Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bei nur begrenzter Erfolgsaussicht

 

Leitsatz (NV)

Ergibt die Prüfung, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur teilweise Erfolg verspricht, ist Prozeßkostenhilfe nur zur Geltendmachung dieser beschränkt erfolgversprechenden Rechtsverfolgung zu bewilligen.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 121 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Antragsteller beantragte bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1981, eigene Krankheitskosten in Höhe von 6589,16 DM und Fahrtkosten anläßlich der krankheitsbedingten Betreuung seiner blinden und fast tauben, zu 100 v. H. in der Erwerbsfähigkeit geminderten Mutter gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1981 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Seine Krankheitskosten, die der Antragsteller aus einem im Streitjahr aufgenommenen Darlehen beglichen hat, setzen sich wie folgt zusammen:

Arzneikosten ohne Rezept 2713,20 DM

Kosten für medizinische Literatur 2267,45 DM

Behandlungskosten für Zahnarzt und Heilpraktiker 1074,24 DM

Kosten für Diätlebensmittel 534,27 DM

Summe 6589,16 DM.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den begehrten Abzug wegen fehlenden Nachweises der Aufwendungen. Die Klage hatte nur zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für die ohne Rezept erworbenen Arzneimittel, für medizinische Literatur und für Diätlebensmittel. Von den kreditfinanzierten Krankheitskosten erkannte das FG lediglich die im Streitjahr geleisteten Raten zur Tilgung des Darlehens (845 DM) als außergewöhnliche Belastung an. Von den Fahrtkosten anläßlich der Betreuung seiner Mutter, die der Kläger mit 9228,96 DM geltend gemacht hat, sah das FG nur einen Teilbetrag von 2458,08 DM als berücksichtigungsfähig an. Die Vorinstanz ging davon aus, daß der Antragsteller an 190 Arbeitstagen mit sog. Normalschicht die Besuche seiner Mutter jeweils morgens mit der Fahrt von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und abends mit der Rückfahrt zu seiner Wohnung verbunden hat. Da die kürzeste Entfernung von der Wohnung des Antragstellers zur Wohnung seiner Mutter 8 km und von dort zur Arbeitsstätte des Antragstellers ebenfalls 8 km betragen habe, ergebe sich bei zwei Besuchen arbeitstäglich insgesamt eine Fahrtstrecke von 32 km. Das FG lehnte es ab, der Berechnung der außergewöhnlichen Belastung die verkehrsmäßig günstigere Fahrtstrecke zwischen der Wohnung des Antragstellers und der seiner Mutter mit einer Länge von 14 km zugrunde zu legen. Zwangsläufig erwachsen seien nur die Fahrtkosten für den kürzesten Weg zwischen beiden Wohnungen. Da das FA die Aufwendungen des Antragstellers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter Berücksichtigung einer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 14 km bereits gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als Werbungskosten abgesetzt habe, seien die Aufwendungen für 4 km arbeitstäglich, insgesamt also (190 Tage x 4 km x 0,36 DM =) 273,60 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.Für Arbeitstage mit sog. Wechselschicht sei davon auszugehen, daß nur zwei Besuche täglich zur Pflege der kranken Mutter als zwangsläufig i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusehen seien. Da der Antragsteller einen der anzuerkennenden zwei Besuche mit der Fahrt zur Arbeitsstätte habe verbinden können, ergebe sich für diesen Besuch eine Fahrtstrecke von insgesamt 16 km. Da das FA auch insoweit bereits die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 14 km gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG berücksichtigt habe, seien nur die Fahrtkosten für 2 km als außergewöhnliche Belastung anzusetzen. Für die Tage mit Wechselschicht sei glaubhaft dargetan, daß der Antragsteller seinen zweiten Besuch bei seiner Mutter von seiner Wohnung aus und ohne Verknüpfung mit einer Fahrt von oder zu seiner Arbeitsstätte durchgeführt habe. Es seien daher Fahrtkosten für weitere 16 km arbeitstäglich zu berücksichtigen. Dies ergebe bei 40 Arbeitstagen mit Wechselschicht einen Abzugsbetrag von (40 Tage x 18 km x 0,36 DM =) 259,20 DM. Schließlich sei davon auszugehen, daß auch an arbeitsfreien Tagen dem Antragsteller die Aufwendungen für jeweils nur zwei Besuche seiner Mutter zwangsläufig erwachsen seien. Die zweimalige Hin- und Rückfahrt zu und von der Wohnung seiner Mutter ergebe eine Strecke von 32 km pro Tag. Bei insgesamt 134 arbeitsfreien Tagen seien (134 Tage x 32 km x 0,36 DM =) 1543,68 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Die Aufwendungen für zusätzliche Fahrten, die der Antragsteller für Einkäufe und Arztbesuche seiner Mutter ausgeführt habe, seien wöchentlich mit 20 km anzusetzen. Diese Schätzung berücksichtige, daß die Mutter des Antragstellers in der Nähe ihrer Wohnung praktizierende Ärzte aufgesucht und der Antragsteller die notwendigen Einkäufe für seine Mutter regelmäßig mit dem Einkauf seines eigenen Bedarfs verbunden habe. Danach seien zusätzliche Fahrtkosten im Betrag von (53 Wochen x 20 km x 0,36 DM =) 381,60 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Er beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und Aufwendungen von insgesamt (15 812,12 DM ./. 534,27 DM =) 15 283,85 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Zugleich beantragt der Antragsteller, ihm zur Durchführung des Revisionsverfahrens Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt Dr. A als Prozeßvertreter beizuordnen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Gewährung von PKH ist zum Teil begründet.

1. Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist PKH auf Antrag zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Außerdem ist erforderlich, daß der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für seinen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Dabei ist eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten nicht erlaubt (Beschluß des Senats vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526, mit weiteren Hinweisen). Demnach ist die Rechtsverfolgung hinreichend erfolgversprechend, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Soweit im Besteuerungsverfahren Schätzungen vorzunehmen sind, kommt es für die Gewährung der PKH wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatbestandsmerkmale der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526). Ergibt die Erfolgsprüfung, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur teilweise Erfolg verspricht, ist - dem Zweck des § 114 Satz 1 ZPO entsprechend - PKH nur zur Geltendmachung dieser beschränkt erfolgversprechenden Rechtsverfolgung zu bewilligen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Mai 1985 VIII S 18/84, BFH/NV 1987, 186; vgl. auch Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl. 1986, § 90 III 1. a; Zöller / Schneider, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., 1987, § 114 Rdnr. 36, m.w.N.).

2. Im Streitfall ist PKH nur für 14/25 der Kosten der Prozeßführung zu gewähren, weil die beabsichtigte Prozeßführung bei summarischer Prüfung nur in diesem Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

a) Von den im Revisionsverfahren noch mit 6054,89 DM geltend gemachten Krankheitskosten können bei summarischer Prüfung nur die Behandlungskosten sowie allenfalls die Aufwendungen für medizinische Literatur im Gesamtbetrag von 3341,69 DM gemäß § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

b) Den Abzug der Fahrtkosten begehrt der Antragsteller im Revisionsverfahren in unveränderter Höhe mit 9228,96 DM. Bei summarischer Prüfung geht der erkennende Senat davon aus, daß die kürzeste benutzbare Strecke zwischen der Wohnung des Antragstellers und seiner Mutter 14 km beträgt. Der Senat unterstellt, daß der Antragsteller diese Fahrtstrecke stets gewählt hat. Im übrigen folgt der erkennende Senat den Schätzungen des FG und pflichtet auch der Auffassung des FG bei, daß dem Antragsteller Kosten für lediglich zwei Besuchsfahrten täglich zwangsläufig erwachsen sind. Auf dieser Grundlage berechnen sich die bei summarischer Prüfung anzuerkennenden Fahrtkosten auf insgesamt 4694 DM. Berechnung:

190 Tage x (44 km ./. 28 km gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG

berücksichtigt) 0,36 DM = 1094,00 DM

40 Tage x (28 km + 22 km abzüglich 14 km gemäß § 9 Abs. 1

Satz 3 Nr. 4 EStG berücksichtigt) 0,36 DM = 518,00 DM

134 Tage x (28 km + 28 km) 0,36 DM = 2701,00 DM

Aufwendungen für Arzt- und Einkaufsfahrten 381,00 DM

Summe 4694,00 DM.

c) Die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens ergeben sich aus folgender Berechnung:

. . .

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren eine Herabsetzung der Einkommensteuerschuld lt. FG-Urteil von 6523 DM auf 2554 DM. Bei summarischer Prüfung besteht hinreichende Erfolgsaussicht nur dafür, daß die Einkommensteuerschuld auf 4315 DM herabzusetzen sein wird. Demgemäß verspricht die beabsichtigte Prozeßführung lediglich in einem Umfang von 14/25 Erfolg.

d) Nach der vorliegenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Verbindung mit der Anlage zu § 114 ZPO ist die PKH ratenfrei zu gewähren.

3. Dem Antrag auf Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. A als Prozeßbevollmächtigten war stattzugeben (§ 121 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 142 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 56

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