Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH betr. Klageverfahren um Strohmann-Arbeitgeberverhältnis

 

Leitsatz (NV)

Die Erfolgsaussichten einer Klage, bei der es darum geht, ob der Konzessionsinhaber einer Gaststättenerlaubnis Arbeitgeber der Bediensteten der Gaststätte war, können zu verneinen sein, wenn das Gericht nach Aktenlage von der Möglichkeit der Beweisführung durch den Kläger nicht überzeugt ist.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114

 

Tatbestand

Der Antragsteller, Beschwerdeführer und Kläger (Antragsteller), ein ausländischer Staatsangehöriger, wendet sich mit der Beschwerde gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe durch das Finanzgericht (FG) für ein gegen den Beklagten (das Finanzamt - FA -) anhängiges Klageverfahren wegen Lohnsteuerhaftung.

Der Antragsteller war seit Gründung der X-GmbH im November 1974 bis März 1977 deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Daneben war bis März 1975 eine Frau A Geschäftsführerin. An der GmbH waren der Antragsteller und seine damalige Ehefrau je mit 16 v.H. beteiligt; zum 1. Januar 1976 erwarb der Antragsteller weitere 24 v.H. hinzu.

Die GmbH wurde im Dezember 1974 im Handelsregister eingetragen. Sie verlegte im Herbst 1975 ihren Sitz von S nach T in die Räume des Hotels Z. Im Juli 1980 wurde die GmbH von Amts wegen im Handelsregister gelöscht.

In den Räumen des Hotels Z befand sich eine Bar, in der ein Nachtclub mit Kabarett betrieben wurde. Inhaberin der diesbezüglichen Gaststättenerlaubnis war bis zum . . . August 1975 Frau A und danach der Mitgesellschafter der GmbH B. Dieser meldete den Barbetrieb am . . . Juli 1975 an und nach dessen Einstellung am . . . Februar 1978 wieder ab.

Im Jahre 1975 fand eine Betriebsprüfung statt, die sich auf die steuerlichen Verhältnisse von Gaststätte und Hotelbetrieb bezog. Dabei wurde u.a. festgestellt, daß in den Jahren 1975 und 1976 Sachbezüge und Bedienungsgelder nicht der Lohnsteuer unterworfen worden seien. Der Prüfer ging davon aus, daß die Bar von der GmbH betrieben worden sei. Dem folgend erließ das FA gegen die GmbH einen Lohnsteuerhaftungsbescheid. Die nach erfolglosem Einspruch hiergegen erhobene Klage wurde später im Gerichtsregister gelöscht.

Mit Haftungsbescheid vom 11. Februar 1980 nahm das FA den Antragsteller gemäß §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO 1977) als früheren Geschäftsführer der GmbH wegen nicht einbehaltener und abgeführter Lohn- und Kirchenlohnsteuer aus den Jahren 1975

und 1976 in Höhe von . . . DM in Anspruch.

Nach erfolglosem Vorverfahren trug der Antragsteller mit der Klage vor, für die streitige Lohnsteuer hafte nicht die GmbH und damit auch nicht er, der Antragsteller, als Geschäftsführer der GmbH, da der Nachtclub nicht von der GmbH, sondern von B betrieben worden sei. B sei Konzessionsinhaber, Versicherungsnehmer und Vertragspartner der GEMA gewesen, habe die Arbeitsverträge geschlossen und Sozialversicherungsbeiträge an die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) abgeführt. Er habe auch die Tageskasse geführt und Umsätze an den Steuerberater mitgeteilt und weitergeleitet. Die GmbH habe B lediglich die Räume des Barbetriebes verpachtet.

Im übrigen habe er, der Antragsteller, die Bar gar nicht betreiben können, da er sich wegen eines eingeleiteten Ausweisungsverfahrens bereits im Mai 1975 ins Ausland begeben habe. Ab August 1975 habe er sich ständig im Ausland aufgehalten, von wo aus er sich um eine Anstellung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) bemüht habe. Er sei erst im März 1976 wieder in die Bundesrepublik gekommen, um Einstellungsverhandlungen mit der Firma Y zu führen. In dieser Zeit habe er sich als Gast in der Bar aufgehalten, für die er im übrigen mit Hausverbot belegt worden sei. Im Mai 1976 sei er dann mit einer Tätigkeit im Ausland beauftragt worden und sei nur noch ab und zu ganz kurzfristig - meist nur für einen Tag - zu Besprechungen mit seinem Arbeitgeber in die Bundesrepublik gekommen. Er könne sich nicht erinnern, die vom FA behaupteten Unterschriften für die GmbH geleistet zu haben. Sie seien den Unterschriften auf den notariellen Verträgen nicht ähnlich und er sei an den fraglichen Terminen auch nicht im Inland gewesen.

Im übrigen müsse sich das FA wegen der Lohnsteuerrückstände vor dem 11. März 1975 an Frau A halten, da er erst seit dem 11. März 1975 als Geschäftsführer der GmbH aufgetreten sei.

Zugleich mit der Klagebegründung beantragte der Antragsteller, ihm für das Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt D als Bevollmächtigten Prozeßkostenhilfe zu gewähren.

Das FG lehnte den Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussichten ab. Soweit der Antragsteller sich auch gegen die Kirchenlohnsteuer wende, sei die Klage unzulässig, da für derartige Streitigkeiten nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Lande Hessen (Kirchensteuergesetz) i.d.F. vom 12. Februar 1986 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen I 1986, 90) der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Im übrigen erscheine bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage der angefochtene Bescheid rechtmäßig.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei die GmbH und nicht der Konzessionsinhaber B Arbeitgeber der Beschäftigten gewesen, da die GmbH die wirtschaftliche und organisatorische Dispositionsbefugnis über die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer und den Nutzen der Arbeit gehabt habe. Die Arbeitgebereigenschaft der GmbH sei selbst dann anzunehmen, wenn B arbeitsrechtlich Vertragspartner der Arbeitnehmer gewesen und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben sollte.

Die GmbH habe B als Konzessionsträger benötigt, da der Antragsteller, der zunächst Schwierigkeiten gehabt habe, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, diese 1976 ohne Befugnis zur selbständigen Erwerbstätigkeit erlangt habe und die GmbH, wie die Vorgänge des Jahres 1977 zeigten, mit dem Antragsteller als Geschäftsführer keine Konzession erteilt bekommen hätte. Folglich sei B gewerberechtlich vorgeschoben worden, während tatsächlich die GmbH die Bar betrieben habe. So habe es zu Recht auch die Stadt T gesehen und unter dem . . . Januar 1977 gegen die GmbH und den Antragsteller als ihren Geschäftsführer je ein Bußgeld wegen Betreibens einer Gaststätte ohne Erlaubnis festgesetzt.

B habe im steuerlichen Fragebogen unter dem 24. September 1975 seine Funktion selbst mit ,,nichtselbständige Arbeit, aber Konzessionsträger" beschrieben und die Lohnsteueranmeldung für das erste Kalendervierteljahr 1976 für die GmbH abgegeben. Die GmbH habe dem Amtsgericht S am 21. August 1975 mitgeteilt, daß sie in T ein Hotel und eine Gaststätte betreibe und in diesem Sinne habe sich auch der Antragsteller in der Widerspruchsbegründung vom 4. August 1977 gegen die Ausweisungsverfügung vom . . . Januar 1977 geäußert. Folgerichtig seien alle Geschäftsvorfälle über die Buchführung der GmbH gelaufen und sämtliche Lohnsteueranmeldungen im Namen der GmbH erfolgt. Für die GmbH als Betreiberin der Bar spreche auch die von ihr angegebene Zahl ihrer Angestellten bzw. Aushilfen sowie der Umstand, daß der Sitz der GmbH im Herbst 1975 in das Hotel verlegt worden sei und daß der Barbetrieb und die GmbH in der fraglichen Zeit eine identische Telefonnummer gehabt hätten. Im gleichen Sinne sei zu deuten, daß der Antragsteller zusammen mit B bei Behörden zum Zwecke einer Dauersperrzeitverkürzung aufgetreten sei.

Es treffe auch nicht zu, daß die GmbH keine Geschäfte habe betreiben können, weil der Antragsteller als ihr alleiniger Geschäftsführer im Haftungszeitraum im Inland nicht habe tätig werden können. Der Ausweisungsverfügung vom . . . Januar 1977 zufolge habe sich der Antragsteller nämlich am . . . März 1975 in T angemeldet und im Juli 1975 eine Aufenthaltserlaubnis beantragt. Er sei zwar nach deren Ablehnung im August 1975 ins Ausland zurückgekehrt. Zwischenzeitlich habe er sich jedoch wiederholt in der Bundesrepublik aufgehalten. Denn er habe am 22. August 1975 einer Steuerberatungsgesellschaft eine Vollmacht erteilt, am 11. September 1975 dem Amtsgericht S die Änderung des Gesellschaftsvertrags mitgeteilt, am 27. Oktober 1975 die Lohnsteueranmeldungen für das erste und zweite Kalendervierteljahr 1975 und am 15. November 1975 für das dritte Kalendervierteljahr unterzeichnet. Am . . . Dezember 1975 habe er sich in der Gemeinde H angemeldet, wo er ausweislich einer Bescheinigung des Einwohnermeldeamtes noch am . . . Juli 1976 wohnhaft gewesen sei. Außerdem habe er am . . . Februar 1976 in S einen Vertrag unterschrieben und sich am . . . März 1976 im Hotel aufgehalten. Ab Mai 1976 habe er aufgrund des Arbeitsvertrags mit der Firma Y zu Absprachen und Messebesuchen häufig in der Bundesrepublik tätig sein müssen. Schließlich habe er am 15. Oktober 1976 die Körperschaftsteuererklärungen 1974 und 1975 der GmbH unterschrieben.

Die GmbH hafte für die von der Betriebsprüfung festgestellten Steuerabzugsbeträge, gegen die der Höhe nach keine Einwendungen erhoben worden seien, gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Arbeitgeber.

Der Antragsteller habe als gesetzlicher Vertreter der GmbH für deren Haftungsschuld gemäß § 103 der Reichsabgabenordnung (AO) einzustehen, da er es grob fahrlässig unterlassen habe, die auf die streitigen Bedienungszuschläge und Sachbezüge entfallende Lohnsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Das gelte auch für Lohnsteuer für die Zeit vor dem . . . März 1975, in der er lediglich einer von zwei Geschäftsführern gewesen sei, da sich seine aus § 103 AO ergebenden Verpflichtungen auch auf Steuerschulden erstreckten, die vor seiner alleinigen Geschäftsführung vorhanden gewesen seien, zumal die Lohnsteueranmeldungen für das erste und zweite Vierteljahr 1975 erst am 27. Oktober 1975 abgegeben worden seien. Der Antragsteller habe wissen müssen, daß für die streitigen Beträge Lohnsteuer abzuführen gewesen sei. Auch wenn er sich zeitweilig im Ausland aufgehalten habe, sei er verpflichtet gewesen, den ordnungsgemäßen Lohnsteuerabzug zu überprüfen. Im übrigen sei der Haftungsbescheid auch in formeller Hinsicht ordnungsgemäß ergangen.

Mit der Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe macht der Antragsteller weiterhin geltend, daß die GmbH nicht Arbeitgeber der in der Nachtbar beschäftigten Arbeitnehmer gewesen sei. Im übrigen seien keine höheren, als die von B als Arbeitgeber angemeldeten Bedienungsgelder angefallen. Im Hotel seien nämlich auch Prostitutierte beschäftigt gewesen, die etwa 60 v.H. der erzielten Umsätze erhalten hätten. Da auf die Bedienungen nur 40 v.H. der Umsätze entfallen seien, könne den am Gesamtumsatz orientierten Bedienungszuschlägen nicht gefolgt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist.

1. Soweit der Antragsteller Prozeßkostenhilfe für gesonderte Angriffe gegen die Erhebung von Lohnkirchensteuer begehrt, sind Erfolgsaussichten mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zu verneinen.

2. Es ist auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Einwendungen des Antragstellers gegen seine Inanspruchnahme als Haftender wegen des unterbliebenen Lohnsteuerabzugs Erfolg haben werden.

a) Arbeitgeber ist derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisungen er zu folgen hat. Dies ist regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Februar 1986 VI R 9/80, BFHE 146, 253, BStBl II 1986, 768). Sofern jemand einen Arbeitnehmer nach den getroffenen Vereinbarungen im eigenen Namen und für eigene Rechnung entlohnt, ist er auch dann Arbeitgeber, wenn die Arbeitsleistung letzten Endes einem Dritten zugute kommt und dieser unmittelbar Weisungen erteilen kann (vgl. BFH-Urteil vom 2. April 1982 VI R 34/79, BFHE 135, 501, BStBl II 1982, 502).

Obgleich das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist der Würdigung aller Umstände des Falles durch das FG zu folgen, daß B die Bar - auch für die Arbeitnehmer erkennbar - nicht für sich, sondern für die GmbH geführt hat und daß dementsprechend auch Anweisungen und Entlohnungen im Namen und für Rechnung der GmbH erfolgt sind. Angesichts der wenig konkretisierten Einwendungen des Antragstellers ist der Senat nicht davon überzeugt, daß die vom FG noch durchzuführende Beweisaufnahme eine abweichende Würdigung zur Folge haben wird.

Neben den bereits vom FG ausgeführten Umständen, die für die Arbeitgebereigenschaft der GmbH sprechen, ist darauf hinzuweisen, daß sich der Antragsteller noch in der Klagebegründung auf eine in Fotokopie beigefügte ,,Meldung aller Beschäftigten" des Lokals an die AOK berufen hat, in der zuoberst B aufgeführt wird. Es ist aber unverständlich, warum B der AOK sich selbst als Beschäftigten benennen sollte, wenn er Geschäftsinhaber war. Ebenso unverständlich ist, warum sich B der Stempel der GmbH bedienen sollte, wenn er eigene und nicht fremde Erklärungen abgeben wollte. Für die Einstellung von Arbeitskräften ist nicht entscheidend, ob sie von B selbständig oder im Benehmen mit Dritten bzw. auf Weisung, sondern vielmehr, ob sie im eigenen Namen und für eigene Rechnung erfolgte. Bemerkenswerterweise hat der Antragsteller nicht geltend gemacht, daß die vor Erteilung der Gaststättenerlaubnis an B am . . . August 1975 bereits mit Personal ausgestattete Bar nicht von der GmbH betrieben worden sei. Insbesondere hat er nicht behauptet, Frau A sei Inhaberin der Bar gewesen, sondern nur sie sei als damalige Geschäftsführerin in Anspruch zu nehmen gewesen, weil der Antragsteller erst seit dem 11. März 1975 als Geschäftsführer ,,aufgetreten" sei. Angesichts dessen hätte es nahegelegen, die näheren Umstände der Übernahme der Arbeitskräfte durch einen neuen Arbeitgeber aus Anlaß des Wechsels des Konzessionsinhabers im einzelnen darzulegen. Es fällt auch auf, daß zwar ein Pachtvertragsentwurf zwischen der GmbH und einem Herrn F, nicht aber der angeblich zwischen der GmbH und B geschlossene Pachtvertrag vorgelegt worden ist. Nach alldem vermag der Senat nur davon auszugehen, daß die GmbH Arbeitgeber des Geschäftspersonals war.

b) Die Einwendungen gegen die Höhe der nachgeforderten Lohnsteuerbeträge sind nicht glaubhaft, da sie erstmals nach jahrelangem Verfahren erhoben worden sind.

c) Die persönliche Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftenden läßt ebenfalls keine Rechtsfehler erkennen, zumal der Antragsteller keine Gründe vorgetragen hat, die die u.a. möglicherweise durch Auslandsaufenthalte bedingte Vernachlässigung seiner steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer rechtfertigen könnten.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 660

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