Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung, der Divergenz und von Verfahrensmängeln in einer NZB

 

Leitsatz (NV)

1. Die Frage, ob das FG gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 an seine bisherige Rechtsprechung gebunden ist, hat keine grundsätz liche Bedeutung, weil die genannte Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur bei der Änderung der Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes anwendbar ist.

2. Eine Divergenzrüge ist unschlüssig, wenn der Beschwerdeführer weder eine bestimmte BFH-Entscheidung (mit Datum und Aktenzeichen oder Fundstelle), von der das FG abgewichen sein soll, noch eine konkrete Rechtsfrage herausgearbeitet hat, hinsichtlich derer eine Divergenz bestehen könnte.

3. Eine Verfahrensrüge (hier: Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes -- § 76 Abs. 1 S. 1 FGO --) ist unsubstantiiert, wenn der Beschwerdeführer nicht darlegt, ob und inwieweit die nach seiner Auffassung gebotene, aber vom FG unterlassene Aufklärungsmaßnahme -- unter Zugrundelegung der sachlich-rechtlichen Auffassung des FG -- zu einer anderen Entscheidung durch das FG hätte führen können.

4. Vermeintlich unrichtige tatsächliche Feststellungen durch das FG muß der Beschwerdeführer grundsätzlich im Wege des Antrages auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 Abs. 1 FGO innerhalb der dort vorgesehenen Zweiwochenfrist rügen.

 

Normenkette

AO 1977 § 176 Abs. 1 Nr. 3; FGO §§ 108, 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3, § 126 Abs. 5

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. Zur grundsätzlichen Bedeutung

a) Grundsätzliche Bedeutung haben nur solche Rechtsfragen, deren Klärung für die Fortbildung und die einheitliche Anwendung des Rechts wesentlich ist. Es muß sich um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage handeln (vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 8, m. w. N.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u. a. dann, wenn sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt (vgl. z. B. Beschlüsse des Bundes finanzhofs -- BFH -- vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196, und vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924) oder offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat (BFH-Beschluß vom 15. Dezember 1989 VI B 78/88, BFHE 159, 196, BStBl II 1990, 344).

Die grundsätzliche Bedeutung ist darzulegen. Dies erfordert ein substantiiertes Eingehen auf die für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage, d. h. es muß konkret begründet werden, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Anm. 7 a, m. w. N.).

b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht gerecht. Soweit es die Kläger offenbar für grundsätzlich bedeutsam halten, ob das FG durch die Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. z. B. Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1989, 559), wonach eine für den Steuerpflichtigen nachteilige fehlerbeseitigende Artfortschreibung einer "Erhöhung des Einheitswerts" i. S. von § 22 Abs. 4 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) gleichzusetzen sei, gegen den "Grundsatz des Vertrauensschutzes des § 176 AO" verstoßen habe, hätten sie -- was nicht erfolgte -- näher darlegen müssen, wieso diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedürfe. Hätten sie sich mit der Klärungsbedürftigkeit dieser Frage befaßt, hätten sie ohne weiteres erkennen können, daß ein Verstoß gegen § 176 der Abgabenordnung (AO 1977) seitens des FG offenkundig nicht vorliegt: Zum einen ist § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 (hier i. V. m. § 22 Abs. 3 Satz 2 BewG) nach seinem eindeutigen Wortlaut nur bei der Änderung der Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes (z. B. des BFH), nicht dagegen bei der hier in Rede stehenden Änderung der Rechtsprechung des FG, anwendbar. Zum anderen konnte das FG dem von den Klägern unter Berufung auf den vermeintlichen Vertrauensschutz gestellten Begehren, seine frühere Rechtsprechung aufrechtzuerhalten, im Streitfall schon deswegen nicht Rechnung tragen, weil es gemäß § 126 Abs. 5 FGO an die vom BFH im ersten Rechtsgang geäußerte Rechtsauffassung, daß die Ansicht des FG von der entsprechenden Anwendung des § 22 Abs. 4 Nr. 2 BewG auf den Fall einer für den Steuerpflichtigen nachteiligen Artfortschreibung unrichtig sei, gebunden war.

2. Divergenz

Bei einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde muß die Divergenzentscheidung des BFH genau (mit Datum und Aktenzeichen oder mit der Fundstelle) bezeichnet werden. Außerdem muß dargelegt werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt (vgl. z. B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 63).

Daran fehlt es im Streitfall, weil die Kläger weder eine bestimmte BFH-Entscheidung genannt haben, von der das FG abgewichen sein soll, noch eine konkrete Rechtsfrage herausgearbeitet haben, hinsichtlich derer eine Divergenz bestehen könnte.

3. Verfahrensfehler

Soweit die Kläger bemängeln, das FG habe den Sachverhalt (" ... die tatsächlichen ... Voraussetzungen einer Artfortschreibung ... ") "nur unvollständig und unrichtig" geprüft, ist die darin zu erblickende Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ebenfalls unschlüssig, weil die Kläger insbesondere nicht -- wie es erforderlich gewesen wäre -- dargelegt haben, ob und in wieweit die unterlassenen Aufklärungsmaßnahmen -- bei Zugrundelegung der sachlich-rechtlichen Auffassung des FG -- zu einer anderen Entscheidung durch das FG hätte führen können (vgl. z. B. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 228).

Entsprechendes gilt auch dann, wenn man das dahingehende Vorbringen der Kläger entsprechend ihrer eigenen rechtlichen Würdigung als Rüge der Verletzung ihres Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --, § 96 Abs. 2 FGO) auffaßt (vgl. Herrmann, a.a.O., Rdnr. 230, unter f).

Auch soweit die Kläger beanstanden, der Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils enthalte unrichtige Feststellungen, liegen darin keine Verfahrensrügen i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Diese vermeintlichen Unrichtigkeiten hätten die Kläger im Wege eines Antrages auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 Abs. 1 FGO innerhalb der dort vorgesehenen Zweiwochenfrist monieren müssen (vgl. z. B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 32; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 115 FGO Rdnr. 67).

4. Die weiteren Ausführungen der Kläger (insbesondere unter IV. ihrer Beschwerdebegründung) richten sich im Stil einer Revisionsbegründung gegen die materiell-rechtliche Auffassung des FG. Sie erfüllen daher nicht die Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 488

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