Leitsatz (amtlich)

1. Für ein steuergerichtliches Verfahren, das bei Inkrafttreten der FGO bereits anhängig war, sind die Gebühren und Auslagen nach den Vorschriften des GKG zu erheben.

2. In einem steuergerichtlichen Verfahren kann eine Urteilsgebühr auch für ein Urteil erhoben werden, das nicht auf Grund streitiger Verhandlung ergangen ist.

2. Auch Beamte, die als Zeugen geladen worden sind, erhalten wenigstens die nach dem geringsten Satz bemessene Entschädigung, es sei denn, daß sie durch die Heranziehung ersichtlich keine Nachteile erlitten haben.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 1, § 184; GKG § 25 Abs. 1 Nr. 3, § 92 Nr. 4; ZuSEG §§ 1, 2 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer legte mit Schriftsatz vom 28. Juni 1960 wegen der Festsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1952 bis 1957 das damals vorgesehene Rechtsmittel der Berufung ein. Auf Grund entsprechender Ladungen durch das FG erschienen in dessen öffentlicher Sitzung am 20. Mai 1964 in der Berufungssache des Beschwerdeführers als Auskunftspersonen der Steueramtmann A, der Steuerinspektor B, der Steueroberinspektor C und der Steuerrat D.

Von diesen wurden nur der Steuerrat D und der Steueramtmann A vernommen. Durch Urteil des FG vom 20. Mai 1964 wurden dem Beschwerdeführer 81 v. H. der Verfahrenskosten auferlegt. Über die Revision des Beschwerdeführers gegen das Urteil des FG entschied der BFH durch Urteil vom 26. September 1968. Die Revision blieb ohne Erfolg. Dem Beschwerdeführer wurden auch die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt. Die Geschäftsstelle des FG berechnete den Gerichtskostenanteil des Beschwerdeführers für das Verfahren vor dem FG auf 327,30 DM und setzte die Kosten des Verfahrens vor dem BFH mit 284 DM an. Der Kostenberechnung wurden die Vorschriften des GKG zugrunde gelegt. Bei der Berechnung der Kosten wurden u. a. für das Verfahren vor dem FG eine Urteilsgebühr in Höhe von 79 DM sowie 143 DM als Zeugenentschädigung für die genannten Auskunftspersonen berücksichtigt, wobei den Auskunftspersonen als Entschädigung für Verdienstausfall 1 DM je Stunde (insgesamt 37 DM) zuerkannt worden war.

Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers setzte das FG durch Beschluß vom 8. Oktober 1969 die Kosten für das Verfahren vor dem FG auf 322,60 DM und die Kosten für das Verfahren vor dem BFH auf 142 DM herab. Im übrigen wies das FG die Erinnerung zurück. Die Herabsetzung der Kosten für das Verfahren vor dem FG ist darauf zurückzuführen, daß das FG den vom Beschwerdeführer zu zahlenden Anteil der Entschädigung für die Auskunftspersonen um insgesamt 4,70 DM gekürzt hat. Gegen den Beschluß ließ das FG die Beschwerde zu.

Der Beschwerdeführer legte im wesentlichen mit der Begründung Beschwerde ein, er sei nicht überzeugt, daß das Kostenrecht der FGO angewandt werden müsse, wenn dem Kläger dadurch die langen Prozeßzeiten angelastet würden. Darin liege eine Mißachtung des Recht suchenden Bürgers. Im Verfahren vor dem FG sei eine Urteilsgebühr nicht angefallen, da nicht streitig verhandelt worden sei. Mit Rücksicht auf den niedrigen Streitwert in dem Rechtsstreit wegen der Umsatzsteuer sei das Aufbieten von vier Zeugen nicht vertretbar gewesen. Auskünfte hätten auch durch eine richterliche Vernehmung am Wohnort ermittelt werden können. Die Kosten der nicht gehörten Zeugen hätten abgesetzt werden müssen. Die Zeugen hätten durch die Vorladung keine Nachteile gehabt. Für Beamte gebe es keine Überstundenregelung, und etwaige Arbeitshäufungen habe der Dienstherr im Rahmen seiner Organisationsgewalt zu regeln, ohne daß den betroffenen Beamten irgendwelche Nachteile entstünden. Die Entschädigungsbeträge seien so erheblich, daß Überstunden der Beamten durch Aufzeichnungen der Arbeitszeiten hätten nachgewiesen werden müssen. Es werde nochmals beantragt, von der Kostenerhebung ganz oder teilweise abzusehen und § 7 GKG anzuwenden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die Beanstandung des Beschwerdeführers, daß seine Erinnerung sich gegen die Kostenrechnung der Geschäftsstelle des FG vom 3. Dezember 1968 richte und daß ihm eine Kostenrechnung vom 26. November 1968, die im Beschluß des FG angezogen worden sei, nicht vorliege, vermag keinen Zweifel daran zu begründen, daß der angefochtenen Entscheidung des FG die Kostenrechnung zugrunde liegt, gegen die auch die Erinnerung gerichtet war. Das ergibt sich bereits aus den Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung des FG, so daß es nicht erforderlich war, die Abweichungen der Datumsangaben aufzuklären.

Dem angefochtenen Kostenansatz sind zu Recht die Vorschriften des GKG zugrunde gelegt worden. Diese Vorschriften waren gemäß § 140 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 184 FGO anzuwenden. § 140 Abs. 1 FGO gehört zum Prozeßkostenrecht und damit zum Prozeßrecht. Derartige Vorschriften erfassen ein anhängiges Verfahren von dem Zeitpunkt an, in dem sie in Kraft treten (vgl. Beschluß des BVerfG 2 BvL 4/59 vom 31. Mai 1960, BVerfGE 11, 139 [146]; Beschluß des BFH V 8/64 vom 7. Juli 1966, BFH 86, 502 [503], BStBl III 1966, 565). § 140 FGO ist gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 FGO am 1. Januar 1966 in Kraft getreten, so daß die Vorschriften des GKG in einem anhängigen Steuerrechtsstreit von diesem Zeitpunkt an anzuwenden waren. Zu diesem Zeitpunkt war der Rechtsstreit des Beschwerdeführers gegen das FA wegen der Umsatzsteuer für die Jahre 1952 bis 1957 noch anhängig. Er ist erst durch das Urteil des BFH vom 26. September 1968 rechtskräftig beendet worden.

Für die Anwendung des § 140 Abs. 1 FGO kommt es nicht darauf an, wann die Tatbestände verwirklicht worden sind, an die die Folge der Gebühren- und Auslagenerhebung nach den Vorschriften des GKG geknüpft ist. Auch soweit die Gebührentatbestände vor dem Inkrafttreten der FGO verwirklicht worden sind, richtet sich die Gebührenerhebung gemäß § 140 Abs. 1 FGO nach dem GKG. Änderungen des Kostenrechts erfassen grundsätzlich das gesamte bestehende Prozeßrechtsverhältnis (vgl. Beschluß des BVerfG 2 BvL 4/59, a. a. O.). Darin liegt im vorliegenden Fall nicht eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rückwirkung eines Gesetzes. Da die Änderung des Kostenrechts nur auf ein bestehendes Prozeßrechtsverhältnis Einfluß hatte, hat sie nur auf einen gegenwärtigen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt und auf die sich daraus ergebenden Rechtsbeziehungen eingewirkt (vgl. Beschluß des BVerfG 2 BvL 4/59, a. a. O. [145 f.]). Auch soweit die Änderung des Kostenrechts zu einer Kostenerhöhung geführt hat, sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht begründet. Ein Verfahrensbeteiligter muß damit rechnen, daß die Verfahrenskosten sich infolge einer Änderung des Kostenrechts erhöhen (Beschluß des BVerfG 2 BvL 4/59, a. a. O. [147]).

Die Dauer des steuergerichtlichen Verfahrens berechtigt demgemäß nicht dazu, von der Anwendung der Vorschriften des GKG abzusehen. Sie vermag allenfalls gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 GKG die Nichterhebung solcher Kosten zu rechtfertigen, die durch eine Verzögerung des Verfahrensablaufs infolge falscher Behandlung durch die Gerichte entstanden sind. Dazu ist allerdings erforderlich, daß eine offensichtlich falsche Behandlung zu der Verzögerung geführt hat (vgl. Beschluß des Senats VII B 112/68 vom 1. September 1970, BFH 100, 76 [79], BStBl II 1970, 852). Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der Ablauf des Verfahrens wegen der Umsatzsteuer für die Jahre 1952 bis 1957 durch eine falsche Behandlung des FG oder des BFH verzögert worden ist. Auch der Beschwerdeführer hat keine Tatsachen angegeben, aus denen eine solche Verzögerung entnommen werden könnte.

In der Kostenrechnung ist in sinngemäßer Anwendung des § 25 Abs. 1 Nr. 3 GKG auch zu Recht eine Urteilsgebühr für das Verfahren vor dem FG angesetzt worden. Bei der auf Grund von § 140 Abs. 1 FGO zu treffenden Entscheidung, ob es dem Sinn und Zweck des § 25 Abs. 1 Nr. 3 GKG entspricht, für das Verfahren vor dem FG eine Urteilsgebühr zu erheben, das zu dem Urteil vom 20. Mai 1964 geführt hat, ist nicht darauf abzustellen, ob eine streitige mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Durch die Urteilsgebühr soll nicht die Tätigkeit des Gerichts in der mündlichen Verhandlung abgegolten werden. Die mündliche Verhandlung gehört zu dem Tätigkeitsbereich, für den die Prozeßgebühr erhoben wird. Die Urteilsgebühr wird für die Arbeit des Gerichts erhoben, die das Urteil verursacht hat (vgl. Markl, Gerichtskostengesetz, 1967, § 25 Anm. 49). Das ergibt sich auch aus den §§ 25 Abs. 2, 26 Nrn. 2 und 3 GKG, nach denen die Urteilsgebühr auch für die in diesen Vorschriften genannten, nicht auf Grund streitiger Verhandlung ergehenden Urteile erhoben wird. Der Grund für diese Regelungen ergibt sich daraus, daß die in den §§ 25 Abs. 2, 26 Nrn. 2 und 3 GKG genannten Urteile die gleiche Arbeit verursachen wie die auf Grund streitiger Verhandlung ergehenden Urteile (vgl. Markl, a. a. O.). Es braucht nicht entschieden zu werden, ob auch ein Verfahren nach der FGO zu einem Urteil führen kann, für das eine Urteilsgebühr nicht zu erheben ist. Ein solches Urteil kann allenfalls dann vorliegen, wenn es weniger Arbeit verursacht hat als ein auf Grund streitiger Verhandlung ergehendes Urteil. Die Arbeit, die das FG für das Urteil vom 20. Mai 1964 aufgewendet hat, ist jedoch der Arbeit gleichzuerachten, die durch ein Urteil auf Grund streitiger Verhandlung entstanden wäre. Wie bei einem Urteil auf Grund streitiger Verhandlung hat das FG sich in dem genannten Urteil mit den Darlegungen der Beteiligten sowie mit der Sach- und Rechtslage befaßt.

Gemäß § 92 Nr. 4 GKG waren in der Kostenrechnung auch die Beträge anzusetzen, die den in der Sitzung vor dem FG erschienenen Beamten als Zeugenentschädigung gezahlt worden sind. Diesen Beamten war die vom FG berechnete Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 1963 (a. F., BGBl I 1963, 758) zu zahlen. Dieses Gesetz war bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG auch in finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden (§ 1 ZuSEG; vgl. Lauterbach, Kostengesetze, 15. Aufl., ZuSEG § 1 Anm. 2 A; Meyer-Höver, Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, 13. Aufl., Rdnr. 3; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 1961, Anm. zu § 181). Für den Entschädigungsanspruch der Beamten war maßgebend, daß sie vom FG als Zeugen geladen worden waren. Der Anspruch war nicht davon abhängig, daß die Beamten auch vernommen wurden (vgl. Meyer-Höver, a. a. O., Rdnr. 19) oder ob die Ladung erforderlich war (vgl. Lauterbach, a. a. O., § 1 ZuSEG Anm. 3 A).

Der Anspruch auf die Entschädigung nach § 2 Abs. 3 ZuSEG a. F. war auch nicht von einem Verdienstausfall abhängig (vgl. Lauterbach, a. a. O., § 2 ZuSEG Anm. 4; Meyer-Höver, a. a. O., Rdnr. 113, 114). Die Entschädigung wäre gemäß § 2 Abs. 3 ZuSEG a. F. nur dann nicht zu zahlen gewesen, wenn die Beamten durch die Heranziehung als Zeugen "ersichtlich keine Nachteile erlitten" hätten. Es sind aber keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß sie durch die Befolgung der Ladung des FG keine Nachteile erlitten haben. Auch der Beschwerdeführer hat keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich ergeben könnte, daß die Beamten keine Nachteile erlitten haben. Bei der Entscheidung, ob die Beamten ersichtlich keine Nachteile erlitten haben, kann nicht berücksichtigt werden, ob die Reise zum FG den Beamten deshalb angenehm war, weil sie die Beamten in eine landschaftlich schöne Gegend geführt hat. Das schließt nämlich nicht aus, daß die Befolgung der Ladung doch mit Nachteilen verbunden war. Zu den Nachteilen im Sinne des § 2 Abs. 3 ZuSEG gehören insbesondere auch Nachteile, die sich aus dem Zeitverlust infolge der Heranziehung als Zeuge für die Erledigung der beruflichen Tätigkeit ergeben (vgl. Lauterbach, a. a. O., § 2 ZuSEG Anm. 4; Meyer-Höver, a. a. O., Rdnr. 114). Derartige Nachteile können nicht bereits dann verneint werden, wenn ein Beamter die wegen seiner Heranziehung als Zeuge versäumte Arbeit nicht außerhalb der üblichen Arbeitszeit nachzuholen hat. Sie können auch dadurch eingetreten sein, daß die Beamten infolge der Heranziehung als Zeugen innerhalb der üblichen Arbeitszeit zu erhöhter Arbeitsleistung gezwungen waren, um den durch die Heranziehung als Zeugen entstandenen Zeitverlust für die Erledigung ihrer beruflichen Aufgaben wieder auszugleichen. Eine derartige zusätzliche Belastung wird erfahrungsgemäß nicht schon dadurch vermieden, daß ein Beamter während seiner Abwesenheit durch einen anderen Beamten vertreten wird.

Da die Entschädigung nach § 2 Abs. 3 ZuSEG nur dann nicht zu zahlen gewesen wäre, wenn die Heranziehung als Zeuge für die Beamten ersichtlich nicht zu Nachteilen geführt hätte, konnte die Entschädigung entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht vom Nachweis derartiger Nachteile durch die Beamten abhängig gemacht werden (vgl. Meyer-Höver, a. a. O., Rdnr. 114).

Die Frage, ob die Heranziehung von vier Zeugen vertretbar oder vermeidbar war, könnte bei der Erhebung der Kosten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 GKG allenfalls dann berücksichtigt werden, wenn die Ladungen offensichtlich auf einer falschen Entscheidung des FG beruhen würden. Dafür sind jedoch ebenfalls keine Anhaltspunkte vorhanden.

Da nicht erkennbar ist, daß durch eine offensichtlich falsche Sachbehandlung des FG Kosten entstanden sind, kann auch nicht der Anregung des Beschwerdeführers gefolgt werden, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 GKG ganz oder teilweise von der Erhebung der angesetzten Kosten abzusehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69624

BStBl II 1972, 96

BFHE 1972, 395

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