Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluß

 

Leitsatz (NV)

1. Wird gegen die Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluß Vollstreckungsabwehrklage erhoben, so ist in sinngemäßer Anwendung des § 769 ZPO einstweilige Einstellung der Vollstreckung statthaft.

2. Die Entscheidung über die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes ist in das freie Ermessen des Gerichts gestellt; bei dessen Ausübung sind nicht nur die Aussichten der Vollstreckungsabwehrklage, sondern auch die den Parteien drohenden Nachteile zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwiegen.

 

Normenkette

FGO § 151 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 767, 769

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt - HZA -) hat gegen den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) Klage erhoben mit dem Antrag, die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Finanzgerichts (FG) vom 17. Juli 1985 IV 167/78 H für unzulässig zu erklären. Zur Begründung der Klage macht das HZA folgendes geltend: Durch den Kostenfestsetzungsbeschluß seien die nach dem rechtskräftigen Beschluß des FG vom 28. März 1985 IV 167/78 H von dem HZA an den Beschwerdeführer zu erstattenden Kosten auf 79 844,95 DM nebst Zinsen seit dem 17. Mai 1985 festgelegt worden. Mit Verwaltungsakt vom 8. August 1985 habe das HZA die dem Beschwerdeführer gewährte Stundung der Mineralölsteuer in Höhe von 100 000 DM aus dem Haftungsänderungsbescheid vom 10. Dezember 1984 in Höhe eines Teilbetrages von 80 634,53 DM widerrufen. Durch Aufrechnungserklärung vom gleichen Tag habe das HZA mit der Mineralölsteuerforderung gegen den Kostenerstattungsanspruch aufgerechnet.

Mit der Klageerhebung beantragte das HZA gleichzeitig, die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß bis zum Erlaß des Urteils aufgrund der Klage einstweilen einzustellen.

Das FG entsprach diesem Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung mit folgender Begründung: Die Vollstreckungsabwehrklage habe Aussicht auf Erfolg, weil bei summarischer Prüfung der Kostenerstattungsanspruch des Beschwerdeführers durch die Aufrechnung des HZA erloschen sei. Im Zeitpunkt der Entstehung des Kostenerstattungsanspruchs durch den Kostenbeschluß vom 28. März 1985 habe die Mineralölsteuerforderung des HZA bereits bestanden. Diese Forderung sei spätestens mit der im Steuerhaftungsbescheid vom 28. Februar 1977 gesetzten Frist fällig geworden. Die spätere Änderung des Haftungsbescheids lasse die Entstehung der Mineralölsteuerforderung unberührt. Es komme auch nicht darauf an, daß im Verlauf des Verfahrens über den Haftungsbescheid die Vollziehung ausgesetzt und eine Stundung gewährt worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Entscheidung des FG Beschwerde. Wie sich aus seinen im Beschwerdeverfahren vorgelegten Ausführungen zur Klage ergibt, ist er der Auffassung, er sei nicht passiv legitimiert. Die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß werde zwar in seinem Namen, aber mit der Maßgabe betrieben, daß die Zahlung an den Prozeßbevollmächtigten S zu erfolgen habe, da der Erstattungsbetrag diesem abgetreten worden sei. Außerdem ist er der Meinung, die Aufrechnung sei unzulässig. Sie stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, weil das HZA gegen eine Forderung aufrechne, die es selbst durch Erlaß eines rechtswidrigen, auf Rechtsbehelf zurückgenommenen bzw. abgeänderten Haftungsbescheids und durch die dadurch notwendige Rechtsverteidigung verursacht habe. § 96 a der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) erkläre eine von der Staatskasse vorgenommene Aufrechnung gegen den an einen Strafverteidiger abgetretenen Kostenerstattungsanspruch für unwirksam, wenn sie den Anspruch des Anwalts vereitle oder beeinträchtige. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne werde in der Rechtsprechung schon angenommen, wenn der fällige Gebührenanspruch des Anwalts noch unbeglichen und nicht durch anrechenbare Vorschüsse gedeckt sei. Aus § 96 a BRAGebO ergebe sich der Wille des Gesetzgebers, daß in einem solchen Fall der anwaltliche Gebührenanspruch privilegiert werden solle. Der Grundgedanke dieser Regelung erscheine auch auf den Streitfall übertragbar. Die Prozeßbevollmächtigten hätten für ihre Tätigkeit im FG-Verfahren und auch im Vorverfahren keine Vergütung erhalten. Sie hätten angesichts seiner - des Beschwerdeführers - Finanzlage auch keine Aussicht auf Realisierung ihrer Gebührenansprüche. Die Aufrechnung sei den Prozeßbevollmächtigten gegenüber nicht wirksam. Die Mineralölsteuerforderung sei zunächst bis zum 30. September 1985 gestundet und damit nach der Kostenerstattungsforderung fällig geworden.

Das HZA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß eine Einstellung der Zwangsvollstreckung bis zum Erlaß des Urteils über die sog. Vollstreckungsabwehrklage (vgl. dazu Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 44. Aufl., § 767 Anm. 1 Aa.) statthaft und daß diese Entscheidung in sinngemäßer Anwendung des § 769 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu treffen ist (§ 151 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Entscheidung des Senats vom 21. April 1971 VII B 106/69 (BFHE 102, 446, BStBl II 1971, 702) steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil Gegenstand dieser Entscheidung die Vollstreckung aus rechtskräftigen Verwaltungsakten war, während Gegenstand des Streitfalls die Vollstreckung aus einer gerichtlichen Entscheidung ist. Der Senat hat bereits durch Beschluß vom 20. Dezember 1983 VII B 73/83 (BFHE 139, 494, BStBl II 1984, 205) entschieden, daß aufgrund des § 151 Abs. 1 FGO und in sinngemäßer Anwendung des § 767 ZPO die Vollstreckung gegen die öffentliche Hand aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung mit der Vollstreckungsabwehrklage angefochten werden kann. Dem entspricht es, den vorläufigen Rechtsschutz in sinngemäßer Anwendung des § 769 ZPO zu gewähren (vgl. dazu auch Beschluß des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Münster vom 12. Oktober 1967 III B 484/67, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1968, 422).

Die Entscheidung über die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes ist in das freie Ermessen des Gerichts gestellt, bei dessen Ausübung nicht nur die Aussichten der Klage, sondern auch die den Parteien drohenden Nachteile zu berücksichtigen sind (vgl. Stein/Jonas, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 769 Rdnr. 11; Beschluß des OVG Münster vom 30. Juni 1970 X B 946/69, Der Betrieb - DB - 1970, 2073). Schon aufgrund der Ausführungen des Beschwerdeführers muß angenommen werden, daß wegen dessen schlechter finanzieller Lage die nachteiligen Folgen einer Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß für das HZA bei einem Erfolg der Vollstreckungsabwehrklage und bei Ablehnung einer einstweiligen Einstellung der Vollstreckung nicht mehr zu beseitigen sind. Dagegen kann davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer bei Erfolglosigkeit der Vollstreckungsabwehrklage auch dann zur Befriedigung des Kostenanspruchs gelangt, wenn die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß einstweilen eingestellt wird. Die einstweilige Einstellung der Vollstreckung bewirkt also allenfalls eine zeitliche Verzögerung der Befriedigung des Kostenanspruchs. Bei dieser Sachlage erscheint es dem Senat sachgerecht, die Vollstreckung einstweilen einzustellen, zumal die Vollstreckungsabwehrklage zumindest nicht aussichtslos ist, wie sich aus den Ausführungen des FG ergibt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 253

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