Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzug von Kontokorrentzinsen bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

 

Leitsatz (NV)

Die Rechtsfrage, in welchem Umfang Kontokorrentzinsen bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG als Betriebsausgaben abziehbar sind, hat grundsätzliche Bedeutung.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit geht um die Frage, in welchem Umfang Schuldzinsen bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Betriebsausgaben abziehbar sind.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Arzt. Er ist zusammen mit seinem Vater seit dem 1. Oktober 1980 in einer Gemeinschaftspraxis freiberuflich tätig. Der Praxisgewinn wurde in den Streitjahren 1980 bis 1982 durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und -ausgaben nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.

Die Praxisgemeinschaft ließ sich bei der X-Bank ein Kontokorrentkonto einrichten, über das seit dem 1. Oktober 1980 die Einnahmen und Ausgaben der Praxis sowie die privaten Aufwendungen des Klägers und seines Vaters für deren Lebensunterhalt abgewickelt wurden. Am 28. Februar 1982 eröffnete der Kläger ein eigenes Kontokorrentkonto, auf das er den an diesem Tage auf dem bisherigen Gemeinschaftskonto ausgewiesenen Schuldsaldo übernahm.

Der Kontenstand auf den entsprechenden Kontokorrentkonten betrug am 31. Dezember 1980 ./. 192 796 DM, am 31. Dezember 1981 ./. 123 416 DM und am 31. Dezember 1982 ./. 90 661 DM. An Kontokorrentzinsen wurden für 1980 1 699 DM, für 1981 15 174 DM und für 1982 11 295 DM in Rechnung gestellt.

Im Rahmen der Feststellung der Praxiseinkünfte machte der Kläger die Kontokorrentzinsen als ihn allein betreffende Betriebsausgaben geltend. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung ließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für die Streitjahre die Zinsen nur entsprechend ihrer betrieblichen Veranlassung zum Abzug zu (1980 in Höhe von 75 v. H., 1981 in Höhe von 69 v. H. und 1982 in Höhe von 49 v. H.).

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Juni 1983 IV R 185/81 (BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723) u. a. aus, im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG müsse bei gemischt (d. h. teils betrieblichen, teils privaten) Kontokorrentkonten der betrieblich und privat veranlaßte Teil der Zinsaufwendungen ermittelt werden; nur die durch den Betrieb veranlaßten Zinsaufwendungen seien als Betriebsausgaben abziehbar. - Die Revision ließ das FG nicht zu.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision. Nach seiner Auffassung ist die Revision u. a. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zuzulassen. Für den Kreis von etwa 360 000 freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen, die den Gewinn überwiegend nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten, würde der gesetzliche Betriebsausgabenbegriff (§ 4 Abs. 4 EStG) bei Anwendung der bisherigen Rechtsprechung des BFH nur noch eingeschränkt gültig sein. Die Abziehbarkeit der Kontokorrentzinsen führe bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und nach § 5 Abs. 1 EStG zu unterschiedlichen Gewinnen. Die sich hieraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen ließen sich methodisch nicht rechtfertigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) liegen vor.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die Entscheidung durch den BFH aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und (oder) der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (Beschluß vom 21. Juli 1977 IV B 16-17/77, BFHE 123, 48, BStBl II 1977, 760). Auch höchstrichterlich bereits entschiedene Rechtsfragen können grundsätzliche Bedeutung haben, wenn der bisherigen Rechtsprechung mit beachtlichen neuen Gesichtspunkten widersprochen wird (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 115 FGO Anm. 55 m.w.N.). So liegt es im Streitfall.

Der BFH hat mit Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 185/81 (BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723) entschieden, daß ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, Zinsaufwendungen für einen Kontokorrentkredit nur insoweit als Betriebsausgaben abziehen kann, als der Kredit betrieblich veranlaßt war. Soweit die Zinsen dagegen mit privat veranlaßten Zahlungen bzw. der dadurch verursachten Kreditaufnahme zusammenhängen, können sie nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Hiernach ist der Abzug von Kontokorrentzinsen als Betriebsausgaben nur in wesentlich geringerem Umfang möglich als im Falle der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 5 Abs. 1 EStG oder nach § 4 Abs. 1 EStG. Denn im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 (§ 4 Abs. 1) EStG sind nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725) die jeweiligen Kontokorrentsalden (also das jeweilige Guthaben oder die jeweilige Schuld) in vollem Umfang der betrieblichen Sphäre selbst dann zuzurechnen, wenn über dieses Konto auch private Zahlungen abgewickelt werden. Aufwendungen für Kontokorrentzinsen sind hiernach im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 EStG in der Regel Betriebsausgaben.

Die unterschiedliche Berücksichtigung von Zinsaufwendungen je nach Art der Gewinnermittlung wird in der Literatur als sachlich nicht gerechtfertigt betrachtet (vgl. u. a. Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4-5, Rz. 51 g; Groh, Finanz-Rundschau 1986, 393; Heidrich, Betriebs-Berater 1984, 314; Kempermann/Ditzen, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1985, 63; Paus, DStZ 1985, 60; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 4 Anm. 43 c) und d), m.w.N.). Die unterschiedliche Besteuerung widerspreche dem Grundsatz, daß die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu demselben Totalergebnis führen soll wie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 (bzw. § 5 Abs. 1) EStG (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526).

Der Senat sieht hierin eine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Die Revision ist deshalb zuzulassen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 162

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