Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Vorabentscheidung vom 06.06.1989 - VII K 18/88

 

Leitsatz (amtlich)

Sind Fruchtsäfte mit erheblichem Zuckerzusatz (Zuckeranteil 60 %) noch als Fruchtsäfte im zolltariflichen Sinn anzusehen? (Vorlage an den Europäischen Gerichtshof)

 

Normenkette

KN Pos 2009; EWGVtr Art. 177 Abs. 1, 3

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 18.04.1991; Aktenzeichen C-219/89)

 

Tatbestand

I. Die Beklagte (Oberfinanzdirektion --OFD--) erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über eine von der Klägerin als "Orangensaft, gezuckert" bezeichnete Ware. Diese Ware setzt sich zu 39,4 % aus Orangensaft und zu 60,6 % aus Zucker zusammen und soll nach den Angaben der Klägerin durch Zugabe von Wasser und/oder Zugabe von Zucker zu Fertiggetränken weiterverarbeitet werden. Die OFD wies die Ware als "Lebensmittelzubereitung, anderweit weder genannt noch inbegriffen" der Unterposition 2106 9099 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zu. Mit der von ihr nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Einreihung der Ware in die Unterposition 2009 1999 KN. Durch den Zuckerzusatz werde das Produkt nicht von der Position 2009 KN ausgeschlossen. Der ursprüngliche Charakter des Fruchtsaftes werde durch den Zuckerzusatz nicht verändert. Die Ware habe auch nach dem Zusatz noch die typische gelbe Farbe eines Orangensaftes und schmecke eindeutig danach. Die OFD ist dagegen der Auffassung, daß das Erzeugnis aufgrund des Zuckerzusatzes nicht mehr den Charakter eines mit Zucker gesüßten Orangensaftes aufweise. Auch ein "sirupartiges Getränk" liege nicht vor, da es zum unmittelbaren Verzehr als Getränk weder bestimmt noch geeignet sei. Wegen ihres hohen Zuckergehaltes sei die Ware vielmehr als Sirup für die Getränkeherstellung anzusprechen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften, nämlich solcher der KN, ab. Der Senat ist daher nach Art.177 Abs.1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet.

Die Position 2106 KN, der die OFD das Erzeugnis zugeordnet hat, ist eine Auffangposition. Das Erzeugnis wird von ihr also nur erfaßt, wenn es nicht anderweit genannt oder inbegriffen ist. In Betracht kommt die Position 2009 KN ("Fruchtsäfte ... auch mit Zusatz von Zucker ..."). Schon nach ihrem Wortlaut gilt diese Position nur für Fruchtsäfte, so daß sie Produkte aus Fruchtsäften und Zucker nicht umfaßt, die nicht mehr den Charakter von Fruchtsäften haben (vgl. auch die Erläuterungen zum Harmonisierten System, Position 2009, RZ 12.0, wonach ein Zuckerzusatz zu Fruchtsäften nur dann unschädlich ist, wenn der "ursprüngliche Charakter" der Fruchtsäfte erhalten bleibt).

Der Senat neigt zu der Auffassung, daß eine Ware von der Beschaffenheit der zu tarifierenden nicht mehr den Charakter eines Fruchtsafts hat, weil sie nur noch zu weniger als der Hälfte aus Fruchtsaft besteht, nicht mehr die Konsistenz von Fruchtsaft besitzt, sondern sirupähnlich ist und nicht zum unmittelbaren Trinken geeignet ist. Die gleiche Auffassung vertreten der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie in einem Schreiben vom 14.April 1987 und der Bundesverband der deutschen Erfrischungsgetränke-Industrie in einem Schreiben vom 24.Februar 1987, jeweils an die OFD gerichtet. Auch Art.1 Nr.5, Art.4 Abs.2 der Richtlinie 75/726/EWG des Rates vom 17.November 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Fruchtsäfte und einige gleichartige Erzeugnisse (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 311/40) sprechen für diese Auslegung; danach ist ein Zusatz nur verhältnismäßig geringer Zuckermengen zu Fruchtsäften zulässig und muß das Produkt Farbe, Aroma und Geschmack der Säfte der Früchte besitzen. Nach Mitteilung der Klägerin reihen allerdings die Zollstellen einiger Mitgliedstaaten Waren von der Beschaffenheit der hier zu tarifierenden in die Position 2009 KN ein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62709

BFHE 157, 262

BFHE 1990, 262

BB 1989, 1544-1544 (L)

DStR 1989, 470 (K)

HFR 1989, 565 (LT)

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