Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe bei Klage auf Erlaß von Einkommensteuer

 

Leitsatz (NV)

Prozeßkostenhilfe, die für eine Klage auf Erlaß von Einkommensteuer begehrt wird, kann nicht ohne Prüfung der Erfolgsaussichten schon deswegen gewährt werden, weil der Antragsteller die Kosten der Prozeßführung nach seinen persönlichen und wirtschftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114; AO 1977 § 227 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Da der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) keine Steuererklärungen abgegeben hatte, erließ das Finanzamt (FA) F am 16. Mai 1977 im Schätzungswege u. a. Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1970 bis 1973.

Den Einspruch hiergegen verwarf das FA B (der Beklagte - FA -) wegen Fristversäumnis als unzulässig. Die anschließende Klage wurde als unbegründet, die dagegen eingelegte Revision als unzulässig abgewiesen.

Den am 7. Juli 1981 beantragten Erlaß der Einkommensteuer 1970 bis 1973 lehnte das FA und auf die Beschwerde die Oberfinanzdirektion (OFD) mit Entscheidung vom 2. Juni 1986 ab.

Mit der noch anhängigen Erlaßklage trug der Antragsteller vor, die Schätzung sei zumindest für die Jahre 1970 und 1971 unschlüssig, da zu Unrecht Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt worden seien. Er, der Antragsteller, habe nämlich als Alleinstehender nicht gleichzeitig einen Gewerbebetrieb führen und als Arbeitnehmer tätig sein können. Für 1972 hätte die Steuerschuld zutreffend aus der Lohnsteuerkarte und für 1973 aus den Lohnabrechnungen ermittelt werden können.

Zugleich mit der Klagebegründung ersuchte der Antragsteller um Gewährung von Prozeßkostenhilfe. Diesen Antrag wies das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 3. März 1987 mangels hinreichender Erfolgsaussichten zurück. Der abgelehnte Erlaß lasse keine Ermessensfehler erkennen, so daß für einen Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht einmal eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche. Abgesehen davon, daß der Antragsteller wegen der Nichtabgabe von Steuererklärungen die Ursache für die Schätzung gesetzt habe, könne die Schätzung auch in der Sache nicht als offensichtlich und eindeutig falsch eingestuft werden. Ebensowenig könne festgestellt werden, daß es dem Antragsteller nicht möglich und zumutbar gewesen sei, sich gegen eine Fehlerhaftigkeit der Bescheide rechtzeitig zu wehren.

Mit der dieses Verfahren betreffenden Beschwerde gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe hat der Antragsteller eine auf amtlichem Vordruck abgegebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Der Antragsteller trägt vor, da das FG die beantragte Prozeßkostenhilfe lediglich mangels Erfolgsaussichten abgelehnt habe, sei unbestritten, daß er, der Antragsteller, nach seiner wirtschaftlichen Lage Anspruch auf Prozeßkostenhilfe habe. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten habe das FG verkannt, daß mit der Klage auf Erlaß der Einkommensteuer nicht über eine materielle Klage, sondern über eine Billigkeitsmaßnahme zu entscheiden sei. Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen müßten immer eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben.

Die erhobene Steuer sei eine ,,Strafsteuer", die seine, des Antragstellers, wirtschaftliche Existenz zerstört habe. Es sei eines Rechtsstaats unwürdig, auf der Einziehung unrechtmäßiger Steuern zu bestehen, die nur infolge eines verspäteten Einspruchs rechtskräftig geworden seien. Zwar sei die festgesetzte ,,Strafsteuer" auch darauf zurückzuführen, daß keine Steuererklärungen abgegeben worden seien. Gleichwohl müsse eine ,,Begnadigung" möglich sein, zumal auch bei lebenslänglicher Haft eine vorzeitige Entlassung in Betracht komme.Der Antragsteller beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Beschlusses vom 3. März 1987 ihm für das Verfahren vor dem FG wegen Erlaß von Einkommensteuer 1970 bis 1973 Prozeßkostenhilfe zu gewähren.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozeßkostenhilfe (PKH), wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Danach kann PKH nur gewährt werden, wenn neben den persönlichen Voraussetzungen das Erfordernis hinreichender Erfolgsaussicht zu bejahen ist. Dies gilt auch, wenn - wie im Streitfall - Billigkeitsentscheidungen zu beurteilen sind. Deshalb ist bei Erlaßklagen nicht schon allein deshalb PKH zu gewähren, weil die persönlichen Voraussetzungen der Prozeßkostenhilfe vorliegen.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist.

Im Streitfall betrifft die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht auch den Erlaß von Säumniszuschlägen, da die Entscheidung hierüber im angegriffenen Beschwerdebescheid vom 2. Juni 1986 ausdrücklich zurückgestellt worden ist und die Erlaßklage folgerichtig nur wegen der Steuern der Streitjahre erhoben worden ist. Für diese Klage sind keine hinreichenden Erfolgsaussichten erkennbar.

Da mit der Klage die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme der Verwaltung herbeigeführt werden soll, hat das FG nur zu prüfen, ob der abgelehnte Erlaß mit den in der Beschwerdeentscheidung wiedergegebenen Gründen rechtswidrig war, ,,weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigungsnorm nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist" (§ 102 FGO). Das Gericht kann die Billigkeitsentscheidung nur auf Ermessensfehler überprüfen. Es kann nicht seine Entscheidung an die Stelle der Entscheidung der Verwaltung setzen. Hat die Verwaltung eine unter rechtlichen Gesichtspunkten mögliche Entscheidung getroffen, so kann ein Gericht diese Entscheidung selbst dann nicht abändern, wenn es im konkreten Fall auch eine andere Entscheidung für vertretbar gehalten hätte.

Ein Erlaß bestandskräftig festgesetzter Steuern aus sachlichen Gründen kam in Betracht, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch war und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. April 1981 VI R 169/78, BFHE 133, 255, BStBl II 1981, 611, und vom 26. Februar 1987 IV R 298/84, BFHE 149, 126). Danach ist, auch unter Berücksichtigung der Einwände des Antragstellers, nicht hinreichend wahrscheinlich, daß der verweigerte Erlaß aus sachlichen Gründen auf Ermessensfehlern beruht.

Hinsichtlich der tatsächlichen Höhe seiner Einkünfte in den Streitjahren hat sich der Antragsteller mit der Behauptung begnügt, die bei zutreffender Ermittlung angefallene Steuer würde die weitgehend im Wege von Vollstreckungsmaßnahmen beigetriebenen Steuern nicht übersteigen. Hingegen hat er seine Behauptung trotz wiederholter Ankündigungen nicht durch die Vorlage der Steuererklärungen mit Ermittlung der gewerblichen Gewinne und der Lohnsteuerkarten für 1970, 1971 und 1973 konkretisiert. Infolgedessen bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, in welchem Umfang die geschätzten Beträge eine Billigkeitskorrektur erforderlich machen könnten. Insbesondere ist nicht festzustellen, ob und in welchem Maße im Übergangsjahr 1970 noch wie im Vorjahr gleichzeitig Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit erzielt worden sind. Wenn auch die Tatsache überhöhter Schätzungen für 1970 bis 1972 nicht auszuschließen ist, kann den Erläuterungen des Antragstellers bislang nicht entnommen werden, daß die Schätzungen offensichtlich und eindeutig falsch sind. Da sich die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht lediglich auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Schätzungsbescheiden bezieht, sondern darauf, ob bestandskräftige Bescheide infolge offensichtlicher Fehlerhaftigkeit einen Erlaß rechtfertigen, können Darlegungen zur möglichen Fehlerhaftigkeit der Bescheide nicht schon eine hinreichende Erfolgsaussicht begründen.

Auch zu einer möglichen Korrektur der Schätzungen im durchgeführten Rechtsbehelfsverfahren hat sich der Antragsteller nicht hinreichend geäußert. Nachdem der Antragsteller bei seiner Vorsprache an Amtsstelle am 5. Dezember 1977 angekündigt hatte, er werde überprüfen, ob ihm die Bescheide vom 16. Mai 1977 zugegangen seien, hätte eine alsbaldige Stellungnahme nahegelegen. Gründe, warum diese, wie auch eine fristgerechte Reaktion auf die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidungen vom 16. März 1978 unterblieben ist, wurden nicht mitgeteilt.

Die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung für die Ablehnung eines Erlasses aus persönlichen Gründen angeführten Erwägungen lassen ebenfalls Ermessensfehler nicht erkennen.

Die Behauptung des Antragstellers, durch die Erhebung der festgesetzten Steuer sei seine wirtschaftliche Existenz zerstört worden, ist mangels näherer Erläuterungen nicht nachvollziehbar. Wie die OFD unwidersprochen dargelegt hat, ist durch die dem Antragsteller im Rahmen der Pfändungsschutzgrenzen verbleibenden Mittel sein Lebensunterhalt gesichert. Bei Beurteilung der Erlaßwürdigkeit konnte auch berücksichtigt werden, daß der Antragsteller seiner Verpflichtung, durch Abgabe von Steuererklärungen bei der Ermittlung der streitigen Steuern mitzuwirken, nachhaltig nicht nachgekommen ist und - von einer einmaligen Zahlung abgesehen - keine, gemessen an seinen Einnahmen ausreichende, Anstrengungen unternommen hat, die Steuerrückstände abzutragen (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1961 IV 126/60 U, BFHE 73, 53, BStBl III 1961, 288).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415264

BFH/NV 1987, 804

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