Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlender Hinweis auf vorliegende BFH-Entscheidung

 

Leitsatz (NV)

Das FG verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich nicht, wenn es nicht darauf hinweist, daß die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage bereits vom BFH entschieden worden ist.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.

1. Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 3 des Grundgesetzes -- GG --, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) nicht dadurch verletzt, daß es sie nicht auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Juli 1994 X R 33/91 (BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4) hinwies. Zwar wird das Recht auf rechtliches Gehör verletzt, wenn das FG sein Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, zu dem zu äußern, ein Beteiligter keine Gelegenheit hatte und der auch nicht nahelag (Verbot sog. Überraschungsentscheidungen; vgl. Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 119 Rdnr. 10a). Die Tatsache, daß die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage (Beginn der Festsetzungsfrist gemäß § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 der Abgabenordnung -- AO 1977 -- bei Einspruchs- und Aussetzungsverfahren des Grund- und Folgebescheids) mittlerweile vom BFH entschieden war, ist als solche kein rechtlicher Gesichtspunkt. Gegenteiliges läßt sich auch nicht der Entscheidung des Senats vom 8. November 1989 I R 14/88 (BFHE 159, 112, BStBl II 1990, 386) entnehmen. Diese sah den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ausschließlich deswegen als verletzt an, weil das FG den Beteiligten keine Gelegenheit gegeben hatte, sich zu neuen rechtlichen Gesichtspunkten (Rechtsprechungsänderung durch BFH-Urteil vom 11. Februar 1987 I R 177/83, BFHE 149, 176, BStBl II 1987, 461) zu äußern. Die Kläger haben in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nicht vorgetragen, welchen neuen, zwischen den Beteiligten und FG noch nicht angesprochenen, rechtlichen Gesichtspunkt die Entscheidung des X. Senats vom 18. Juli 1994 enthält. Die Urteilsbegründung, wonach bei Aussetzung der Vollziehung im Festsetzungs- und Veranlagungsverfahren jeweils zu prüfen ist, mit dem Ausgang welchen Verfahrens die Aussetzung der Vollziehung verknüpft ist, enthält keine Überraschungselemente. Da mehrere Einspruchs- und Aussetzungsverfahren für den Beginn des Fristenlaufs nach § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AO 1977 konkurrieren, muß der Vorrang des einen Verfahrens vor dem anderen in irgendeiner Weise geklärt werden. Diese Frage war Gegenstand der Auseinandersetzung vor dem FG. Zu der weiteren Problematik, ob sich der Einspruch im Sinne der Einkommensteuer bereits früher erledigt hatte, enthält die Entscheidung des X. Senats ohnehin keine rechtlichen Aussagen. Im Grunde beanstanden die Kläger, daß das FG mit ihnen die einzelnen Grundsätze der BFH-Entscheidung und ihre Bedeutung für den Streitfall nicht erörtert hat. Damit rügen sie die Lückenhaftigkeit des Rechtsgesprächs, zu dem Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO aber nicht verpflichten (ständige Rechtsprechung, vgl. Nachweise z. B. bei Gräber/Ruban, a. a. O., § 119 Rdnr. 10a).

2. Soweit der Kläger einen Verstoß gegen den Akteninhalt darin sieht, daß das FG den Kläger als Rechtsbehelfsführer im Feststellungsverfahren betrachtet habe, fehlt es an der Darlegung, daß das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensverstoß beruht. Im übrigen ist die Frage, wer Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einlegt bzw. Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides beantragt hat, entscheidungsirrelevant.

3. Die Divergenzrüge ist nicht in der zulässigen Form erhoben worden. Für eine verfahrensrechtlich ordnungsgemäße Divergenzrüge i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ist notwendig, daß der Beschwerdeführer voneinander abweichende abstrakte Rechtssätze des BFH einerseits und des FG andererseits darlegt (vgl. z. B. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 63 m. w. N.; vgl. z. B. auch BFH-Beschluß vom 16. November 1993 I B 115/93, BFH/NV 1994, 551). Das haben die Kläger nicht getan. Sie haben zwar die Grundsätze der o. g. BFH-Entscheidung im einzelnen dargelegt. Es fehlt aber an der Darstellung der hiervon abweichenden abstrakten Rechtssätze des FG. Im Grunde rügen die Kläger die Nichtbeachtung der vom BFH aufgestellten Grundsätze, die -- selbst wenn die Rüge der Kläger insoweit zutreffend wäre -- zwar die Vorentscheidung unrichtig erscheinen ließe. Eine Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO läge darin aber nicht.

Im übrigen ergeht dieser Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) ohne Begründung.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 483

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