Entscheidungsstichwort (Thema)

Neue Tatsachen; Überfliegen italienischen Staatsgebietes; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung

 

Leitsatz (NV)

Der Rechtsfrage, ob eine neue Tatsache i. S. des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 23. 11. 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180 anzunehmen ist, wenn das FA erst nach bestandskräftiger Veranlagung erfährt, daß der Steuerpflichtige Einkünfte aus Italienaufenthalten von weniger als 24 Stunden Dauer erzielt, kommt - weil entscheidungsunerheblich - keine grundsätzliche Bedeutung zu.

 

Normenkette

DBA ITA Art. 7 Abs. 1 S. 1, Art. 11 Nr. 1 Buchst. D; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger, ein angestellter Pilot, war im Streitjahr 1984 unbeschränkt steuerpflichtig. Er wurde am 2. 1. 1986 bestandskräftig zur Einkommensteuer 1984 veranlagt. Später beantragte er die Änderung der bestandskräftigen Veranlagung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977, weil er im Streitjahr wiederholt italienisches Staatsgebiet überflogen habe, die dabei erzielten Einkünfte im Inland steuerfrei seien und er von dieser Rechtsfolge erst jetzt erfahren habe.

Das FA lehnte den Antrag ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Der BFH wies die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dabei sind zwei Fragen auseinanderzuhalten, von denen nur die erste Gegenstand der Beschwerdebegründung ist

1. Durch das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 8. Dezember 1983 IV C 5 - S 1301 Ita - 90/83, BStBl I 1983, 502, waren die Finanzämter (FÄ) angewiesen, das Doppelbesteuerungsabkommen Italien (DBA-Italien) bei der Besteuerung des Arbeitslohns für vorübergehende Tätigkeiten in Italien nicht anzuwenden. Der Aufenthalt in Italien sollte mindestens 24 Stunden dauern. Dieses BMF-Schreiben wurde jedoch schon durch den koordinierten Ländererlaß vom 30. April 1985 - S 1301 - Italien 18 - VB 5 (Einkommensteuer-Kartei der Oberfinanzdirektion Düsseldorf / Köln / Münster, Anhang DBA-Italien, Seite 6) teilweise aufgehoben. Die Aufhebung betraf die Aufenthaltsdauer von mehr als 24 Stunden. FA und Finanzgericht (FG) sind insoweit von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen. Das FA hätte am 2. Januar 1986 die Steuerfreiheit nicht wegen des nur kurzfristigen Italien-Aufenthaltes des Klägers ablehnen dürfen.

2. Eine andere Frage ist jedoch die, ob der Aufenthalt im italienischen Luftraum als Ausübung einer nichtselbständigen Arbeit in Italien im Sinne des DBA-Italien angesehen werden kann. Zu dieser Frage bestand - soweit erkennbar - innerhalb der Finanzverwaltung keine besondere Dienstanweisung. Deshalb kann auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, wie das FA am 27. November 1985 bzw. am 2. Januar 1986 entschieden hätte, wenn ihm die Italienaufenthalte des Klägers bekannt gewesen wären (vgl. dazu: Großer Senat des Bundesfinanzhofs (BFH), Beschluß vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Der entsprechende Nachteil geht zu Lasten der Kläger, weil sie die Änderung für sich beanspruchen. Gegen die Annahme einer für die Kläger günstigen Entscheidung spricht, daß das Hessische FG über diese Frage erstmalig im Urteil vom 14. August 1987 10 K 458/86, Entscheidungen der Finanzgerichte 1988, 61, und der BFH erst im Urteil vom 14. Dezember 1988 I R 148/87, BFHE 155, 374, BStBl II 1989, 319, entschied. Es spricht eine allgemeine Vermutung dafür, daß das FA am 2. Januar 1986 die Frage nicht anders als die Hessische Finanzverwaltung entschieden und eine höchstrichterliche Klärung herbeigeführt hätte.

Bei dieser Sachlage kommt es auf die unter Nr. 1 behandelte Rechtsfrage nicht mehr an. Die Klage ist aus den unter Nr. 2 behandelten Gründen unbegründet. Entsprechend kann der unter Nr. 1 behandelten Rechtsfrage für das Revisionsverfahren keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden. Die Rechtsfrage kann in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 645

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