung zu bestimmen, daß die durchgeführte Vollstreckung vorläufig eingestellt, die Pfändung der in der Niederschrift aufgeführten Gegenstände aufgehoben und die bereits weggenommenen Pfandstücke in den Gewahrsam des Beschwerdeführers zurückgegeben werden, hilfsweise, daß die beim Beschwerdeführer durchgeführte Vollstreckung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Vollstreckungsanträge und die geltend gemachten Drittwidersprüche vorläufig eingestellt und die bereits weggenommenen Pfandstücke in den Gewahrsam des Beschwerdeführers zurückgegeben werden.

Das FG lehnte den Antrag ab. In den Gründen seiner Entscheidung führt das FG u. a. aus, das FA habe den - in der Niederschrift - zur Abholung der im Gewahrsam des Beschwerdeführers belassenen Pfandstücke bestimmten Termin sowie die Pfändung eines Teils der Pfandstücke aufgehoben.

Nachdem der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des FG Beschwerde eingelegt hatte, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit mit der Begründung in der Hauptsache für erledigt, die gepfändeten Gegenstände seien inzwischen freigegeben worden.

 

Entscheidungsgründe

Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist nur noch nach § 138 der Finanzgerichtsordnung (FGO) über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist nach § 138 Abs. 1 FGO zu treffen.

Dem Antrag des Beschwerdeführers ist zwar zu entnehmen, daß mit ihm eine Aufhebung der vom FA getroffenen Pfändungsmaßnahmen angestrebt war. Auch wenn darin ein Antrag i. S. des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO auf Rücknahme von Verwaltungsakten erblickt wird, so kommt eine Kostenentscheidung nach dieser Vorschrift ohne Rücksicht darauf, ob als Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes eine Aussetzung der Vollziehung hätte begehrt werden müssen (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 16. November 1977 VII S 1/77, BFHE 123, 427, BStBl II 1978, 69) und ob demgemäß § 114 Abs. 5 FGO einer einstweiligen Anordnung entgegengestanden hätte, nicht in Betracht. Denn auch bei einer Anwendung des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO muß der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens beachtet werden. Der für eine Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 maßgebende Grundsatz, daß der Kostenentscheidung der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits im Falle seiner Nichterledigung zugrunde zu legen ist, beherrscht auch die Regelung in § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO mit der Folge, daß die Rücknahme eines Verwaltungsakts dann nicht eine Kostenentscheidung nach dieser Vorschrift rechtfertigt, wenn die Rücknahme in dem in der Hauptsache erledigten Rechtsstreit nicht hätte erreicht werden können (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 14. Mai 1985 VII R 35/82, BFH / NV 1986, 45 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Denn eine auf Aufhebung der Pfändungsmaßnahmen gerichtete einstweilige Anordnung hätte zumindest deshalb nicht erlassen werden dürfen, weil die Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung grundsätzlich gegenüber der Entscheidung im Hauptprozeß nicht ,,endgültig vorgreiflich" sein darf (vgl. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 21. Februar 1984 VII B 78/83, BFHE 140, 163, BStBl II 1984, 449, und vom 22. Juli 1980 VII B 3/80, BFHE 131, 15, BStBl II 1980, 592). Für die Kostenentscheidung kann dabei im Streitfall davon ausgegangen werden, daß eine etwa auf Untersagung der Verwertung der gepfändeten Sachen gerichtete einstweilige Anordnung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes ausgereicht hätte und demgemäß eine Ausnahme vom Grundsatz, daß durch die einstweilige Anordnung einer endgültigen Entscheidung im Hauptprozeß nicht vorgegriffen werden dürfe, nicht erforderlich gewesen wäre (vgl. BFHE 140, 163, BStBl II 1984, 449; BFHE 131, 15, BStBl II 1980, 592).

Bei der Ermessensausübung nach § 138 Abs. 1 FGO ist zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, den für eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Dazu wären Darlegungen erforderlich gewesen, aus denen sich ergeben hätte, daß dem Kläger ohne eine einstweilige Anordnung die Verwirklichung seiner Rechte wesentlich erschwert oder gar vereitelt worden wäre oder daß ihm ohne die einstweilige Anordnung aus der Pfändung wesentliche Nachteile gedroht hätten. Die Ausführungen zur Darlegung der Unzulässigkeit der Pfändung allein reichten dazu nicht aus. Derartige Beeinträchtigungen wären vielmehr etwa dann zu befürchten gewesen, wenn vor Abschluß des Hauptverfahrens wegen der Pfändungen eine Verwertung der Pfändungsgegenstände zu erwarten gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hat zwar ausgeführt, es müsse davon ausgegangen werden, daß die Wegnahme gepfändeter Gegenstände fortgesetzt werde und diese verwertet würden. Zumindest nach Rückgabe eines Teils der gepfändeten Gegenstände und nach Aufhebung des Abholtermins konnte aber nicht mehr ohne weiteres angenommen werden, daß die Pfändungen zu weiteren Nachteilen etwa durch Verwertung der gepfändeten Gegenstände führen würden.

Da ein Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht war, ist anzunehmen, daß der Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf einstweilige Anordnung voraussichtlich unterlegen wäre. Es entspricht danach einer sachgerechten Ermessensausübung, dem Beschwerdeführer nach § 138 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 111

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