Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Vollstreckungsverbot trotz verfassungswidrigem Grundfreibetrag

 

Leitsatz (NV)

Die Frage, welche Auswirkungen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundfreibetrag (Beschluß vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) auf die Anwendung des § 251 Abs. 2 AO 1977 i. V. m. § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG hat, ist nicht mehr klärungsbedürftig, nachdem der BFH diese Frage mit eingehender Begründung dahingehend entschieden hat, daß aus der genannten Entscheidung des BVerfG ein Vollstreckungsverbot nicht abgeleitet werden kann, solange die darin für verfassungswidrig erklärten Regelungen der Besteuerung für eine Übergangszeit weiter anwendbar bleiben (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1994 VII R 20/94, BFHE 175, 519, BStBl II 1995, 42).

 

Normenkette

AO 1977 § 251 Abs. 2; BVerfGG § 79 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) -- zusammenveranlagte Eheleute -- für das Jahr 1987 hatte sich zu deren Lasten eine Nachzahlung ergeben, die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) zunächst antragsgemäß gestundet worden war. Die Nachzahlung sollte mit einem zu erwartenden Umsatzsteuererstattungsanspruch der Kläger für das Jahr 1985 verrechnet werden. Der am 6. Oktober 1993 vom FA durchgeführten Verrechnung widersprachen die Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Grundfreibetrag (Beschluß vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413), aus der ein Vollstreckungsverbot abzuleiten sei, und begehrten die Erstattung des Umsatzsteuerguthabens in Höhe von ... DM sowie die Niederschlagung der rückständigen Einkommensteuer 1987.

Mit Abrechnungsbescheid vom 2. November 1993 bestätigte das FA die durchgeführte Verrechnung und lehnte die begehrte Erstattung ab. Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 21. März 1994) und Klage der Kläger, mit der nur noch die Festsetzung eines Erstattungsbetrags in Höhe von ... DM begehrt wurde, blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hielt die vom FA vorgenommene Verrechnung für rechtlich zulässig. Aufrechnung bzw. Verrechnung seien keine Vollstreckungsakte i. S. des 6. Teils der Abgabenordnung (AO 1977), so daß demzufolge für ein aus § 79 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) abgeleitetes Vollstreckungsverbot kein Raum wäre. Selbst wenn man die vollzogene Verrechnung als einen vollstreckungsähnlichen Akt ansähe und § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG hierauf nach Maßgabe des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. März 1967 VII 164/62 (BFHE 88, 311, BStBl III 1967, 381) analog anzuwenden wäre, wäre die Klage gleichwohl abzuweisen, denn nach der unzweideutigen Aussage des BVerfG im Beschluß in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413 gelte § 32 a Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) trotz Feststellung seiner Unvereinbarkeit mit der Verfassung bis zu einer Neuregelung spätestens zum 1. Januar 1996 weiter. Ein Vollstreckungsverbot für die Zeit davor lasse sich daher nicht begründen. Für weitere Einzelheiten der Begründung wird auf den Abdruck der Vorentscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 555 verwiesen.

Ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das vorinstanzliche Urteil stützen die Kläger auf alle drei Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Soweit die Kläger die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, welche Auswirkungen die Rechtsprechung des BVerfG auf die Anwendung des § 251 Abs. 2 AO 1977 i. V. m. § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG habe, begehren, ist nicht dargelegt, daß das vorinstanzliche Urteil auf dieser Frage beruht. Denn das FG hat sein Urteil ersichtlich schon darauf gestützt, daß Aufrechnung bzw. Verrechnung keine Vollstreckungsakte sind und folglich schon deshalb § 79 Abs. 2 BVerfGG nicht zur Anwendung kommt. Diese Erwägung des FG bliebe auf jeden Fall als tragende Begründung der Vorentscheidung von den Angriffen der Kläger in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde unberührt, denn die Kläger haben insoweit weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen noch es vermocht, andere Zulassungsgründe mit Erfolg geltend zu machen.

Selbst wenn man aber die vom FG gegebene Begründung der Vorentscheidung nicht als eine doppelte, sondern als in sich zusammenhängende einheitliche Begründung ansehen wollte, fehlte es an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Der Senat hat nämlich bereits in seinem Urteil vom 18. Oktober 1994 VII R 20/94 (BFHE 175, 519, BStBl II 1995, 42) mit eingehender Begründung entschieden, daß aus dem Beschluß des BVerfG zum Grundfreibetrag (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) ein Vollstreckungsverbot gemäß § 79 Abs. 2 BVerfGG nicht abgeleitet werden kann, solange die für verfassungswidrig erklärten Regelungen für eine Übergangszeit weiter anwendbar bleiben. Die hiergegen vorgebrachten Angriffe der Kläger lassen keine neuen Gesichtspunkte erkennen, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen. Zwar setzen sich die Kläger in ihrer Beschwerdebegründung eingehend mit dem betreffenden Rechtsproblem auseinander und legen auch dar, worin sie noch vermeintlich ungeklärte Fragen sehen (s. zu diesen Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, über die der BFH bereits früher entschieden hat, Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 115 Anm. 62). Der Senat hat jedoch in seinem genannten Urteil alle diese Punkte, soweit sie nicht ohnehin auf einer Fehlinterpretation dieses Urteils seitens der Kläger beruhen, bereits berücksichtigt und für nicht geeignet befunden, eine anderweitige Entscheidung zu rechtfertigen.

Im übrigen ergeht dieser Beschluß nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 284

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