Entscheidungsstichwort (Thema)

Wesentlicher Begründungsmangel; Betriebsaufgabe

 

Leitsatz (NV)

Ein wesentlicher Begründungsmangel liegt nicht vor, wenn aus dem Urteil erkennbar ist, welche Überlegungen für das FG maßgeblich waren. Das ist der Fall, wenn das FG im einzelnen begründet, warum eine parzellenweise Verpachtung unter Zurückbehaltung der Hofstelle nicht als Betriebsaufgabe anzusehen ist und diesbezügliche Verwaltungsanweisungen im Streitfall nicht anzuwenden sind.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5; EStG § 14

 

Gründe

Die Revision ist unzulässig (§ 124 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --); sie ist durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).

1. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH EntlG) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das Finanzgericht (FG) oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Ohne vorherige Zulassung durch das FG oder den BFH ist die Revision daher nur zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i. S. von § 116 Abs. 1 FGO gerügt werden. Ein solcher Verfahrensmangel ist nur dann schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Mängel ergeben (Senatsbeschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568).

Danach ist die Revision des Klägers nicht statthaft. Sein Vortrag ergibt nicht schlüssig, daß das angegriffene Urteil i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht mit Gründen versehen ist. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen liegt nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das ist insbesondere der Fall, wenn jegliche Begründung fehlt und wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt, oder wenn nicht ersichtlich ist, auf welche rechtliche Überlegung sich die Entscheidung stützt (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1993 IV R 4/92, BFH/NV 1994, 42, sowie zu § 119 Nr. 6 FGO BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417). Die Entscheidungsgründe fehlen auch dann, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (BFH-Beschluß vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638), ferner wenn die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen (BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1993 VII R 29/93, BFH/NV 1994, 564). Dabei muß es sich um einen eigenständigen Klagegrund oder solche Verteidigungsmittel handeln, die den gesamten Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bilden; dagegen liegt ein wesentlicher Begründungsmangel nicht vor, wenn der angebliche Mangel nur ein einzelnes Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm berührt. Auch liegt ein Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht schon dann vor, wenn sich das Gericht nicht ausdrücklich zu einer bestimmten Frage äußert, aber erkennbar ist, welche Überlegungen für seine Entscheidung maßgeblich waren (Senatsurteil in BFH/NV 1994, 42 m. w. N.). Zudem muß das selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel vor dem FG geltend gemacht worden sein; denn eine zulassungsfreie Revision kann auch nicht dadurch erreicht werden, daß mit einer in die Form einer Verfahrensrüge gekleideten sach lichen Rüge die Würdigung des Sachverhalts durch das FG angegriffen wird (Senatsurteil in BFH/NV 1994, 42).

Im Streitfall hat das FG ausführlich begründet (S. 9 ff. des Urteils), warum nach seiner Auffassung die parzellenweise Verpachtung der Ackenflächen und die Zurückbehaltung der Hofstelle durch den Onkel des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) nicht als Betriebsaufgabe zu behandeln sei. Im Anschluß daran hat es weiter dargelegt, daß sich der Kläger nicht auf den koordinierten Erlaß der Obersten Finanzbehörden vom 28. Dezember 1964 (BStBl II 1965, 5) sowie den Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers vom 17. Dezember 1965 (BStBl II 1966, 34) i. V. m. dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 29. Februar 1972 (BStBl I 1972, 102) berufen könne, weil diese Verwaltungsanweisungen die Gerichte nicht binden. Im übrigen hat es dargelegt, daß die Voraussetzungen der zitierten Erlasse auch nicht gegeben seien. Damit ist klar erkennbar, von welchen Überlegungen das FG ausgegangen ist. Dagegen stellt die Rüge des Klägers, das FG habe das sachliche Recht falsch angewandt, insbesondere das Senatsurteil vom 15. Oktober 1983 IV R 66/86 (BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260) falsch interpretiert, keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar (BFH-Beschluß vom 2. Juli 1986 IX R 166/85, BFH/NV 1987, 38).

Ein Verfahrensmangel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ist auch nicht darin zu sehen, daß das FG im Hinblick auf das vom Kläger angeführte BMF-Schreiben in BStBl I 1972, 102, nicht besonders auf § 176 der Abgabenordnung (AO 1977) eingegangen ist. Zum einen hatte der Kläger sich im Klageverfahren nicht auf § 176 Abs. 2 AO 1977 berufen. Zum anderen hat das FG im einzelnen begründet (S. 13 f. des Urteils), daß die Verwaltungsauffassung bereits durch das BMF-Schreiben vom 4. Juli 1984 (Steuererlasse in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 14 Nr. 29), also vor Erlaß der ursprünglichen Steuerbescheide dahingehend modifiziert worden sei, eine Betriebsaufgabe sei nicht anzunehmen, wenn der Landwirt erklärt, er wolle den Betrieb fortführen und die spätere Fortführung objektiv möglich sei. Es hat dann festgestellt, daß der Kläger am 23. November 1984 für die Erblasserin ausdrücklich die Fortführung des Betriebes erklärt habe. Auch insoweit war für den Kläger damit erkennbar, von welchen Überlegungen das FG in diesem Punkt ausgegangen war. Ob diese sachlich richtig sind, ist -- wie gesagt -- unerheblich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420223

BFH/NV 1995, 240

BFH/NV 1995, 241

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