Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgelt bei Teilnahme an sog. Pyramidenspiel mit Computer-Gewinn-System

 

Leitsatz (NV)

Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Bemessungsgrundlage bei Teilnahme an Gewinnspielen sind grundsätzlich geklärt. Nach dem BFH-Urteil vom 20. Januar 1997 V R 20/95 (BFHE 182, 409) ist es unerheblich, ob der Unternehmer durch Gesetz oder Vertrag verpflichtet wird, einen Teil der von den Empfängern seiner Dienstleistung aufgewendeten Einnahmen diesen wieder zuzuwenden. Eine erneute Vorlage an den EuGH ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

UStG 1991 § 10 Abs. 1 S. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) -- eine GmbH -- verwaltete nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) mittels eines von ihr entwickelten Computerprogramms ein als sog. Pyramidenspiel ausgestaltetes Systemgewinnspiel. In den "verbindlichen Systemregeln für die Teilnahme an dem Computer-Gewinn-System ... ", die jeder Teilnehmer erhielt und durch Unterschrift anerkannte, war geregelt, daß rechtsgeschäftliche Beziehungen innerhalb des Computergewinnsystems nur unter den Teilnehmern und nicht mit der Rechenzentrale entstehen sollten. Bezüglich der Vereinnahmung des an die Teilnehmer auszuzahlenden Gewinngeldes (sog. Systemgelder) sollte die Rechenzentrale im Namen und für Rechnung der Teilnehmer auftreten. Das Spiel beruhte darauf, daß sich die Teilnehmer durch die Zahlung ihrer Teilnehmergebühren einen Platz auf der sog. Startliste, die aus fünf Positionen bestand, erkauften. Durch den Eintritt eines neuen Teilnehmers erzielte der an oberster Stelle der Startliste stehende Mitspieler einen Gewinn und rückte gleichzeitig in die unterste Position der nächsthöheren Ebene auf. Insgesamt gab es sechs Ebenen (Automatik-Teams), deren feststehende Spieleinsätze und Gewinne sich mit jeder Ebene erhöhten. Jedes Automatik-Team bestand aus drei bis sieben Mitspielern. Waren alle sieben Systempositionen eines Automatik- Teams belegt, wurde der an oberster Stelle stehende Mitspieler ausbezahlt und rückte in die nächste Ebene auf. Jedes Automatik- Team wurde nach jedem Gewinn geteilt. Jeder Mitspieler konnte sich, nach erfolgter Teilnahme an der Startliste, in jedes beliebige Automatik-Team in jeder Ebene einkaufen. Von jedem Gewinn und von jedem Direkteinkauf jedes Mitspielers kassierte die Klägerin eine Bearbeitungsgebühr. Das Spiel sollte enden, wenn dem System innerhalb von zwei Monaten nach dem letzten Neuzugang kein weiterer Teilnehmer zugeführt wurde. Die eingezahlten Systemgelder sollten in diesem Fall den jeweils an oberster Stelle stehenden Mitspielern ausgezahlt werden. Wünschte ein Teilnehmer eine Übersicht seiner augenblicklichen Systemposition, konnte er diese gegen Gebühr bei der Klägerin anfordern. Jeder Mitspieler hatte das Recht, durch Werbung neuer Mitspieler seinen Aufstieg innerhalb der Ebenen zu beschleunigen. Die Klägerin setzte außerdem sog. Info-Leiter ein, die gegen Entgelt Veranstaltungen zwecks Werbung neuer Mitspieler abhielten.

In ihren Umsatzsteuer-Anmeldungen behandelte die Klägerin nur die von ihr vereinnahmten Bearbeitungsgebühren als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze.

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung beurteilte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) sämtliche von der Klägerin vereinnahmten Geldbeträge (Bearbeitungsgebühren, Gebühren für die Aufnahme in die Startliste, sog. Systemgelder bei Direkteinkauf in ein Automatik- Team) als Entgelt für die Leistungen der Klägerin (Betreuung, Organisation und Abwicklung des Systemspiels). Das FA änderte entsprechend zunächst die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für 12/1992. Während des Klageverfahrens nach erfolglosem Einspruch erging der Umsatzsteuer- Jahresbescheid 1992, den die Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens machte.

Das FG gab der Klage statt. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 247 veröffentlicht. Das FG vertrat im wesentlichen die Auffassung, die vereinnahmten Systemgelder seien im Gegensatz zu den Bearbeitungsgebühren keine Entgelte i.S. von §10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1991). Das FG bezog sich auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 5. Mai 1994 Rs. C-38/93 (Glawe, BStBl II 1994, 548) und auf die Urteile des Senats vom 20. Januar 1997 V R 20/95 (BFHE 182, 409) und vom 30. Januar 1997 V R 27/95 (BFHE 182, 416). Nach dieser Rechtsprechung sei es unerheblich, ob der an die Spieler wieder auszuzahlende Teil der vereinnahmten Gelder sich aus mechanischer Einstellung von Spielgeräten, aus gesetzlichen Vorschriften, mathematischen Gesetzmäßigkeiten oder vertraglichen Verpflichtungen ergebe. Maßgebend sei lediglich, daß der Unternehmer aufgrund von vornherein feststehender Umstände über bestimmte Teile des an ihn gezahlten "Entgelts" nicht verfügen könne oder dürfe. Nur der Teil, über den der Unternehmer effektiv selbst verfügen könne und dürfe, sei Entgelt i.S. von §10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1991. Selbst wenn man, wie das FA, die Klägerin und nicht die Spieler selbst als Veranstalter ansähe, sei im Streitfall nach den Systemregeln von vornherein eindeutig festgelegt, welcher Teil der eingezahlten Einsätze als Gewinn wieder ausgeschüttet werden müsse. Hierbei sei unerheblich, ob die wieder auszuschüttenden Systemgelder auf einem gesonderten Konto verwaltet worden seien oder ob -- wie das FA behaupte -- von diesem Konto auch Betriebsausgaben (Aufwandsentschädigung für die Info-Leiter) geleistet worden seien. Für die Entgeltsbestimmung komme es auf die Höhe der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung der Klägerin an. Das FA habe im Streitfall nicht behauptet, daß die Spieler im Streitjahr weniger Gewinnausschüttungen erhalten hätten, als ihnen nach den Systemregeln zugestanden hätten. Anhaltspunkte dafür seien auch nicht ersichtlich.

Das FA beantragt mit der Beschwerde Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung). Es trägt dazu vor, daß seiner Ansicht nach im Streitfall das Gesamtentgelt als Gegenleistung für die Leistung der Klägerin der Besteuerung unterliege. Die Klägerin sei als Veranstalter des Spiels anzusehen, nicht die Gemeinschaft der beteiligten Spieler. Die Leistung des Veranstalters bestehe in der Durchführung eines durch eine zentrale Verwaltung überwachten Spielsystems und der Einräumung einer Chance, im Rahmen des Spielsystems eine Gewinnauszahlung zu erhalten. Die Klägerin vereinnahme und verausgabe tatsächlich die Spieleinsätze in eigenem Namen und für eigene Rechnung. Sie verliere zu keiner Zeit die Hoheit über den Ablauf und die Gestaltung des Spiels. Anders als bei den zu Umsätzen mit Geldspielautomaten ergangenen Urteilen könne die Klägerin im Streitfall grundsätzlich in freiem Ermessen über die Verwendung des Startgeldes bestimmen, weil es an einer gesetzlichen Regelung der Gewinnausschüttung mangele.

Die Frage nach der Bemessungsgrundlage in den Fällen der Durchführung von Systemspielen mit Gewinnmöglichkeit sei deshalb klärungsbedürftig. Das EuGH-Urteil in BStBl II 1994, 548 zu Geldspielautomaten habe einen anderen Sachverhalt betroffen. Das FA verweist auf den beim EuGH noch anhängigen Fall Rs. C-283/95 zur Frage der steuerbaren Umsätze bei Roulette-Spielen.

Die Klägerin tritt der Beschwerde entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der vom FA geltend gemachte Klärungsbedarf hinsichtlich der Bemessungsgrundlage bei Durchführung von Systemspielen mit Gewinnmöglichkeit ist im Streitfall nicht gegeben. Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Bemessungsgrundlage von Gewinnspielen sind geklärt. Eine im beabsichtigten Revisionsverfahren zu entscheidende Frage stellt sich für das FA nur deshalb, weil es abweichend von der Würdigung des FG die von der Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung verneint, daß nach den Systemregeln des Spiels von vornherein eindeutig festgelegt sei, welcher Teil der eingezahlten Einsätze als Gewinn wieder ausgeschüttet werden müsse. Der Senat hat in dem vom FG berücksichtigten Urteil in BFHE 182, 409 bereits dargelegt, daß es unerheblich ist, ob der Unternehmer durch Gesetz oder durch Vertrag verpflichtet wird, einen Teil der von den Empfängern seiner Dienstleistungen aufgewendeten Einnahmen diesen wieder zuzuwenden. Ebenso führte der Senat aus, daß zu diesen Fragen eine erneute Vorlage an den EuGH nicht erforderlich sei. Gegen die Feststellung des FG und dessen Würdigung, daß der auszuschüttende Gewinnanteil von vornherein zwingend feststehe, hat das FA auch keine Verfahrensrügen geltend gemacht. Der Umstand, daß das FA die Durchführung des Systemspiels anders beurteilt als das FG, rechtfertigt jedenfalls keine Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln.

Die Entscheidung ergeht im übrigen ohne weitere Wiedergabe der Gründe gemäß Art. 1 Abs. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67618

BFH/NV 1998, 1274

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