Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anteilsbewertung

 

Leitsatz (NV)

Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache reicht die Behauptung nicht aus, in der Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren unter Berücksichtigung des Ertragswerts liege ein enteignungsgleicher Eingriff, der gegen Art. 3 und 14 GG verstoße.

Die Frage einer verfassungsrechtlich unzulässigen Vermögensbesteuerung kann nicht im Verfahren zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, sondern nur im Folgeverfahren bei der Vermögensteuerveranlagung gerügt werden.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2-3; BewG § 11; GG Art. 3, 14

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die durch Vertrag vom ... 1994 gegründet wurde. Sie betreibt die Beratung von ... Alleiniger Gesellschafter ist der Beigeladene und Beschwerdeführer (Beigeladener), der zugleich als Geschäftsführer bestellt ist. Die Klägerin führt eine Tätigkeit fort, die der Beigeladene vor Gründung der GmbH im Rahmen einer Unternehmensberater GbR erbracht hat.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) stellte im Stuttgarter Verfahren den gemeinen Wert je 100 DM/Anteil an der Klägerin zum Stichtag 31. Dezember 1985 mit ... DM, zum 31. Dezember 1986 mit ... DM, zum 31. Dezember 1987 mit ... DM und zum 31. Dezember 1988 mit ... DM fest. Das FA hat bei dieser Bewertung keinen Abschlag vom Jahresertrag nach Abschn. 78 Abs. 2 der Vermögensteuer- Richtlinien (VStR) 1983/1986 gewährt.

Mit der dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin im wesentlichen geltend, daß bei der Anteilsbewertung kein Ertragswert berücksichtigt werden könne, da der gesamte Geschäftserfolg untrennbar mit der Person des Gesellschafter-Geschäftsführers verbunden sei.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat unter Hinweis auf § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) und die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Auffassung, daß es dem geltenden Recht widerspreche, bei der Anteilsbewertung nur einen Vermögenswert anzusetzen und den Ertragshundertsatz außer Ansatz zu lassen. Hänge der Betrieb wesentlich von den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten des Gesellschafters ab und habe das Betriebskapital eine nachrangige Bedeutung, reiche der in Abschn. 78 Abs. 2 VStR vorgesehene Abschlag aus, um die Situation des personenbezogenen Erfolgs der Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen. Im Streitfall stehe der Gewährung eines Abschlags nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR der Umstand entgegen, daß die Arbeitsleistung des Alleingesellschafter-Geschäftsführers nach dem eigenen Vortrag der Klägerin angemessen vergütet worden sei. Soweit die Klägerin geltend mache, es handle sich bei ihr um eine Neugründung mit der Folge der Bewertung nach Abschn. 89 Abs. 1 VStR, stehe dem entgegen, daß die Klägerin lediglich in anderer Rechtsform eine bisher schon ausgeübte Tätigkeit fortführe.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Divergenz geltend macht.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

1. Grundsätzliche Bedeutung

Wird als Grund für die Zulassung der Revision grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemacht, so muß in der Beschwerdeschrift gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt nicht. Einer Rechtssache ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muß es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Senatsbeschluß vom 31. August 1994 II B 68/94, BFH/NV 1995, 240, m. w. N.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß schlüssig dargelegt werden.

Diesen Anforderungen entsprechen die Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht. Insbesondere genügt der Hinweis der Beschwerdeführer nicht, "Literatur und Rechtsprechung (hätten) sich -- soweit ersichtlich -- mit einem Fall wie dem vorliegenden auch noch nicht befaßt". Dies reicht nicht aus, um das Interesse der Allgemeinheit an einer höchstrichterlichen Entscheidung des Streitfalls schlüssig zu belegen (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, S. 70).

Auch soweit die Beschwerdeführer geltend machen, daß "die Frage, ob der Anteilswert i. S. von § 11 BewG ohne Ertragswert oder mit einem 100 %igen Bewertungsabschlag beim Ertragswert ermittelt werden muß, wenn der Ertrag ausschließlich von den nichtübertragbaren Fähigkeiten der Person des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängt und weitere ertragswertbildende Faktoren nicht vorhanden sind", sowohl rechtssystematische als auch rechtsfortbildende Bedeutung habe, wird nicht schlüssig dargelegt, inwieweit diese Frage klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen diese Rechtsfrage umstritten ist. Die Beschwerdeführer zitieren zwar das Senatsurteil vom 18. August 1993 II R 102/90 (BFHE 172, 219, BStBl II 1994, 9), ohne sich jedoch näher mit dieser Entscheidung auseinanderzusetzen oder darzulegen, warum trotz dieser Entscheidung noch Klärungsbedarf bestehen soll. Nachdem die Vorinstanz ihre Entscheidung, einen Abschlag bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes (vgl. Abschn. 78 Abs. 2 VStR) zu versagen, ausdrücklich damit begründet hat, daß die Arbeitsleistung des Beigeladenen in angemessener Weise vergütet worden sei, hätte es insbesondere auch der Darlegung bedurft, warum dennoch die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Nichtberücksichtigung des Ertragswerts anläßlich des Streitfalls als Frage von allgemeiner Bedeutung im Rechtsstreit geklärt werden kann.

Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache reicht auch die Behauptung nicht aus, in der Anteilsbewertung unter Berücksichtigung des Ertragswerts liege ein enteignungsgleicher Eingriff, der gegen Art. 3 und 14 des Grundgesetzes (GG) verstoße, weil "die Erfassung des Ertragswertes des Gesellschafter-Geschäftsführers bei der Beschwerdeführerin im Endergebnis eine Sondersteuer für deren Gesellschafter-Geschäftsführer würde". Zum einen geht es nicht um die steuerliche Erfassung einer persönlichen Eigenschaft oder -- wie die Beschwerdeführer geltend machen -- eines "Persönlichkeitswerts" des Gesellschafter-Geschäftsführers, sondern allein um die Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft selbst; zum anderen könnte die Frage einer verfassungsrechtlich unzulässigen Vermögensbesteuerung nicht im Verfahren zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, sondern nur im Folgeverfahren bei der Vermögensteuerveranlagung gerügt werden. Letztlich enthalten die Ausführungen der Beschwerdeführer lediglich die Behauptung der Verfassungswidrigkeit; eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der dazu ergangenen Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung, aus der sich ein Verstoß gegen Art. 3 und Art. 14 GG schlüssig ergibt, kann den Darlegungen dagegen nicht entnommen werden (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Dezember 1996 II B 82/96, BFH/NV 1997, 254).

2. Divergenz

Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützt, so muß die Entscheidung des BFH, von der nach der Behauptung des Beschwerdeführers das Urteil des FG abweicht, "bezeichnet" werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierzu muß aus der angefochtenen Entscheidung des FG ein abstrakter Rechtssatz herausgestellt werden, der zu einem abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des BFH im Widerspruch steht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 9. Juni 1988 IV B 135/87, BFH/NV 1989, 700, und vom 31. August 1994 II B 58/94, BFH/NV 1995, 240).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht. Die Beschwerdeführer zitieren zwar das Senatsurteil in BFHE 172, 219, BStBl II 1994, 9, wonach der BFH -- was dem Urteil allerdings nicht entnommen werden kann -- den Ertragswert dann aus der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren herausnehmen will, wenn ... die Erträge ausschließlich und unmittelbar von der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängen. Die Beschwerdeführer stellen jedoch diesem behaupteten Rechtssatz keinen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz in dem angegriffenen Urteil gegenüber, der zu der Entscheidung des BFH im Widerspruch stünde.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 823

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