Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung der Terminverlegung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Ablehnung einer beantragten Terminverlegung durch den Vorsitzenden des FG-Senats begründet nicht die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO wegen mangelnder Vertretung.

2. Zu den Voraussetzungen einer gebotenen Terminverlegung.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 155; ZPO § 227

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat die Steuerberaterprüfung 1985 nicht bestanden. Auf ihre Klage gegen die Prüfungsentscheidung beraumte das Finanzgericht (FG) den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 12. Juni 1987 an. Die Ladung zum Termin wurde den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin - einer aus zwei Rechtsanwälten und einem Steuerberater bestehenden Sozietät - am 22. Mai 1987 zugestellt. Der die Rechtssache bearbeitende Rechtsanwalt L beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 27. Mai 1987 die Aufhebung des Termins mit der Begründung, daß er an diesem Tage zusammen mit einem Kollegen in einer umfangreichen Bankenrechtssache einen Termin vor dem Landgericht (LG) M wahrzunehmen habe.

Der Vorsitzende des FG-Senats lehnte den Antrag auf Terminaufhebung mit Verfügung vom 1. Juni 1987, zugestellt am 3. Juni 1987, ab. Er begründete dies damit, daß das Verfahren durch zahlreiche Fristverlängerungen auf Antrag der Klägerin, durch mehrere Anträge auf Akteneinsicht, die bisher nicht wahrgenommen worden seien, und durch die Nichtbeantwortung einer Anfrage des Berichterstatters so verzögert worden sei, daß ein weiteres Hinausschieben der mündlichen Verhandlung nicht in Betracht komme, zumal der Senat bemüht sei, Steuerberatungssachen möglichst zeitnah zu entscheiden.

Die Klage wurde aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 1987, zu der weder die Klägerin noch einer ihrer Prozeßbevollmächtigten erschienen, abgewiesen.

Die Klägerin legte gegen das Urteil des FG Revision und für den Fall, daß diese nicht zulässig sein sollte, Nichtzulassungsbeschwerde ein. Sie machte geltend, die Revision sei - auch ohne besondere Zulassung - zulässig, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorliege. Sie sei in dem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht sachgerecht vertreten gewesen. Das FG hätte auf den von ihren Prozeßbevollmächtigten gestellten Antrag hin den Termin verlegen müssen, da hierfür erhebliche Gründe angeführt worden seien. Das Verhalten des FG stelle zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Die Klägerin hält die Vorentscheidung auch materiell-rechtlich für fehlerhaft.

Der beklagte Finanzminister beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist gemäß §§ 124, 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen, weil sie unzulässig ist. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1274) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Das FG hat die Revision im Streitfall nicht zugelassen; der BFH hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin durch den Beschluß des Senats vom heutigen Tage VII B 157/87 als unzulässig verworfen. Ein Fall der zulassungsfreien Revision wegen wesentlicher Verfahrensmängel gemäß § 116 FGO liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor.

Die Weigerung des FG, dem Antrag des Prozeßvertreters auf Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung stattzugeben, und die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne Anwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Prozeßvertreters begründen nach dem Beschluß des VIII. Senats des BFH vom 11. April 1978 VIII R 215/77 (BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401) nicht die Rüge der mangelnden Vertretung im Verfahren, die nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO (vgl. auch § 119 Nr. 4 FGO) die Revision ohne Zulassung eröffnet. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an (ebenso: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 116 FGO Tz. 18). Die Ablehnung der Terminverlegung durch den Vorsitzenden des FG-Senats könnte allenfalls die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) begründen, die die Klägerin ebenfalls erhoben hat (BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401 und BFH-Urteil vom 5. Dezember 1979 II R 56/76, BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208). Dieser Verfahrensmangel ist zwar in § 119 Nr. 3 FGO als absoluter Revisionsgrund aufgeführt; er zählt aber nicht zu den besonders schweren Verfahrensverstößen im Sinne des § 116 Abs. 1 FGO. Die Revision ist demnach ohne Zulassung nicht statthaft (vgl. BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401, und Tipke/Kruse, a.a.O., § 116 FGO Tz. 8).

Im übrigen war das FG im Streitfall nicht verpflichtet, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben, so daß ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO auch dann nicht vorläge, wenn man - entgegen der vorstehenden Auffassung - die ungerechtfertigte Ablehnung der Terminverlegung als einen Fall des Vertretungsmangels ansehen würde (so Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Anm. 19). Nach § 155 FGO in Verbindung mit § 227 Abs. 1 und 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann das Gericht ,,aus erheblichen Gründen" auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben oder verlegen. Welche Gründe als erheblich in diesem Sinne anzusehen sind, richtet sich nach der Lage des Einzelfalls, nach dem Prozeßstoff und den persönlichen Verhältnissen des Beteiligten bzw. seines Prozeßbevollmächtigten. Eine Terminverlegung ist nicht ohne weiteres geboten, wenn der Kläger oder sein Prozeßbevollmächtigter vortragen, zum angesetzten Verhandlungstermin anderen Gerichtsterminen nachkommen zu müssen (BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208, 209). Der BFH hat in der vorstehend zitierten Entscheidung eine vor einem anderen Gericht stattfindende mündliche Verhandlung über einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung als einen erheblichen Grund im Sinne des § 227 ZPO für die Terminverlegung durch das FG angesehen. Die Sach- und Interessenlage im Streitfall läßt sich jedoch mit dem Sachverhalt des Urteils in BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208 nicht vergleichen.

Der im Antrag auf Terminaufhebung vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin benannte gleichzeitige Verhandlungstermin vor dem LG M betraf nach dem bisherigen Vorbringen kein Eilverfahren, so daß die besondere Eilbedürftigkeit und die damit verbundene Gefährdung des Rechtsschutzes, auf die das vorstehend genannte BFH-Urteil entscheidend abgestellt hat, bei dem im Streitfall gegebenen anderen Gerichtstermin nicht vorlag. Die Klägerin und ihre Prozeßbevollmächtigten haben keinen Grund dafür angegeben, warum dem Termin vor dem LG der Vorrang vor dem auf denselben Tag anberaumten FG-Termin eingeräumt werden müßte. Zu berücksichtigen ist auch, daß die Partei in dem vor dem LG anberaumten Termin ohnehin anwaltlich vertreten war, denn nach dem Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wollte dieser den dortigen Termin gemeinsam mit einem Kollegen wahrnehmen. Ferner bestand noch die Möglichkeit, daß die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG durch ein anderes Mitglied der aus zwei Rechtsanwälten und einem Steuerberater bestehenden Sozietät, der sie Prozeßvollmacht erteilt hatte, vertreten wurde, falls der ihre Rechtssache bearbeitende Rechtsanwalt L an diesem Tage tatsächlich unabkömmlich gewesen sein sollte. Für das FG bestand demnach kein zwingender Grund, dem Antrag auf Terminverlegung nachzukommen. Der Vorsitzende des FG-Senats hat zudem in seiner Verfügung vom 1. Juni 1987 sachliche Gründe für die Ablehnung der beantragten Aufhebung des Termins genannt. Die Klägerin ist dem in der Ablehnungsverfügung erhobenen Vorwurf der Verfahrensverzögerung, der im einzelnen dort näher belegt worden ist, mit der Revision nicht entgegengetreten.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 585

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