Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung bei Nachholung der versäumten Rechtshandlung; hier: Revisionsbegründung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Revisionsbegründung ist nur dann i. S. des § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO nachgeholt, wenn der betreffende Schriftsatz den Begründungsanforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO genügt.

2. Ein Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist vermag die Nachholung der Begründung selbst nicht zu ersetzen.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1-2, § 120 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit Urteil vom 3. August 1988 als unbegründet ab; es ließ jedoch - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache - die Revision gegen seine Entscheidung zu.

Die Klägerin legte gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 7. Oktober 1988 zugestellte Urteil am 3. November 1988 Revision ein, begründete das Rechtsmittel zunächst aber nicht. Der Vorsitzende des erkennenden Senats machte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Dezember 1988, ihrem Prozeßbevollmächtigten zugestellt am 19. Dezember 1988, auf diesen Mangel aufmerksam. Daraufhin beantragte der Prozeßbevollmächtigte mit Schreiben vom 19. Dezember 1988 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er führte dazu im wesentlichen aus, daß die Führung des Fristenkontrollbuches und die Überwachung der Fristen in seiner Kanzlei einem dafür besonders qualifizierten Mitarbeiter obliege. Weshalb dieser im Streitfall die Revisionsbegründungsfrist übersehen habe, könne er, der Mitarbeiter, selbst nicht erklären. Es liege daher ein (unschädliches) Büroversehen vor.

Im selben Schreiben (vom 19. Dezember 1988) trug der Prozeßbevollmächtigte auch vor, daß er sich zur Begründung der Revision insbesondere auf seinen Schriftsatz vom 4. Februar 1988 an das FG berufe. Außerdem beantragte er noch, ihm zur ,,weiteren" Begründung der Revision eine Frist bis zum 31. Januar 1989 einzuräumen. Die ,,ergänzende" Revisionsbegründung ging dann am 19. Januar 1989 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht zulässig.

Die Klägerin hat das Rechtsmittel nicht fristgemäß begründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.

1. Die Revisionsbegründungsfrist endete im Streitfall mit Ablauf des 7. Dezember 1988 (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; § 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO - und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Der Antrag auf Verlängerung der Frist ist erst am 19. Dezember 1988 beim BFH eingegangen. Er konnte nicht mehr berücksichtigt werden, weil die Frist für die Revisionsbegründung zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war (§ 120 Abs. 1 Satz 2 FGO).

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) kann der Klägerin schon deswegen nicht gewährt werden, weil sie die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb der Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nachgeholt hat (siehe § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).

a) Die Antragsfrist lief im Streitfall am 2. Januar 1989 ab. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hatte spätestens am 19. Dezember 1988 Kenntnis von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erlangt. Denn an diesem Tag ging nicht nur das Schreiben des Vorsitzenden des erkennenden Senats mit dem Hinweis auf die Fristversäumung ein; es wurde - offensichtlich im Anschluß daran - auch das den Wiedereinsetzungsantrag enthaltende Schreiben gefertigt. Mithin lief die Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO vom 20. Dezember 1988 bis zum 2. Januar 1989 (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).

b) Innerhalb dieser Frist wurde jedoch die versäumte Rechtshandlung nicht nachgeholt (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Der im Antragsschreiben vom 19. Dezember 1988 (außerdem) enthaltene Hinweis auf einen dem FG im Klageverfahren vorgelegten Schriftsatz (vom 4. Februar 1988) erfüllt nicht die Voraussetzungen, die nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung zu stellen sind. Danach müßte aus der Begründungsschrift erkennbar sein, daß die Klägerin anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils ihr bisheriges Vorbringen überprüft hat (siehe hierzu Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Rdnr. 32, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Der bloße Hinweis auf frühere, dem FG übermittelte Ausführungen legt aber im Gegenteil den Schluß nahe, daß eine derartige Prüfung nicht erfolgt ist. Jedenfalls läßt eine solche Äußerung nicht aus sich heraus erkennen, daß das bisherige Vorbringen auch tatsächlich überprüft wurde.

Der Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist, den die Klägerin ebenfalls im Schreiben vom 19. Dezember 1988 gestellt hat, kann schließlich auch nicht als Nachholung der versäumten Rechtshandlung i. S. des § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO angesehen werden. Es ist insoweit die Einreichung der Begründung selbst erforderlich (siehe hierzu näher den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85, BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264).

c) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO ist nicht beantragt worden und kommt auch von Gerichts wegen nicht in Betracht.

3. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen könnte dem Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist aber auch deswegen nicht entsprochen werden, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin seinen diesbezüglichen Vortrag nicht glaubhaft gemacht hat (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Er hat nicht einmal den Namen des für die Fristenüberwachung zuständigen Mitarbeiters genannt, geschweige denn eine Erklärung von diesem selbst zu den maßgebenden Vorgängen vorgelegt.

Nach alledem war die Revision bereits als unzulässig zu verwerfen (§§ 124, 126 Abs. 1 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 302

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