Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretungsbefugnis einer Rechtsanwalts-AG vor dem BFH

 

Leitsatz (NV)

Der Gleichheitssatz und das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) gebieten es, eine von der zuständigen Rechtsanwaltskammer zugelassene Rechtsanwalts-AG ebenso zur Vertretung vor dem BFH zuzulassen, wie die nach § 49 StBerG und § 27 WPO in der Rechtsform der AG zugelassenen Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Anschluss an Urteil des BFH vom 11. März 2004 VII R 15/03, StE 2004, 310).

 

Normenkette

FGO § 62a; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Beschluss vom 04.02.2004; Aktenzeichen 5 K 6174/02)

 

Tatbestand

Die Kläger, zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten, führen beim Finanzgericht (FG) X einen Rechtsstreit gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) wegen der Besteuerung ihrer Einkünfte aus einem Gartenbaubetrieb. Als Prozessbevollmächtigter war der Steuerberater A, der Beschwerdeführer, bestimmt. Nachdem das FG erfahren hatte, dass die Bestellung des A zum Steuerberater widerrufen worden war, wies es den Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Beschluss als Bevollmächtigten zurück, weil er nicht mehr befugt sei, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten.

Gegen den Beschluss des FG legte eine Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform einer AG für den Beschwerdeführer Beschwerde ein. Die Beschwerdeschrift ist von einer Rechtsanwältin als Vorstand der Prozessbevollmächtigten unterzeichnet.

Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben, hilfsweise, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften verschiedene, im Einzelnen im Beschwerdeschriftsatz vom 19. Februar 2004 formulierte Fragen vorzulegen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung des FA verstößt die Vertretung des Beschwerdeführers durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform einer AG nicht gegen den Vertretungszwang gemäß § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der beschließende Senat folgt insoweit den Entscheidungen des I. und VII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach es der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) gebieten, die Rechtsanwalts-AG ebenso zur Vertretung vor dem BFH zuzulassen wie die nach § 49 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) und § 27 der Wirtschaftsprüferordnung in der Rechtsform der AG zugelassenen Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (vgl. das dieselbe Prozessbevollmächtigte betreffende Urteil des BFH vom 11. März 2004 VII R 15/03, zur Veröffentlichung bestimmt; ebenso schon BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2003 I B 168/03, BFH/NV 2004, 224, jeweils m.w.N. von Rechtsprechung und Schrifttum, die Anerkennung der AG zur anwaltlichen Berufsausübung betreffend).

Der Senat geht davon aus, dass die Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers auch als Rechtsanwaltsgesellschaft von der zuständigen Rechtsanwaltskammer zugelassen ist. Das FA hat zwar auf eine die Zulassung ablehnende Rechtsprechung des Anwaltsgerichtshofs Hamm hingewiesen, ist aber der konkreten Behauptung einer vorliegenden Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer Köln nicht entgegengetreten. Die Prozessbevollmächtigte wurde bei Einlegung und Begründung der Beschwerde auch durch eine gemäß § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Person tätig.

 

Entscheidungsgründe

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Sie war daher durch Beschluss zurückzuweisen.

Das FG hat den Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO als Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen. Auf die Beschlüsse des BFH vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02 (BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422) und vom 29. April 2003 IV B 227/02, IV B 228/02, IV B 14/03 (BFH/NV 2003, 1222), die ebenfalls die Zurückweisung des Beschwerdeführers betreffen, wird verwiesen (s. auch BFH-Beschluss vom 4. April 2003 III B 135/02, BFH/NV 2003, 1094; die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 27. Juni 2003 2 BvR 922/03 nicht zur Entscheidung angenommen).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im Streitfall schließlich auch ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) nicht erforderlich. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss in BFH/NV 2003, 1222 ausgeführt, dass der Widerrufstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist und insbesondere nicht gegen die durch Art. 43 ff. EG gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die durch Art. 49 ff. EG verbürgte Dienstleistungsfreiheit verstößt. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird im Einzelnen verwiesen. Die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung des Senats wurde durch Beschluss des BVerfG vom 11. August 2003 2 BvR 1033/03 nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1165710

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