Leitsatz (amtlich)

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob es mit der Gleichheit vor dem Gesetz zu vereinbaren ist, den Empfänger einer baren Abfindung - Pflichtteil, Abfindungs(unter)vermächtnis - mit deren Nennwert zur Erbschaftsteuer heranzuziehen, wenn für den Anfall der Gegenstände, auf deren Wert die Teilabfindung bezogen ist - Erbschaft, Vermächtnis -, Einheitswerte anzusetzen sind.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; ErbStG § 23; BewG a.F. §§ 1, 14 Abs. 1, § 18 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Eltern der Kläger hatten sich in einem gemeinschaftlichen notariellen Testament gegenseitig zu Alleinerben, den Bruder der Kläger zum Erben des Letztlebenden eingesetzt. Der erstverstorbene Vater war Gesellschafter zweier, in einem nicht näher festgestellten Verhältnis verbundener Personengesellschaften; nach Bestimmung des Gesellschaftsvertrags sollte bei Ableben eines Seniorgesellschafters dessen Beteiligung auf den von ihm bestimmten Sohn übergehen. In dem vorerwähnten Testament hatte der Vater der Kläger deren Bruder als Geschäftsnachfolger bezeichnet und diesen verpflichtet, seine Geschwister in Geld abzufinden. Einer dieser Gesellschaften gehörten u. a. Grundstücke.

Nach dem Tode des Vaters der Kläger hat das FA (Beklagter) diese aus den testamentarisch festgesetzten Abfindungsbeträgen zur Erbschaftsteuer herangezogen; die Erwerbe ihrer Mutter und ihres Bruders blieben, da unter die Freibeträge fallend, unbesteuert. Die Einsprüche der Kläger hatten keinen Erfolg. Ihre Klagen sind anhängig.

Die Kläger sind der Ansicht, sie seien Miterben geworden, weil das ganze Vermögen ihres Vaters an sie und ihren Bruder gefallen, die Bezeichnung der Mutter als Alleinerbin also falsch sei; die Einzelanordnungen des Testaments seien Teilungsanordnungen mit der Folge, daß auch ihre Steuer aus dem Nachlaßwert zu berechnen und sie wegen ihrer Freibeträge steuerfrei seien. Das FG hat diese Frage für ernstlich zweifelhaft erachtet und antragsgemäß die Vollziehung der angefochtenen Erbschaftsteuerbescheide ausgesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerden des Beklagten sind im Ergebnis unbegründet.

Nicht gefolgt werden kann allerdings der bürgerlichrechtlichen Beurteilung des FG. Das gemeinschaftliche Testament ist nach Wortlaut und Wortsinn eindeutig ein sog. Berliner Testament im Sinne des § 2269 BGB. Weder die über die Erbeinsetzungen auf den Tod des Erstversterbenden und auf den Tod des Letztversterbenden getroffenen Verfügungen (§§ 2269 Abs. 1, 1942 BGB) und die weiteren in dem Testament getroffenen Anordnungen (§§ 2147 ff., §§ 2270, 332 BGB) noch die Interessenlage der Testierenden erfordern oder ermöglichen eine andere Auslegung (§ 2087 Abs. 2 BGB). Im besonderen würde zugunsten der Abkömmlinge der Kläger auch bei einem Vermächtnis nicht § 2160 BGB (vgl. § 1923 Abs. 1 BGB), sondern § 2069 BGB gelten. Wie § 1922 BGB beweist, ist es mit dem Begriff des Erben vereinbar, daß die Summe der Nachlaßwerte im Ergebnis nicht ihm, sondern einem oder mehreren Vermächtnisnehmern zufließt (§§ 2147, 2174, 2176 BGB). Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB würde nur eingreifen, wenn die Kläger zu Bruchteilen eingesetzt wären (vgl. § 2087 Abs. 2 BGB); die Anwendung des § 2091 BGB, allein oder in Verbindung mit § 2150 BGB, würde voraussetzen, daß überhaupt von einer Erbeinsetzung der Kläger auszugehen wäre.

Die Gesellschafterstellung des Vaters der Kläger war, soweit ersichtlich, nicht Teil des Nachlasses; eine dem § 139 HBG entsprechende Vereinbarung wurde offenbar nicht getroffen. Vielmehr sollte die Gesellschafterstellung des Erblassers an beiden Gesellschaften (vgl. RGZ 36, 139) mit seinem Tode unmittelbar (§ 328 Abs. 1, § 330 Satz 2, § 331 Abs. 1 BGB) auf den vom Erblasser durch Erklärung gegenüber den anderen Gesellschaftern oder durch Testament (§ 332 BGB) einseitig (§ 2270 Abs. 3 BGB) bestimmten Sohn übergehen (vgl. BGHZ 22, 186 und zur GmbH RGZ 80, 175). Der weiteren Sachbehandlung nach kann ein gegen die Gesellschaften selbst gerichteter Abfindungsanspruch der Erbin ausgeschlossen gewesen sein (vgl. RGZ 145, 289). Das heißt aber nicht, daß auch der Wert des Auseinandersetzungsguthabens schlechthin außerhalb des Nachlasses gestanden haben müßte (vgl. BGHZ 22, 186). Jedenfalls hat es der Erblasser für angebracht gehalten, den "Geschäftsanteil" dem Bruder der Kläger gesondert zu vermachen (§§ 2147 ff. BGB) und ihn mit einem Untervermächtnis (§§ 2186 ff. BGB) zugunsten seiner Geschwister zu belasten. Wenigstens stellen sich die getroffenen Verfügungen in dieser Weise dar, nachdem der Vater vorverstorben und der Bruder der Kläger noch nicht Erbe geworden war.

Auf die Frage, ob Teilungsanordnungen (§ 2048 BGB), welche keine Vorausvermächtnisse (§ 2150 BGB) an einen Miterben sind, für die Ermittlung des Erwerbs (§ 24 ErbStG) schlechthin unbeachtlich sind, braucht bei dieser veränderten Beurteilung des bürgerlich-rechtlichen Ausgangspunktes nicht eingegangen zu werden.

Die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) kann somit nicht aus den vom FG angegebenen Gründen aufrechterhalten werden; mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, daß den Klägern mit dem Tode ihres Vaters ein Vermächtnis angefallen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 2176 BGB), das in einem Geldanspruch bestand (§ 2174 BGB). Trotzdem muß ernstlich zweifelhaft erscheinen, ob deren Besteuerung nach dem Nennwert (§ 23 Abs. 1 ErbStG, § 14 Abs. 1 BewG a. F.) unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) mit dem Gesetz vereinbar ist.

Der Kläger hat dazu ausgeführt, es wolle "ihm als merkwürdig erscheinen, daß es steuerlich rechtens sein soll, daß - nach Auffassung der Einspruchsentscheidung - der (andere) Sohn ... des Erblassers den 'wesentlichsten und auch ertragreichsten Teil des Nachlasses' durch das Testament erworben haben soll, ohne - was wohl unstreitig ist - Erbschaftsteuern zahlen zu müssen und daß demgegenüber die - nach Meinung der Einspruchsentscheidung - von dem Erblasser benachteiligten Kinder ausgerechnet erbschaftsteuerlicher Belastung unterliegen sollen, während gleichzeitig wohl unstreitig ist, daß für den Fall, daß das Testament als Teilungsanordnung aufzufassen wäre, keines der drei Kinder Erbschaftsteuern zu zahlen haben würde. Insoweit kann der Kläger nur an den Gesetzen der Logik ausgerichtete Fragen stellen. Er kann sich jedoch nicht vorstellen, daß das geltende Erbschaftsteuerrecht, selbst wenn man zivilrechtlich der Beurteilung des Finanzamtes folgen wollte, derart jeder Logik widersprechende Ergebnisse für rechtens halten kann." Die weitere Klägerin, seine Schwester, hat auf diese Ausführungen Bezug genommen.

Diese Ausführungen der Kläger richten sich gegen eine Konsequenz des in § 23 Abs. 2 ErbStG verfügten Ansatzes der Einheitswerte für die Bewertung angefallener (§ 24 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) Betriebsgrundstücke (vgl. § 23 Abs. 6 ErbStG) auch beim Erwerb gesamthänderischer Beteiligungen (§ 23 Abs. 1 ErbStG, § 3 BewG; vgl. § 11 Nr. 5 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Welcher Art diese Grundstücke (angegeben als unbebaute Grundstücke, Fabrikgebäude und Wohngebäude) sind (vgl. § 32 BewDV a. F.; §§ 72, 74, 75 BewG n. F.), ist nicht mit Sicherheit festzustellen; jedenfalls muß zumindest der Einheitswert einzelner Grundstücke erheblich unter den gemeinen Werten liegen (sonst wären die angestellten Berechnungen nicht zu verstehen, obschon die gerügte Divergenz u. a. auch durch einen hohen Geschäftswert der Unternehmen beeinflußt sein kann, an denen der Bruder der Kläger beteiligt wurde). Die im Verhältnis zur Besteuerungsgrundlage der Kläger geringere Belastung ihres Bruders ergibt sich also - möglicherweise nur unter anderem - daraus, daß im Vermögen der Gesellschaft die aktiven Grundstückswerte nur mit dem niederen Einheitswert, die Passiven dagegen mit ihren vollen gemeinen Werten angesetzt sind.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes würde somit die Besteuerung der Kläger anderen Maßstäben folgen als die Besteuerung ihres Bruders. Nach den unbestrittenen tatsächlichen Behauptungen der Kläger und dem - insoweit allerdings nicht erschöpfenden - Inhalt der Vorakten muß davon ausgegangen werden, daß die sog. Abfindungen nur einen Teil des Wertes der Gesellschaftsbeteiligungen erfaßten, die dem Bruder der Kläger zugewandt waren. Die Untervermächtnisse waren zwar nicht notwendig aus den Gesellschaftsanteilen (sei es mit Gewinnanteilen oder durch Entnahmen), aber doch im Ausgleich für diese zu bezahlen; sie waren sowohl ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach als auch nach dem klaren Willen des Erblassers nichts anderes als eine Beteiligung an dem Werte des Vermögens, welches dem Erblasser zugestanden hatte und nach gesellschaftsrechtlicher Vereinbarung kraft Testamentes auf den Bruder übergegangen war. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob Art. 3 Abs. 1 GG zuläßt, einen Bruchteil des Wertes, der sich in der gesamthänderischen (§ 3 BewG) Beteiligung an einer Gesamtheit (§ 23 Abs. 6 ErbStG) von Wirtschaftsgütern (§ 2 BewG) ausdrückt, höher zu bewerten als die Beteiligung an dieser Gesamtheit selbst (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dieses Bedenken wird nicht dadurch ausgeräumt, daß bürgerlich-rechtlich nicht die Beteiligung selbst, sondern nur deren Wert unter den Geschwistern aufgeteilt wurde.

Die Fragestellung bedeutet nicht, daß die Einheitswerte als solche verfassungswidrig sein müßten. Als reine Rechnungsgrößen sind sie wertneutral; als bloße Bewertungen objektiver Güter sind sie nicht - wie es für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG erforderlich wäre - auf den Menschen bezogen. Auch läßt sich nicht ohne weiteres sagen, daß die - dem gemeinen Wert gegenüber niedereren - Einheitswerte bei jeder Anwendung verfassungswidrig sein müßten. Denn je nach dem Gegenstand der Besteuerung kann dieser auch ein irgendwie gedachter Nutzwert zugrunde gelegt werden, der sich in der einen Fallgruppe nach dem Ertragswert, in der anderen nach dem gemeinen Wert bestimmt oder eine besondere Berechnungsart erfordert.

Entscheidend kommt es somit auf die Vorschrift an, welche im Einzelfall (für eine Gruppe bestimmter Fälle) die Anwendung der Einheitswerte gebietet. Dabei kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob allgemein bei einer etwaigen Verfassungswidrigkeit einer Besteuerung teils nach Einheitswerten, teils nach gemeinen Werten sich Einwände gegen die Besteuerung nach dem gemeinen Wert herleiten ließen, weil von zwei ungleich (Art. 3 Abs. 1 GG) belastenden Normen des vorkonstitutionellen Rechts jeweils die stärker belastende nichtig geworden sei, oder ob umgekehrt die Besteuerung nach dem gemeinen Wert nicht nur formal (§§ 1, 10 Abs. 1 BewG a. F.), sondern auch dem Besteuerungsgrunde nach als die Regel erscheint, der gegenüber sich der von ihr Betroffene nicht auf die unrechtmäßige Begünstigung eines anderen berufen könne. Denn der zu entscheidende Fall liegt insofern besonders, als die im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG vergleichbaren Sachverhalte nicht unverknüpft einander gegenüberstehen. Vielmehr erscheint genau das, was als Erwerb des Untervermächtnisnehmers zu dessen Besteuerungsgrundlage zählt, als Last des mit dem Untervermächtnis beschwerten Vermächtnisnehmers, die dessen Besteuerungsgrundlage in derselben Höhe mindert.

Die unterschiedliche Behandlung der Beteiligten desselben Erbfalls wird besonders deutlich, wenn ein Erblasser als gesetzliche Erben zwei Söhne hat (§ 1924 BGB), von denen der eine enterbt wurde und den Pflichtteil (§§ 2303 ff. BGB) beansprucht (vgl. § 24 Abs. 6 ErbStG), und wenn der Nachlaß aus einem unbelasteten Mietwohngrundstück (§ 32 Abs. 1 Nr. 1, § 33 Abs. 1 BewDV; vgl. § 76 Abs. 1 Nr. 1 BewG n. F.) im Einheitswert von 100 000 DM und im gemeinen Wert von 400 000 DM besteht. Der Pflichtteilsberechtigte erhält in diesem Fall vom Erben 100 000 DM (§ 2303 Abs. 1 Satz 2, § 1924 Abs. 4 BGB); dem Erben verbleibt ein Wert von 300 000 DM. Dessen Besteuerungsgrundlage wäre Null, weil das von ihm erworbene Grundstück mit dem Einheitswert anzusetzen (§ 23 Abs. 2 ErbStG) und von diesem der geltend gemachte Pflichtteil abzuziehen wäre (§ 24 Abs. 6 ErbStG). Besteuerungsgrundlage des Enterbten wäre dagegen der volle Nennbetrag seines Erwerbs von 100 000 DM (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 Satz 1, § 23 Abs. 1 ErbStG, § 14 Abs. 1 BewG a. F.) und aus diesem abzüglich eines Freibetrags von 30 000 DM (§ 17 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 StKl. I Nr. 2 Buchst. a ErbStG) wäre die Erbschaftsteuer zu berechnen.

In diesem Beispielsfall mag man zwar der Ansicht sein können, daß der Pflichtteilsberechtigte nur die Steuer bezahle, welche von Rechts wegen auf ihn entfalle. Mit gleichem Grunde läßt sich aber darauf abstellen, daß die Inanspruchnahme des Pflichtteils, also (hier) eines Viertels des Nachlaßwerts, bewirkte, daß der Erbe aus dem ihm angefallenen, dem gemeinen Werte nach immer noch dreifachen Erwerb überhaupt keine Steuer zu bezahlen braucht. Das legt die Erwägung nahe, ob nicht der Pflichtteilsberechtigte im wirtschaftlichen Ergebnis auch die Steuer des Erben mitbezahlt.

Zwar ist es aus sozialpolitischen Gründen gerechtfertigt, Wohngrundstücke niederer zu besteuern (um eine allgemeine Erhöhung der Mieten und bei eigengenutzten Gebäuden eine unzumutbare Belastung zu vermeiden); der Ansatz von Ertragswerten mag dafür eine geeignete Grundlage sein. Eine solche Begünstigung mit Hilfe der Bewertung unterscheidet sich zwar grundsätzlich in der Form, im praktischen Ergebnis aber nicht wesentlich von den gegenstandsabhängigen Befreiungen in § 18 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 ErbStG. Ernstlich zweifelhaft ist aber, ob diese Betrachtung auch rechtfertigt, unterschiedslos nominale Geldwerte und gemeine Werte gegen diese Ertragswerte zu verrechnen (vgl. dagegen den Rechtsgedanken des § 17a BewG a. F. = § 16 BewG n. F.), oder ob nicht die geringere Ertragsfähigkeit, welche in der Begünstigung zum Ausdruck kommen soll, dadurch überkompensiert wird. Infolge einer solchen Verrechnung kann ein sowohl hinsichtlich seiner Substanz als auch hinsichtlich seiner Erträge sehr hohes Vermögen bewertungsrechtlich sogar als überschuldet erscheinen, während wesentlich kleinere Vermögen anderer Struktur mit ihrem vollen Nennbetrag oder gemeinen Wert unter die Steuer fallen.

Nicht wesentlich anders als in dem vereinfachten Beispielsfall liegt es hier. Es ist nicht zu erkennen, daß die dem Bruder der Kläger zugefallenen Geschäftsanteile abzüglich der Abfindungen, die er den Klägern in unterschiedlicher Höhe zu leisten hat, einen geringeren realen Wert hätten als jede einzelne dieser Abfindungen; das dürfte nicht nur für den Substanzwert, sondern auch für den Ertragswert gelten. Die Erwerbe aller Geschwister beruhen auf einer Zuwendung des Erblassers; der Erblasser hat sie aus dem Vermögen errechnet, das er bei Errichtung seines Testaments hatte. Dies vorausgesetzt erscheint es bei Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) ebenso bedenklich, daß der Wert von Leistungen, die aus Teilen des Vermögens des Erblassers berichtigt werden können, bewertungsrechtlich höher sein soll als das gesamte Vermögen des Erblassers, wie es bedenklich erscheint, die Kläger, welche, sei es unter dem Gesichtspunkt des Substanzwerts, sei es unter dem Gesichtspunkt des Ertragswerts, je höchstens ebensoviel aus dem Vermögen des Erblassers erhalten haben wie ihr Bruder, zur Steuer heranzuziehen, deren Bruder aber nicht.

Diese Bedenken reichen aus, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide zu erwecken (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO). Wie die dargestellten Fragen zu lösen sind, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden (vgl. Beschlüsse des BFH III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 447, BStBl III 1967, 182; VI B 53/66 vom 8. März 1967, BFH 88, 537, BStBl III 1967, 469; III B 21/66 vom 30. Juni 1967, BFH 89, 92, BStBl III 1967, 533; VI B 59/67 vom 22. September 1967, BFH 90, 253, BStBl II 1968, 37). Allerdings bleibt der weitere Zweifel, daß es kaum erträglich - wenn nicht ebenso gleichheitswidrig (Art. 3 Abs. 1 GG) - erscheint, bei der Besteuerung eines Geldvermächtnisses bestimmter Höhe danach zu differenzieren, ob sich dieser Betrag unmittelbar im Nachlaß findet oder gar der gesamte Nachlaß der Bewertung nach dem allgemeinen Teil des BewG unterliegt (§ 23 Abs. 1 ErbStG, § 1 BewG), oder ob der mit dem Vermächtnis belastete Vermögensanfall ganz oder teilweise der Einheitsbewertung unterliegt (§ 23 Abs. 2 bis 4 ErbStG). Indessen ist nicht zu ersehen, wie dieser Widerspruch nach den derzeitigen Vorschriften des ErbStG und des BewG aufgelöst werden könnte, ohne schlechthin den in § 23 Abs. 2 bis 4 ErbStG verfügten Ansatz der Einheitswerte aufzugeben und an deren Stelle entsprechend § 23 Abs. 1 ErbStG die Ansätze des Ersten Teils des BewG treten zu lassen. Eine solche Bewertung hätte im Gesetz keine Grundlage; denn § 23 Abs. 1 ErbStG gilt nur insoweit, als nicht in den Abs. 2 bis 7 etwas besonderes vorgeschrieben ist. Wären die Abs. 2 bis 4 des § 23 ErbStG wegen ihrer Bezugnahme auf die Einheitswerte nichtig, könnte folglich nicht Abs. 1 dieser Vorschrift eintreten, sondern würde jede Bewertungsgrundlage fehlen.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 121

BFHE 1970, 315

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