Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache bei besonders gelagertem Einzelsachverhalt

 

Leitsatz (NV)

1. Grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nicht zu, wenn der Streitfall einen besonders gelagerten Einzelsachverhalt betrifft, der überdies nach ausgelaufenem Recht zu beurteilen ist.

2. Die Klärungsbedürftigkeit und damit auch die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage sind zu verneinen, wenn sich diese ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt.

3. Zur Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 GrStG.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; GrStG § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Zerlegung des Grundsteuer-Meßbetrages auf den 1. Januar 1974 für das von einer AG betriebene Unternehmen. Die zum Betrieb . . . gehörenden Grundstücke erstreckten sich am streitigen Stichtag über fünf Gemeinden.

Mit Bescheid vom 23. Mai 1975 führte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nach altem Recht auf den 1. Januar 1971 eine Nachfeststellung des Einheitswerts sowie eine Nachveranlagung des Grundsteuer-Meßbetrages durch. Eine Zerlegung des Grundsteuer-Meßbetrages auf die einzelnen Gemeinden erfolgte nicht.

Mit dem Einheitswertbescheid vom 29. September 1975 nahm das FA - nach neuem Recht - eine Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1974 vor. Mit Grundsteuer-Meßbescheid vom gleichen Tage (Hauptveranlagung auf den 1. Januar 1974) setzte es den Grundsteuer-Meßbetrag auf . . . DM fest. Eine Zerlegung unterblieb zunächst.

Auf Antrag der Gemeinde A führte das FA mit Bescheid vom 26. Juli 1976 erstmals eine Zerlegung des Grundsteuer-Meßbetrages auf den 1. Januar 1974 durch, wobei die Aufteilung des Meßbetrages unter Berücksichtigung des Wertes der auf den Grundstücken aufstehenden Bauwerke erfolgte.

Auf die Einsprüche der Gemeinden A und B änderte das FA die Zerlegung in der Weise, daß es nunmehr eine Aufteilung des Meßbetrages nach dem Verhältnis der auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Flächengrößen vornahm. Dadurch verringerte sich der Meßbetragsanteil der Klägerin, der Gemeinde C, von 88 v. H. auf 41 v. H.

Nach erfolglosem Einspruch begehrte die Klägerin mit ihrer Klage, die Zerlegung des Grundsteuer-Meßbetrages - wie im ursprünglichen Zerlegungsbescheid vom 26. Juli 1976 - unter Berücksichtigung des Wertes der Bauwerke durchzuführen. Sie trug vor, die in dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Zerlegung führe zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, weil diese Aufteilung den wirklichen Belastungen der Gemeinden durch den Betrieb nicht gerecht werde. Diesen Belastungen könne nur durch eine Zerlegung nach Wertanteilen, wie sie das frühere Recht vorgesehen habe, Rechnung getragen werden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Daraus folgt, daß sich die Bedeutung der Sache nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen darf, sondern eine unbestimmte Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen muß.

Daran fehlt es im Streitfall. Diesem liegt ein besonders gelagerter Einzelsachverhalt zugrunde, der die für die Zukunft nicht mehr rechtserhebliche Problematik des Übergangs vom alten, bis einschließlich 1973 anwendbaren Zerlegungsrecht zu den neuen, ab 1. Januar 1974 geltenden Zerlegungsgrundsätzen (vgl. dazu § 22 des Grundsteuergesetzes - GrStG -) betrifft.

2. Abgesehen davon ist der von der Klägerin aufgeworfenen Streitfrage eine grundsätzliche Bedeutung auch deswegen nicht beizumessen, weil sie nicht klärungsbedürftig ist.

Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage folgt nicht schon allein daraus, daß der Bundesfinanzhof (BFH) über diese Rechtsfrage noch nicht entschieden hat (vgl. z. B. Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 115 FGO Rdnr. 56; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Rdnr. 62). Einer Rechtsfrage kommt mangels Klärungsbedürftigkeit eine grundsätzliche Bedeutung dann nicht zu, wenn sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt (vgl. z. B. Gräber / Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 9, m. w. N.). Dies trifft im Streitfall zu. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage ohne weiteres so zu beantworten, wie sie das FG beantwortet hat:

Wie sich aus der Entstehungsgeschichte des § 22 GrStG ergibt, sollte das Zerlegungsrecht aus verwaltungsökonomischen Gründen stark vereinfacht werden und daher grundsätzlich das Verhältnis der Flächengrößen für die Aufteilung des Grundsteuer-Meßbetrages maßgeblich sein (Troll, Grundsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 22 GrStG Rdnr. 1). Lediglich in den Fällen, in denen vor dem 1. Januar 1974 ein anderer Zerlegungsmaßstab angwendet worden war, sollte dieser - aus Gründen des Bestandsschutzes - unter bestimmten Voraussetzungen beibehalten werden können. Da in diesen Fällen die Möglichkeit bestand, ,,auf die alten aktenkundigen Verteilungsmaßstäbe zurückzugreifen" (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks. 7/485, zu § 22 GrStG), brauchte der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Ausnahme eine Beeinträchtigung des von ihm mit der Neuregelung verfolgten Zwecks, das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen, nicht zu gewärtigen.

Daraus erhellt ohne weiteres, daß der Ausnahmetatbestand des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 GrStG - wie auch schon sein eindeutiger Wortlaut ergibt - dann nicht erfüllt ist, wenn - aus welchen Gründen auch immer - vor dem 1. Januar 1974 eine Zerlegung nicht durchgeführt wurde und es deshalb einen alten Zerlegungsmaßstab, auf den das FA bei der Zerlegung nach neuem Recht zurückgreifen könnte, gar nicht gibt.

3. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache läßt sich schließlich auch nicht auf die von der Klägerin gehegten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 GrStG stützen. Derartige Zweifel sind offensichtlich unbegründet. Bei der Neuregelung des Zerlegungsrechts ab 1. Januar 1974 durfte der Gesetzgeber, insbesondere im Hinblick auf den Massencharakter der Grundsteuer-Meßbetragszerlegungen, auch Praktikabilitätsgesichtspunkte berücksichtigen. Es ist daher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber - anders als nach bisherigem Recht - in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GrStG grundsätzlich den Aufteilungsmaßstab nach Flächengrößen vorgesehen hat. Ebenso hielt er sich im Rahmen seiner - weiten - legislatorischen Gestaltungsfreiheit, als er die Fortgeltung des früheren, nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand zu ermittelnden Zerlegungsmaßstabs nach Wertverhältnissen ohne weitere Differenzierung von der Voraussetzung abhängig machte, daß schon bisher eine Zerlegung (nach Wertverhältnissen) stattfand und damit die Möglichkeit bestand, auf die vorliegenden - alten - Unterlagen zurückzugreifen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418160

BFH/NV 1992, 339

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