Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Steuerstundung durch einstweilige Anordnung

 

Leitsatz (NV)

Die für eine vorläufige Anordnung sprechenden Gründe müssen so schwerwiegend sein, daß sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233 m. w. N.). Diesen Anordnungsgründen genügen bloße Rechtsbenachteiligungen, wie sie von der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung in bezug auf einen Erlaßantrag ausgehen, nur dann, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung unmittelbar und ausschließlich bedroht ist (vgl. BFH-Beschluß vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492).

Umstände wie die Bezahlung von Steuern, auch wenn sie möglicherweise nach einem Obsiegen im Hauptverfahren zu erstatten wären, eine zur Bezahlung von Steuern notwendige Kreditaufnahme, eine Veräußerung von Vermögenswerten oder eine Einschränkung des gewohnten Lebensstandards sind, für sich allein gesehen, keine Anordnungsgründe (Beschluß in BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492).

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1 S. 2, Abs. 3; ZPO § 920 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute. Sie haben Steuerrückstände in Höhe von insgesamt rd. 70 000 DM einschließlich Aussetzungszinsen und Säumniszuschlägen. Ihren Antrag auf Erlaß dieser Rückstände lehnte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) ab. Hiergegen haben die Antragsteller - nach erfolglosem Beschwerdeverfahren - Klage erhoben. Gleichzeitig stellten sie einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, die Rückstände, deren Erlaß begehrt wird, bis zur Entscheidung über den Erlaßantrag zu stunden. Das Finanzgericht (FG) lehnte den Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung ab, weil kein Anordnungsgrund gegeben sei.

 

Entscheidungsgründe

Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das FG hat den Erlaß einer einstweiligen Anordnung in Form einer Stundung der Rückstände, deren Erlaß begehrt wird, zu Recht abgelehnt. Es liegt kein Anordnungsgrund vor. Als solcher kommt im Streitfall nur die Notwendigkeit der Regelung eines vorläufigen Zustandes (§ 114 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) durch Stundung der Rückstände in Betracht. Die Antragsteller haben keine Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -), die die Annahme eines Anordnungsgrundes nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO rechtfertigen könnten.

Nach dieser Vorschrift ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur dann zulässig, wenn diese Regelung ,,um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint". Die für eine vorläufige Anordnung sprechenden Gründe müssen so schwerwiegend sein, daß sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233 m. w. N.). Diesen Anordnungsgründen genügen bloße Rechtsbenachteiligungen, wie sie von der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung in bezug auf einen Erlaßantrag ausgehen, nur dann, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung unmittelbar und ausschließlich bedroht ist (vgl. BFH-Beschluß vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492). Umstände wie die Bezahlung von Steuern, auch wenn sie möglicherweise nach einem Obsiegen im Hauptverfahren zu erstatten wären, eine zur Bezahlung von Steuern notwendige Kreditaufnahme, eine Veräußerung von Vermögenswerten oder eine Einschränkung des gewohnten Lebensstandards sind, für sich allein gesehen, keine Anordnungsgründe (Beschluß in BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492).

2. Die Antragsteller haben durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und durch Vorlage einer Ablichtung des Einkommensteuerbescheids 1984 lediglich die folgenden Tatsachen glaubhaft gemacht: Bei Einziehung der Rückstände wären die Antragsteller gezwungen, einen wesentlichen Teil ihres Wertpapierbesitzes zu veräußern, wodurch ihre Alterssicherung verloren ginge. Sie müßten nach und nach die restlichen Wertpapiere verkaufen, da ihre laufenden Einnahmen nicht ausreichten, ihren Lebensunterhalt zu decken. 1984 habe der Antragsteller nur 24 984 DM Einkünfte aus seiner Praxis und 4 000 DM Einnahmen aus Kapitalvermögen gehabt. Zu einer Kreditaufnahme seien die Antragsteller nicht in der Lage, weil sie Zinsen und Tilgung von ihrem Einkommen nicht tragen könnten. Alle anderen, von den Antragstellern zur Rechtfertigung des Anordnungsgrundes vorgebrachten Umstände sind nicht glaubhaft gemacht und können daher nicht berücksichtigt werden (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

3. Die glaubhaft gemachten Tatsachen rechtfertigen nicht die Annahme, die wirtschaftliche oder persönliche Existenz der Antragsteller werde durch die Ablehnung der begehrten einstweiligen Anordnung unmittelbar und ausschließlich bedroht.

a) Eine Bedrohung der Alterssicherung der Antragsteller durch Verkauf eines wesentlichen Teils ihrer Wertpapiere tritt nicht unmittelbar durch die Ablehnung der einstweiligen Anordnung, sondern äußerstenfalls durch die Ablehnung des beantragten Erlasses ein; denn wenn dem Erlaßbegehren stattgegeben wird, erhalten die Antragsteller die Steuer, die sie wegen der abgelehnten einstweiligen Anordnung zunächst bezahlen müssen zurück, so daß ihnen das erforderliche Kapital zur Alterssicherung wieder zur Verfügung steht. Ob für den Erlaßantrag Erfolgsaussichten bestehen, ist ein Umstand, der bei der Beantwortung der Frage, ob ein Anordnungsgrund besteht, nicht berücksichtigt werden kann (Beschluß in BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492).

b) Die Nachteile, die den Antragstellern dadurch entstehen, daß sie durch einen zwischenzeitlichen Verkauf eines Teiles der Wertpapiere Zinsverluste hinnehmen müssen, ist nicht so schwerwiegend, daß er eine einstweilige Anordnung rechtfertigen könnte; denn dieser Nachteil ist nicht existenzbedrohend.

Hinzu kommt, daß über die Höhe des behaupteten Zinsnachteils keine glaubhaft gemachten Tatsachen vorgetragen worden sind. Aus dem vorgelegten Einkommensteuerbescheid 1984 ergeben sich zwar Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 4 000 DM. In ihrer Beschwerdeschrift hingegen behaupten die Antragsteller, bei diesen 4 000 DM handele es sich um Überschüsse aus dem X-Verlag. Damit ist es völlig unklar, ob und ggf. in welcher Höhe Kapitalerträge aus den Wertpapieren, die zur Tilgung der Steuerrückstände verkauft werden müssen, erzielt werden.

c) Von einer Existenzgefährdung bei Verkauf eines Teils der Wertpapiere kann auch nicht deshalb gesprochen werden, weil der Antragsteller aus seiner Praxis 1984 nur Einkünfte in Höhe von 24 984 DM erzielt hat. Abgesehen davon, daß bei Einkünften in dieser Höhe noch nicht von einer Existenzgefährdung gesprochen werden kann, wenn Zinseinnahmen aus Wertpapieren entfallen, weisen die Antragsteller in ihrer Beschwerdeschrift selbst darauf hin, daß die Unkosten in 1984 besonders hoch gewesen seien. Dafür, daß im Durchschnitt die Einkünfte des Antragstellers aus seiner Praxis höher als 24 984 DM sind, sprechen auch die Feststellungen des FG (in den Jahren 1973 bis 1983 zwischen 35 000 DM und 65 000 DM) und die Tatsachen, daß in der Beschwerdeschrift vom 30. April 1986 keine Angaben über die Einkünfte aus der Praxis im Jahre 1985 vorgetragen worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414682

BFH/NV 1987, 101

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