Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde im Prozeßkostenhilfeverfahren - Erfolgsaussichten

 

Leitsatz (NV)

1. Die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) sind summarisch zu prüfen; dabei ist der BFH als Beschwerdegericht Tatsacheninstanz.

2. Zur Ursächlichkeit neuer Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 für die Veranlagung.

 

Normenkette

FGO §§ 128, 142; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Im Hauptverfahren ist streitig, ob der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) zu Recht abgelehnt hat, die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 1981 bis 1983 wegen neuer Tatsachen zugunsten des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) zu ändern.

Entsprechend den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle wurden dem Antragsteller, der als Geschäftsführer der X-GmbH tätig war, in den Streitjahren verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von ca. . . . DM zugerechnet. Die gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide erhobene Klage wies das FG wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig ab.

Gegen den Antragsteller war wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und des Sozialversicherungsbetrugs ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Im Strafverfahren sprach das Landgericht den Antragsteller mit der Begründung frei, ihm könne weder eine Steuerverkürzung noch eine Verkürzung der Sozialversicherungsbeiträge nachgewiesen werden.

Darauf hob das FA Z die Körperschaftsteuerbescheide betreffend die Jahre 1981 bis 1983 auf. Zugleich wurde der gegen den Antragsteller ergangene Haftungsbescheid für die Körperschaftsteuer 1981 bis 1983 der X-GmbH aufgehoben.

Mit Schreiben vom 5. und 12. Oktober 1990 begehrte der Antragsteller die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1981 bis 1983 gemäß § 173 der Abgabenordnung (AO 1977). Der Einspruch des Antragstellers blieb erfolglos. Über die Klage ist noch nicht entschieden.

Mit der Klage begehrt der Antragsteller die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH). Er hat eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, nach der er monatliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 400 DM erzielt.

Das Finanzgericht (FG) wies den Antrag zurück, weil im Streitfall keine hinreichenden Erfolgsaussichten zu bejahen seien.

Der Antragsteller hat gegen den Beschluß Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann, auf Antrag PKH zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Nachdem die Erklärungen des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO) vorliegen, ist nur noch streitig, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO). Das ist mit dem FG zu verneinen.

Dabei genügt es, wie das FG zu Recht ausführt, daß bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg spricht (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. April 1981 IV S 4/77, BFHE 133, 253, BStBl II 1981, 580; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 142 Rdnr. 7 m. w. N.).

Bei summarischer Prüfung - dabei ist das Beschwerdegericht Tatsacheninstanz (Gräber / Ruban, a. a. O., § 132 Rdnr. 6) - sind die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 nicht gegeben und damit ein Erfolg der Klage unwahrscheinlich.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekanntwerden.

Im Urteil vom . . . hat das Landgericht festgestellt:

,,Entsprechendes gilt für die Körperschaftsteuerhinterziehung bei der X-GmbH. Diese sog. Factoring-Gesellschaft hatte der Angeklagte als Kontrolle für seine Unternehmensgruppe entwickelt. Dieser Firma hat er Darlehensbeträge hingegeben, die bei den Banken in Festgeld angelegt waren und als Sicherheit für den Überziehungsrahmen der Firmenkonten dienten."

Dies sind Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65). Diese Tatsachen sind auch i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 nachträglich bekanntgeworden.

Die Tatsachen würden aber nicht gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zu einer niedrigeren Steuer führen. Dieses Merkmal ist dann gegeben, wenn die Unkenntnis der Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung ursächlich war (BFH-Beschluß vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, zu C. II. 2. a). Unter diesem Gesichtspunkt ist die neue Tatsache dann unerheblich, wenn das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Juni 1989 II R 73/87, BFH/NV 1990, 415).

Ob das FA bei Kenntnis der Darlehen davon ausgegangen wäre, daß es sich bei den strittigen Zahlungen um Darlehensrückzahlungen handelte, kann in diesem Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit verneint werden. Soweit gehen auch die Feststellungen des Landgerichts nicht; für das Strafverfahren kam es darauf allerdings nicht an.

Für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide spricht, daß nach dem Urteil des Landgerichts bei der GmbH keine verdeckten Gewinnausschüttungen mehr angenommen wurden. Für die Annahme der verdeckten Gewinnausschüttung bei der Kapitalgesellschaft und beim Gesellschafter gelten aber im wesentlichen die gleichen Rechtsgrundsätze. Andererseits geht der Senat mit dem FG davon aus, daß die Körperschaftsteuerveranlagung für die Einkommensteuerveranlagung des Gesellschafters nicht vorgreiflich ist.

Ob danach bei den streitigen Zahlungen eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen werden muß, hängt im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch davon ab, ob zwischen den Beteiligten klare Vereinbarungen hinsichtlich der Darlehen und Bürgschaften einerseits sowie der streitigen Zahlungen an den Antragsteller andererseits getroffen waren, denn der Antragsteller war beherrschender Gesellschafter der GmbH und ihr Geschäftsführer (vgl. zu den Folgen daraus Wassermeyer in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Rdnr. C 55).

Daß solche Vereinbarungen bestanden, ist dem Vorbringen des Antragstellers und den vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Urteil des Landgerichts, nicht zu entnehmen. Ohne solche Vereinbarungen bezüglich der dem Antragsteller ausgezahlten Beträge hätte das FG aber auch dann von einer verdeckten Gewinnausschüttung ausgehen müssen, wenn der Antragsteller der GmbH Darlehen gewährt hätte. Im Einzelfall einer Auszahlung ist nach wie vor unklar, ob es sich um eine Darlehensrückzahlung oder um eine Zahlung handelt, die ihren Grund im Gesellschaftsverhältnis hat.

Möglicherweise gibt es derartige Vereinbarungen. Dieser Umstand kann aber für dieses Verfahren nicht ausschlaggebend sein. Für dieses Verfahren ist auf die Tatsachen abzustellen, die bekanntgeworden sind und nicht solche, die noch bekanntwerden könnten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418411

BFH/NV 1992, 582

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