Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für ein Klageverfahren betr. die Ablehnung des Erlasses von Einkommen und Umsatzsteuer (Erfolgsaussichten)

 

Leitsatz (NV)

Zu den Voraussetzungen eines Erlasses von Einkommen- und Umsatzsteuer nach § 227 AO 1977, insbesondere zur Prüfung der Erlaßwürdigkeit.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114 S. 1; AO 1977 § 227

 

Tatbestand

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) ist Opernsänger. 1980 beendigte er seine langjährig ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit und erzielte nunmehr als freischaffender Künstler durch Gastspiele im In- und Ausland nur noch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Kläger setzte den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) hiervon nicht in Kenntnis, so daß der neuen Tätigkeit entsprechende Einkommensteuervorauszahlungen gemäß § 37 Abs. 1 EStG nicht festgesetzt werden konnten.

I. In seiner am 21. Juli 1983 beim FA eingegangenen Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1981 gab der Kläger an, auf der Grundlage eines Umsatzes (Betriebseinnahmen) von 120 603 DM nach Abzug der Betriebsausgaben einen Gewinn von 77 787 DM erzielt zu haben. Das FA erhöhte den Gewinn zunächst auf 101 535 DM, weil es Umsatzerhöhungen (auf 161 992 DM) vornahm sowie einen Teil der geltend gemachten Betriebsausgaben als nicht abzugsfähige Lebensführungskosten ansah. Die daraufhin durch Einkommensteuerbescheid vom 27. Februar 1984 festgesetzte Einkommensteuer betrug 36 723 DM.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 4. März 1984 Einspruch ein, weil u. a. seinem Antrag auf Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an seine geschiedene zweite Ehefrau und seine Kinder in Höhe von 32 171 DM und Schuldzinsen in Höhe von 7 004,58 DM nicht entsprochen worden war.

Der Einspruch blieb insoweit erfolglos. Während des Klageverfahrens erging der berichtigte Bescheid vom 9. Januar 1985, in dem Unterhaltszahlungen in Höhe von 9 000 DM berücksichtigt wurden und die Einkommensteuerschuld auf 21 269 DM herabgesetzt wurde. Der Rechtsstreit wurde insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, so daß nunmehr nur noch die Abzugsfähigkeit der Zinsen streitig ist. Auf die ermäßigte Einkommensteuerschuld leistete der Kläger eine Teilzahlung in Höhe von 1 620 DM.

Die Umsatzsteuer 1981 wurde erst in der Umsatzsteuerjahreserklärung vom 18. Juli 1983 erklärt und durch Bescheid vom 6. August 1984 auf 5 761 DM festgesetzt. Ein Einspruch wurde hiergegen nicht eingelegt.

II. Mit Schreiben vom 18. Juli 1983 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf die Berechnung seiner Steuerberaterin, die voraussichtliche Einkommensteuer 1981 in Höhe von 18 151 DM sowie die voraussichtliche Umsatzsteuer 1981 in Höhe von 5 315 DM zu erlassen. Zur Begründung verwies er darauf, daß bereits sein Einkommen 1981 mit erheblichen Vorsorgeaufwendungen (21 273 DM), Prozeß- und Anwaltskosten (9 063 DM) sowie Unterhaltszahlungen (32 171 DM) belastet gewesen sei. Er habe daher nur über ein Einkommen von 40 080 DM verfügen können. Im übrigen habe er am 25. April 1983 den ,,Offenbarungseid" geleistet und keine Engagements mehr.

Mit Verfügung vom 13. August 1984 lehnte das FA den Erlaßantrag ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde von der Oberfinanzdirektion (OFD) mit Beschwerdeentscheidung vom 25. Februar 1985 zurückgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, daß in Ermangelung sachlicher Billigkeitsgründe allein ein Erlaß aus persönlichen Gründen in Betracht komme, der aber an der Erlaßwürdigkeit scheitere. Die Erlaßunwürdigkeit ergebe sich daraus, daß der Kläger seit Beginn seiner selbständigen Tätigkeit über sämtliche, vor allem im Veranlagungszeitraum 1981 beträchtlichen Einkünfte inklusive der für den Staat quasi nur treuhänderisch vereinnahmten Umsatzsteuer disponiert habe, ohne den Einkommensverhältnissen entsprechende Steuerzahlungen zu berücksichtigen und gemäß der sich aus § 37 Abs. 1 EStG ergebenden Pflicht, Steuervorauszahlungen zu leisten oder auch nur in irgendeiner Weise Vorsorge zur Tilgung späterer Steuernachzahlungen zu treffen. Dazu sei er aber in eigener Verantwortung verpflichtet gewesen und könne sich nicht darauf berufen, von seiner Steuerberaterin oder dem FA nicht auf die Vorauszahlungspflicht hingewiesen worden zu sein. Er habe auch für den Veranlagungszeitraum 1981 mit erheblichen Steuerschulden rechnen können und könne deshalb das bewußt eingegangene Risiko, diese Steuern aus künftigen Einnahmen bestreiten zu müssen, nicht auf die Allgemeinheit abwälzen, da seine Einnahmen nun zur Tilgung alter Steuerschulden nicht ausreichten. Bei einem Steuererlaß in derartiger Situation hätte es der Steuerpflichtige jederzeit selbst in der Hand, den Erlaß einer Steuerschuld zu erreichen, was der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Glaubwürdigkeit der Steuerfestsetzungsmaßnahmen widerspreche und steuerliches Fehlverhalten honorieren würde. Zu dem Versäumnis der Rücklagenbildung komme, daß der Kläger schon im Ansatz keine Neigung erkennen lasse, seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen in Zukunft wenigstens teilweise im Rahmen seiner Möglichkeiten nachzukommen. So habe er bezeichnenderweise den Antrag auf Erlaß der gesamten Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1981 unmittelbar nach Abgabe seiner Steuererklärung 1981 gestellt, ohne die Steuerfestsetzungen abzuwarten, und habe auch die Einkommensteuer und Umsatzsteuer der dem Streitjahr folgenden Jahre nicht beglichen. Dagegen habe er sich in der Lage gesehen, Kreditmittel in Höhe von (nach eigenen Angaben) 265 839 DM aufzunehmen, die er ausschließlich für private Zwecke verwendet habe. Die Nichtberücksichtigung steuerlicher Verpflichtung könne auch nicht mit hohen Vorsorge- und Unterhaltsaufwendungen gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau und seinen Kindern entschuldigt werden, denn entsprechende Privatverbindlichkeiten hätten bereits in 1980 bestanden, als der Kläger noch für die Städtischen Bühnen in . . . gearbeitet habe und er wegen des Lohnsteuerabzugsverfahrens von vornherein nur unter Einbeziehung seiner steuerlichen Verpflichtungen über seine Einnahmen habe verfügen können.

III. Auch gegen die ablehnende Beschwerdeentscheidung der OFD wurde Klage erhoben.

Der Kläger beantragte, ihm für die Klagen gegen den Einkommensteuerbescheid 1981 und wegen Ablehnung des Erlasses von Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1981 Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren. In den jeweils vorgelegten Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 7. Oktober 1984 und vom 10. April 1985 hat er versichert, weder er noch seine Ehefrau verfügten über Einkünfte und Vermögen.

Das Finanzgericht (FG) verband beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander und lehnte die Anträge mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg ab.

1. Hinsichtlich der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1981 beständen keine Erfolgsaussichten, weil die gezahlten Darlehenszinsen weder als Betriebsausgaben noch als außergewöhnliche Belastungen abziehbar seien.

2. Für die Klage wegen Erlasses der Einkommen- und Umsatzsteuer 1981 beständen auch keine Erfolgsaussichten.

Ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen komme in Betracht, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand falle, im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar sei. Dabei hätten Umstände außer Betracht zu bleiben, die im Besteuerungszweck selbst enthalten seien. Die Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben auf 9 000 DM berge die vom Gesetz gewollte Härte in sich, daß alles jenseits der Grenze Liegende ,,ausgegrenzt" werde. Denn dieser Grenzziehung läge keine sachliche, also von den persönlichen Verhältnissen des Klägers unabhängige, Unbilligkeit zu Grunde.

Im übrigen ließ das FG es dahingestellt, ob der Kläger erlaßbedürftig sei. Es verneinte im wesentlichen mit den von der OFD angeführten Argumenten die Erlaßwürdigkeit.

Gegen den Beschluß des FG hat der Kläger insoweit Beschwerde eingelegt, als er die Ablehnung des Antrags auf PKH für die Klage wegen Erlaß von Einkommen- und Umsatzsteuer 1981 betrifft, und beantragt, ihm für die erste Instanz rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung PKH zu gewähren und seinen nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten als Rechtsanwalt beizuordnen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Zu Recht hat das FG entschieden, daß die Klage hinsichtlich des Erlasses der Umsatzsteuer 1981 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

Da der Kläger einen Erlaß nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) und damit eine Ermessensentscheidung begehrt, hat das FG gemäß § 102 FGO, § 5 AO 1977 lediglich zu überprüfen, ob mit der Ablehnung der begehrten Billigkeitsmaßnahme die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in zweckwidriger Weise Gebrauch gemacht worden ist. Maßgebender Zeitpunkt dafür sind die tatsächlichen Verhältnisse bei Erlaß der Beschwerdeentscheidung (ständige Rechtsprechung; siehe z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. März 1976 I R 51/74, BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499). Die Ausführungen der OFD in ihrer Beschwerdeentscheidung lassen weder eine Ermessensüberschreitung noch einen Ermessensfehlgebrauch erkennen.

a) Ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt bei der Umsatzsteuer nicht in Betracht. Der Kläger selbst hat nicht geltend gemacht, daß derartige Gründe vorliegen.

b) Auch die Ablehnung des Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen wegen fehlender Erlaßwürdigkeit ist nicht ermessensfehlerhaft. Die Erlaßwürdigkeit ist zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige die mangelnde Leistungsfähigkeit selbst herbeigeführt oder durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat (BFH-Urteile vom 14. November 1957 IV 418/56 U, BFHE 66, 398, BStBl III 1958, 153, und vom 29. April 1981 IV R 23/78, BFHE 133, 489, 493, BStBl II 1981, 726, 728). Letzteres ist insbesondere anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige seine steuerlichen Verpflichtungen vorsätzlich oder grob fahrlässig vernachlässigt hat (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 227 AO 1977 Tz. 54).

Da der Kläger im Veranlagungszeitraum 1981 ausschließlich selbständig tätig war, war er gemäß § 18 Abs. 2 Satz 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verpflichtet, vierteljährlich Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Dies hat er in vorwerfbarer Weise versäumt. Seine Einlassung, weder seine Steuerberaterin noch das FA und die Verwaltungen der Theater hätten ihn über diese Pflicht aufgeklärt, kann sein Fehlverhalten nicht entschuldigen. Er hätte von sich aus tätig werden und entsprechende Erkundigungen einziehen können und müssen. Denn gegenüber seinen bisherigen steuerlichen Verhältnissen war ab 1980 eine wesentliche Veränderung eingetreten, da er nur noch als freiberuflicher Sänger tätig war. Zwar hatte er auch in den Vorjahren Nebeneinkünfte aus freier Berufstätigkeit, diese fielen aber gegenüber seinen nichtselbständigen Einkünften kaum ins Gewicht: Sie betrugen z. B. laut Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung 1980 vom 1. Januar bis 31. August 1980 lediglich 2 896 DM. Demgegenüber betrugen seine Betriebseinnahmen aus freier Berufstätigkeit 1980 bereits 34 332 DM und 161 992 DM im Jahre 1981 einschließlich der nicht abgeführten Umsatzsteuer.

Durch seine Untätigkeit hat er die Einziehung der Umsatzsteuer unmöglich gemacht. Denn als er die Umsatzsteuererklärung 1981 schließlich im Juli 1983 abgab, waren seine Einnahmen so weit zurückgegangen, daß er die Umsatzsteuer nicht mehr aus seinen laufenden Einkünften finanzieren konnte. Dies wäre ihm 1981 noch möglich gewesen, denn die hohen Unterhaltsleistungen bestritt er weitgehend aus den von seinen späteren Schwiegereltern zur Verfügung gestellten Krediten, die zum 12. Oktober 1981 auf ein Volumen von 103 589,45 DM angewachsen waren.

Die Ablehnung des Erlasses der Umsatzsteuer rechtfertigt sich noch aus folgender Überlegung: Nach dem BFH-Urteil vom 22. April 1975 VII R 54/72 (BFHE 116, 87, BStBl II 1975, 727) rechtfertigt auch eine vom Steuerpflichtigen nicht verschuldete wirtschaftliche Notlage nicht zwangsläufig einen Erlaß. Vielmehr kann eine solche Notlage einen Billigkeitserweis regelmäßig nur dann rechtfertigen, wenn sie durch die Steuerfestsetzung selbst verursacht worden ist (BFH-Urteile vom 10. Mai 1972 II 57/64, BFHE 105, 458, BStBl II 1972, 649, und in BFHE 116, 87, BStBl II 1975, 727). Dies gilt insbesondere für Steuern, die ihren Grund nicht in der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen finden, sondern, wie die Umsatzsteuer, von diesem gleichsam nur treuhänderisch vereinnahmt werden.

Im Streitfall wurde die wirtschaftliche Notlage des Klägers nicht durch die Steuerfestsetzung verursacht, sondern durch die gegenüber der Umsatzsteuer weit höheren anderweitigen finanziellen Verpflichtungen des Klägers. Bei dieser Sachlage würde ein Erlaß der Steuerschuld in erster Linie den Gläubigern des Klägers, nicht aber diesem selbst zugute kommen.

2. Hinsichtlich der Klage wegen Erlasses der Einkommensteuer 1981 erweist sich die Beschwerde als begründet.

a) Ein Erlaß wäre allerdings nicht schon aus sachlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, kommt ein Erlaß wegen sachlicher Unbilligkeit nur in Frage, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers auf dem in Betracht kommenden Steuerrechtsgebiet angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber die im Billigkeitswege entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beantragten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1972 I R 125/70, BFHE 108, 146, BStBl II 1973, 271, m. w. N.). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes bewußt in Kauf genommen hat, rechtfertigen nicht den Erlaß aus Billigkeitsgründen (siehe BFH-Urteile vom 24. September 1976 I R 41/75, BFHE 120, 212, BStBl II 1977, 127, und vom 8. März 1984 I R 44/80, BFHE 140, 421, BStBl II 1984, 415, m. w. N.). Darüber hinaus muß die Tatsache der Besteuerung als solche, unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen, unbillig sein (Urteile in BFHE 108, 146, BStBl II 1973, 271, und in BFHE 133, 489, 492, BStBl II 1981, 726, 727).

Das FG hat im einzelnen dargelegt, daß in der für das Streitjahr geltenden Fassung des EStG der Abzug der Unterhaltsleistungen an den geschiedenen Ehegatten bewußt auf 9 000 DM begrenzt wurde (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 1980). Damit hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, daß alle diese Grenze übersteigenden Aufwendungen steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden können. Gleiche Erwägungen gelten für die Begrenzung der Vorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 3 EStG 1980 und der Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehegatten an Kinder nach § 33a Abs. 1a EStG 1980. Die vom Kläger gezahlten Zinsen, welche das FG zu Recht als Kosten der Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 EStG und nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) angesehen hat, waren daher wie die die Höchstbeträge übersteigenden Unterhaltsleistungen bewußt vom Abzug ausgeschlossen. Der vom Kläger hiergegen vorgetragene Einwand, er hätte die seiner Auffassung nach überhöhten Unterhaltsleistungen durch einen Kredit finanzieren müssen, um seine berufliche Existenz zu retten, betrifft seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und nicht die Besteuerung als solche.

b) Jedoch ist die Ablehnung des Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen nicht frei von Rechtsfehlern. Die OFD und mit ihr das FG haben bei der Prüfung der Erlaßwürdigkeit der sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der der Kläger sich im Jahre 1981 befand, nicht genügend Rechnung getragen.

Insbesondere hat das FG, welches bei der Prüfung von Ermessensentscheidungen der Verwaltung nicht gehindert ist, die maßgebenden Tatsachen abweichend von den Steuerbehörden festzustellen und Beweismittel anders zu würdigen (Urteil in BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499), die ausführliche Schilderung der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Klägers in seinem Schriftsatz vom 10. April 1984 weitgehend unberücksichtigt gelassen. Es ist möglich, daß das Erlaßbegehren bei ausreichender Berücksichtigung erfolgreich sein wird. Dies reicht für eine Bejahung der Erfolgsaussichten i. S. des § 114 ZPO aus, denn hiernach ist nicht erforderlich, daß der Erfolg der Klage gewiß ist, sondern daß der vom Kläger eingenommene Standpunkt vertretbar erscheint (Thomas / Putzo, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 14. Aufl., § 114 Anm. 3a; vgl. auch Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, § 114 Anm. 2 B a).

Die OFD hat die Erlaßwürdigkeit des Klägers vor allem deswegen verneint, weil er dem FA die wesentliche Veränderung seiner steuerlichen Verhältnisse nicht mitgeteilt hat, dadurch das FA daran hinderte, Vorauszahlungen gemäß § 37 EStG festzusetzen, und auch versäumt habe, für die Bezahlung der zu erwartenden Steuerschulden Vorsorge zu treffen. Der Senat folgt dem FG insoweit, als dem Kläger vorzuwerfen ist, daß er von sich aus dem FA keine Angaben über seine nunmehrige ausschließliche Betätigung als Freiberufler und über seine voraussichtlichen Einkünfte gemacht hat (vgl. oben Abschn. 1b). Steuerliches Fehlverhalten - selbst eine Bestrafung wegen Steuerhinterziehung - reicht aber für sich allein nicht aus, die Erlaßwürdigkeit in jedem Fall auszuschließen; maßgebend ist vielmehr auch hierbei eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (BFH-Urteil vom 2. März 1961 IV 126/60 U, BFHE 73, 53, BStBl III 1961, 288; siehe auch Tipke / Kruse, a. a. O., § 227 AO 1977 Tz. 50).

Im Streitfall ist insbesondere die Frage entscheidungserheblich, ob der Kläger auch bei korrektem steuerlichen Verhalten die Einkommensteuerschuld 1981 hätte zahlen können. Daran bestehen erhebliche Zweifel. Im Schriftsatz vom 10. April 1983 und in der Beschwerdebegründung vom 5. April 1986 hat der Kläger dargelegt, daß sein tatsächlich verfügbares Einkommen erheblich unter dem zu versteuernden Einkommen von 63 101 DM lag. Denn bei diesem waren laut Steuerbescheid vom 9. Januar 1985 Aufwendungen in Höhe von insgesamt 52 659 DM nicht berücksichtigt.

Schon hieraus ergibt sich, daß der Kläger zur Bezahlung der Einkommensteuerschuld 1981 nur (63 101 DM ./. 52 659 DM =) 10 442 DM aus eigenen Einkünften zur Verfügung hatte. Hinzu kommt, daß der Kläger insgesamt etwa 14 835 DM Unterhalt nachzuzahlen hatte. Der Kläger hat außerdem vorgetragen, daß er aufgrund des im Jahre 1980 ergangenen Ersturteils des Landgerichts gezwungen gewesen sei, monatlich 3 700 DM zu hinterlegen und daß er infolge des die Vorentscheidung im wesentlichen bestätigenden OLG-Urteils die Hinterlegungssumme von über 50 000 DM, die zur Steuerzahlung ausgereicht hätten, nicht zurückerhalten habe. Er wird diesen Vortrag in der Klagebegründung noch durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachzuweisen haben.

Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß der Kläger im Streitjahr seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten mußte. Auch hierzu hat er Angaben gemacht, z. B., daß er eine anteilige Monatsmiete von 1 300 DM zu entrichten hatte (S. 2 seines Schriftsatzes vom 10. April 1985). Selbst wenn man mit der OFD in Rechnung stellt, daß dem Kläger zur Bezahlung des Unterhalts an seine geschiedene zweite Frau Kreditmittel seiner späteren Schwiegereltern zur Verfügung standen, die er in einer Anlage zu seiner Einkommensteuererklärung 1981 auf 41 452,16 DM beziffert hat, darf nicht außer Betracht bleiben, daß er bereits 1981 hoch verschuldet war: Um seiner Unterhaltsverpflichtung nachzukommen, hatte er 1980 einen Bankkredit in Höhe von 24 623 DM aufnehmen müssen. Die Darlehensschuld gegenüber den späteren Schwiegereltern, die den Kläger schon seit September 1979 unterstützt hatten, war Anfang 1981 auf ca. 60 000 DM angewachsen. Hinzu kommen hohe Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von ca. 40 000 DM, die der Kläger auch in den Folgejahren nicht begleichen konnte, wie seine Schuldenaufstellung zum 10. Oktober 1984 zeigt. Bei dieser Sachlage war mit einer pünktlichen Bezahlung von Einkommensteuervorauszahlungen nicht zu rechnen, selbst wenn sie vom FA rechtzeitig und in zutreffender Höhe festgesetzt worden wären. In den Folgejahren hat sich seine wirtschaftliche Situation drastisch verschlechtert, weil er immer weniger engagiert wurde und ab Oktober 1983 überhaupt keine Engagements mehr erhielt. Bereits am 25. April 1983 hatte er die eidesstattliche Versicherung wegen Vermögenslosigkeit abgeben müssen. Aus den genannten Gründen ist sein steuerliches Fehlverhalten nicht so schwer zu bewerten wie bei der Nichtanmeldung und Nichtabführung der Umsatzsteuer, zumal er die Höhe der zu zahlenden Einkommensteuer nicht genau abschätzen konnte. Die Berechnungen schwankten zwischen 18 151 DM (Steuerberaterin) und 36 723 DM (Steuerbescheid des FA vom 27. Februar 1984).

Zu würdigen ist auch, daß die wirtschaftliche Notlage, in die der Kläger geriet, zumindest auch durch die Einkommensteuerfestsetzung verursacht worden ist (vgl. Urteile in BFHE 105, 458, BStBl II 1972, 649, und in BFHE 116, 87, BStBl II 1975, 727). Durch die oben (in Abschn. 2a) geschilderte gesetzliche Höchstbetragsregelung konnte sich ein Großteil der vom Kläger geleisteten Zahlungen nicht steuerlich auswirken, hat aber seine Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Gerade die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist aber bei der Einkommensteuer entscheidend zu berücksichtigen.

Dem Kläger ist daher für die Durchführung des Klageverfahrens betreffend den Erlaß von Einkommensteuer 1981 PKH zu gewähren, da er nach seinen glaubhaften Angaben im amtlich vorgeschriebenen Vordruck wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozeßführung aufzubringen (§§ 114, 117 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414989

BFH/NV 1987, 488

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