Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwischenvermietung von Garagen

 

Leitsatz (NV)

Die Einschaltung von Zwischenmietern in Mietverhältnisse über Garagen, die Zubehörräume für Wohnungen sind, erfüllt den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i. S. von § 42 Satz 1 AO 1977, wenn dafür - abgesehen von dem Ziel der Vorsteuererstattung - wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen.

 

Normenkette

AO 1977 § 42 S. 1; UStG 1980 § 4 Nr. 12a, § 9 Abs. 1, § 15 Abs. 1, 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) errichtet, verwaltet und bewirtschaftet Immobilienanlagen. Sie stellte von 1982 bis 1984 ein Mietwohnhaus mit 47 Wohnungen und 12 Tiefgaragenplätzen unter Inanspruchnahme von Aufwendungsdarlehen und Aufwendungsbeihilfen im sozialen Wohnungsbau her. Die Höhe dieser öffentlichen Mittel wurde u. a. auf Grund der Herstellungskosten des Gebäudes einschließlich der Tiefgarage berechnet. Die Antragstellerin hatte die Kosten für die Tiefgarage als Teil der Herstellungskosten des Gebäudes in der Wirtschaftlichkeitsberechnung ausgewiesen. Das für die Wohnungen eingeräumte Besetzungsrecht übte das Landesamt für Wohnungswesen für 25 Wohnungen aus. Weitere neun Wohnungen sind für Schwerbehinderte und alte Menschen bestimmt. Die 12 Garagenplätze vermietete die Antragstellerin durch Vertrag vom 28. September 1984 für jeweils 40 DM zuzüglich Umsatzsteuer an die Hausverwalterin X. Diese konnte nach den Angaben der Antragstellerin nur sechs Garagenplätze, davon zwei an Wohnungsmieter vermieten.

Die Antragstellerin begehrte nach entsprechenden Optionen den Abzug der anteiligen auf die Herstellung der Garagenplätze entfallenden Vorsteuerbeträge. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) ließ den Vorsteuerabzug in den angefochtenen Änderungsbescheiden über Umsatzsteuer für 1982 bis 1984 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der die Zwischenvermietung von Sozialwohnungen einschließlich Garagen umsatzsteuerrechtlich als Geschäftsbesorgung zu beurteilen sei (BFH-Urteil vom 22. Dezember 1983 V R 35/73, BFHE 140, 379, BStBl II 1984, 400), nicht zu. Über die Einsprüche der Antragstellerin ist noch nicht entschieden worden. Nachdem das FA auch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide 1982 bis 1984 abgelehnt hatte, beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 5. Dezember 1986 beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung. Das FG setzte die Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide 1982 bis 1984 vom 13. Juni 1986 und 14. Juli 1986 aus, weil ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit vorhanden seien, denn die für die Beurteilung durch den BFH maßgebliche persönliche Verpflichtung, Sozialwohnungen nur an wohnberechtigte Personen zu überlassen, bestehe für die Garagen nicht.

Dagegen wendet das FA mit der Beschwerde ein, der BFH sei von einer Bindung des Verfügungsberechtigten auch bei einer Garagenvermietung ausgegangen, weil er die Zwischenvermietung von Sozialwohnungen und Garagenplätzen in gleicher Weise beurteilt habe. Es sei nach dem Gedanken der Sachnähe und Sachgesamtheit ungerechtfertigt, den Verfügungsberechtigten von den Bindungen des Wohnungsbindungsgesetzes auszunehmen. Die Garagenplätze seien in vollem Umfang in das System der öffentlichen Förderung einbezogen worden, weil die dafür erzielbare Miete die Höhe der für die Sozialwohnungen genehmigten Kostenmiete beeinflusse. Diesem Vorteil entspreche die Verpflichtung, die geförderten Objekte einschließlich der Garagenplätze nur berechtigten Personen zu überlassen. Die nach § 27 der Neubaumietenverordnung bestehende Regelung, für die Überlassung einer Garage oder eines Stellplatzes eine angemessene Vergütung verlangen zu können, sei eine höchstpersönlich zu erfüllende Verpflichtung, die die Einschaltung eines Zwischenmieters ausschließe.

Das FA beantragt, den Beschluß des FG Berlin vom 13. März 1987 VII 467/83 aufzuheben und den Aussetzungsantrag abzulehnen.

Die Antragstellerin tritt der Beschwerde unter Hinweis auf die Gründe in der Vorentscheidung entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung des Antrags, die Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1982 bis 1984 auszusetzen.

Entgegen der Auffassung des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) daran, daß die Antragstellerin die anläßlich der Errichtung der Tiefgaragenplätze angefallene Umsatzsteuer nicht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG 1980) als Vorsteuer abziehen kann. Dem Begehren der Antragstellerin steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung der Tiefgaragenplätze durch eine den Vorsteuerabzug ausschließende steuerfreie Vermietung erfolgt ist bzw. erfolgen sollte (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980). Die im Verfahren nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO erforderliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Rechts- und Tatfragen ergibt keine ernstlichen Zweifel, daß die Vermietung der Tiefgaragenplätze umsatzsteuerrechtlich ebenso zu behandeln ist, wie die Vermietung der Sozialwohnungen. Selbst wenn man nicht auf die dazu ergangenen Auslegungsgrundsätze abstellte (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 V R 167/81, BFHE 148, 551, BStBl II 1987, 313), ergibt sich dasselbe Ergebnis daraus, daß die Einschaltung der Hausverwalterin als Zwischenmieter rechtsmißbräuchlich i. S. von § 42 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) war, so daß nicht die Vermietung an die Hausverwalterin, sondern an die Garagenplatzmieter für die steuerliche Beurteilung der Vermietungsumsätze der Antragstellerin maßgebend ist.

1. Zu den nach dem II. Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen gehören auch Garagenplätze, wenn sie sich auf demselben Grundstück wie die Wohnungen befinden (wirtschaftliche Einheit) und für die Unterbringung von Personenkraftfahrzeugen der Wohnungsbenutzer bestimmt sind (vgl. auch Abschn. 6 Abs. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Anerkennung steuerbegünstigter Wohnungen und über die Grundsteuervergünstigung nach dem II. Wohnungsbaugesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. August 1983, Beilage 43/83 zum Bundesanzeiger 1983 Nr. 168). Die Antragstellerin hat die Herstellungskosten der Tiefgaragenplätze in die Berechnungsgrundlagen zur Förderung der Wohnungen i. S. des II. WoBauG einbezogen. Sie hat die Tiefgaragenplätze damit in der Wirtschaftlichkeitsberechnung als Zubehörräume (§ 42 Abs. 4 Nr. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung - II. BVO -) zu den Sozialwohnungen ausgewiesen. Daran ändert sich nichts, wenn die Mieter der Sozialwohnungen die Garagenplätze nicht vollständig beansprucht haben und wenn Garagenplätze auch an andere Benutzer vermietet worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juni 1967 II 16/64, BFHE 90, 75, BStBl III 1967, 765 zu Garagen für grundsteuerbegünstigte Wohnungen), denn die Garagen haben dadurch noch nicht ihre Zweckbestimmung verloren, der Unterbringung von Personenwagen der Wohnungsmieter zu dienen (vgl. auch BFH-Urteil vom 30. November 1984 III R 121/83, BFHE 143, 472, BStBl II 1985, 451). Anders wäre es erst, wenn die Garagenplätze einer anderen Zweckbestimmung zugeführt worden wären. Dafür liegen aber keine Anhaltspunkte vor. Nach den Ausführungen der Antragstellerin in der Antragsschrift vom 5. Dezember 1986 (S. 6) sind den Wohnungsmietern von der Hausverwalterin Garagenplätze zur Miete angeboten worden. Als Zubehörräume von Wohnungen (vgl. den für bewegliche Sachen geltenden, nur sinngemäß heranzuziehenden § 97 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) haben die Garagenplätze keine eigene rechtliche Eigenschaft. Sie teilen regelmäßig das Schicksal der Räume, zu denen sie gehören (vgl. Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Wohnungsbaurecht, § 42 II. BVO Anm. 9). In diesem Sinn hat der Senat die Garagenvermietung in den vom FA angeführten Entscheidungen (BFH-Urteile in BFHE 140, 379, BStBl II 1984, 400; vom 22. Dezember 1983 V R 173/75, BFHE 140, 387, BStBl II 1984, 404) beurteilt. Ebenso wie die Sozialwohnungen werden die dazugehörenden Garagenplätze nur im Rahmen einer Geschäftsbesorgung von der Mittelsperson - hier der Hausverwalterin - weitervermietet.

2. Das FG bejahte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide allein im Hinblick auf die oben (unter 1.) behandelte Rechtsfrage, ohne die - bei seiner Auffassung sich anschließende - Frage hinreichend zu prüfen, ob die Einschaltung der Hausverwalterin als Zwischenmieterin einen Mißbrauch von Gestaltungen des Rechts i. S. von § 42 Satz 1 AO 1977 darstellt.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt BFH-Beschlüsse vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756; vom 29. Oktober 1987 V B 109/86, BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96) erfüllt die Einschaltung von sog. Zwischenmietern, d. h. von Personen, die das Mietverhältnis nur eingehen, um die gemieteten Wohnräume an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i. S. des § 42 Satz 1 AO 1977, wenn für die Einschaltung - abgesehen von dem Ziel der Vorsteuererstattung - wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen. Diese Beurteilung hängt nicht von einer bestimmten Zahl von vermieteten Wohnräumen ab. Sie gilt auch für Garagen, die Zubehörräume für Wohnungen sind.

Die Gestaltung der Vermietungsverhältnisse durch die Antragstellerin ist schon insoweit ungewöhnlich, als sie die Wohnungen selbst an die ,,Endmieter" vermietet und sich dabei derselben Hausverwaltung (als solcher) bedient, die sie bezüglich der Tiefgarage als Zwischenmieter einsetzt. Dabei werden die Garagenplätze - jedenfalls soweit Bedarf besteht - den Mietern der Wohnungen vermietet.

Auf der Grundlage des vom Beschwerdegericht im summarischen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung zu berücksichtigenden Tatsachenstoffs (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 22. November 1968 VII B 165/67, BFHE 94, 472 unter 5.) sind keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe für eine Angemessenheit der Zwischenvermietung der Garagenplätze an die Hausverwalterin erkennbar:

Die Zwischenvermietung erfolgt, obwohl die geschäftsführenden Gesellschafter der Antragstellerin nach ihrem Schriftsatz im finanzgerichtlichen Verfahren vom 2. März 1987 (S. 4) über Erfahrungen bei der Vermietung von Garagenstellplätzen in Gebäuden mit Sozialwohnungen verfügen. Die Ansicht der Antragstellerin, daß der Gesetzgeber eine Zwischenvermietung in dieser Form bis Ende 1984 toleriert habe, trifft nicht zu (BFH-Urteil vom 17. Mai 1984 V R 118/82, BFHE 141, 339, BStBl II 1984, 678 unter II 4). Der Hinweis auf die Abwälzung eines grundsätzlich bestehenden Mietausfallrisikos reicht ebenfalls nicht aus, weil die Antragstellerin mit geeigneten, im summarischen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung zugelassenen Beweismitteln nicht dargetan hat, daß sie ernsthaft mit einem Mietausfallrisiko hat rechnen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 112/76, BFHE 140, 375, BStBl II 1984, 398 zu 3.). Hinzu kommt, daß die Antragstellerin nach den Feststellungen des FG bei der Zwischenvermietung schon auf ein Drittel der zulässigen Miete verzichtet hat, so daß schon deshalb eine Abwälzung des wirtschaftlichen Risikos - dessen Bemessung ohnehin hier nur durch grobe Schätzung erfolgen kann - fragwürdig ist.

3. Somit ist davon auszugehen, daß die Antragstellerin die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Steuerfreiheit (§ 9 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980) der Mietumsätze (§ 4 Nr. 12 a UStG 1980) über Tiefgaragenplätze nicht erfüllt. Dies gilt nicht nur für die bereits vermieteten, sondern auch für die noch nicht vermieteten Stellflächen. Für den Vorsteuerabzug ist im Besteuerungszeitraum, in den die Vorsteuern für bezogene Lieferungen oder sonstige Leistungen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 2 UStG 1980 fallen, insoweit die mit den objektiven Gegebenheiten übereinstimmende Absicht maßgebend (BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 V R 1/79, BFHE 149, 307, BStBl II 1987, 521), die Garagenplätze mit Hilfe der Hausverwalterin an private Kraftfahrzeughalter zu vermieten.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 396

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