Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die überwachung der Einhaltung der Vorschrift des § 25 StBerG steht nicht den Finanzverwaltungsbehörden, sondern den Berufskammern der Steuerberater bzw. der Steuerbevollmächtigten zu.

 

Normenkette

AO § 107a Abs. 1, § 22; StBerG §§ 25, 34 Abs. 2, § 45 Abs. 3, § 46

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerbevollmächtigter), ein ehemaliger Betriebsprüfer des Finanzamts (FA), war aus der Finanzverwaltung ausgeschieden und antragsgemäß durch Verfügung des FA-Vorstehers als Helfer in Steuersachen zugelassen worden. In einer späteren Verfügung untersagte der FA-Vorsteher dem Kläger unter Bezugnahme auf § 107 a AO in Verbindung mit § 25 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (StBerG), innerhalb der Sperrfrist von drei Jahren für zwei Firmen tätig zu werden, die er zuvor dienstlich geprüft habe; er wies zugleich auf die Möglichkeit der Bestrafung nach § 413 AO hin. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) als unbegründet zurück.

Auf die Berufung des Klägers hob das Finanzgericht (FG) in der in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1964 S. 407 Nr. 497 abgedruckten Entscheidung die Beschwerdeentscheidung und die ihr zugrunde liegende FA-Verfügung ersatzlos auf. Es bezog sich auf die §§ 25, 38, 45 Abs. 3, 46 ff. StBerG, § 22 AO und kam zu dem Schluß, daß die überwachung der Verbotsvorschrift des § 25 StBerG allein Sache der zuständigen Berufskammer, nicht dagegen der Finanzverwaltungsbehörden sei.

Die OFD hat Rb. eingelegt, die nunmehr als Revision zu behandeln ist. Sie macht geltend, daß aus der Stellung des § 25 StBerG das ausschließliche Recht der Berufskammern zur überwachung nicht hergeleitet werden könne. Das ergebe sich bereits aus der Regelung des § 22 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. Nicht alle Vorschriften über die Berufspflichten seien im "Dritten Teil" des StBerG ("Rechte und Pflichten") enthalten. Nach § 107 a Abs. 1 Satz 1 AO seien zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen die Steuerbevollmächtigten usw. "nach den Vorschriften des StBerG" befugt. Durch diese Bezugnahme seien die Bestimmungen des StBerG zum Bestandteil des § 107 a AO erhoben worden. Gegen unzulässige, auch unverschuldete, Hilfeleistung in Steuersachen im Rahmen des § 107 a AO vorzugehen, müsse aber der Finanzverwaltung möglich sein, also auch ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen einer strafgerichtlichen oder einer berufsrechtlichen Ahndung gegeben seien. Entgegen der Auffassung des FG habe die Finanzverwaltung im allgemeinen wegen des § 22 AO keine rechtliche Handhabe, die ihr bekanntgewordenen Verstöße gegen § 25 StBerG den Berufskammern mitzuteilen. Bei § 25 StBerG handle es sich nicht um eine "echte Berufspflichtbestimmung". Die OFD weist noch auf die Vorschrift des § 97 Abs. 2 StBerG hin und beantragt mit Rücksicht darauf, daß die Sperrfrist nach § 25 StBerG bereits abgelaufen sei, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären und dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären und der OFD die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

Es trifft zu, daß durch den Ablauf der Sperrfrist nach § 25 StBerG der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Gemäß § 138 Abs. 1 FGO entscheidet der Senat nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen durch Beschluß; dabei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hätte die Revisionsklägerin in dem Rechtsstreit nicht obgesiegt. Der erkennende Senat tritt vielmehr der Vorentscheidung im Ergebnis bei (vgl. im Ergebnis auch Speich in Steuerberatung 1963 S. 202, 203 IV; Klöcker-Mittelsteiner-Gehre, Handbuch der Steuerberatung, Anm. 2 zu § 25 StBerG); er vermag sich dem von der Verwaltung (außer der OFD vgl. auch Schnauber, StBerG 1964 Anm. 2 zu § 25) eingenommenen Standpunkt nicht anzuschließen.

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß bereits die systematische Stellung des einschlägigen § 25 im StBerG in dessen "Dritten Teil" (Rechte und Pflichten) zeigt, daß die Beachtung dieser Vorschrift zu den Berufspflichten u. a. der Steuerbevollmächtigten gehört. § 25 StBerG regelt eine Berufspflicht u. a. der Steuerbevollmächtigten. Er schränkt nicht etwa den Umfang der Bestellung als Steuerbevollmächtigter ein, sondern gibt nur eine Einschränkung für bestimmte Fälle der Berufsausübung. Auf die Staatsaufsicht (§ 45 Abs. 3 StBerG) kann sich die OFD nicht berufen, vielmehr greift die Aufsicht der Berufskammern über die Tätigkeit ihrer Mitglieder nach §§ 34 Abs. 2, 31 Abs. 2 StBerG ein. Aus der Regelung des § 22 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Nr. 2 StBerG ergibt sich nichts anderes. Sie ist eine Sonderregelung für diejenigen Fälle, in denen der Berufsangehörige seine Tätigkeit nicht mehr unabhängig ausübt. Desgleichen stellt die Vorschrift des § 97 Abs. 2 StBerG eine Sonderregelung dar, die nicht verallgemeinert werden kann. Es trifft zwar zu, daß nicht alle Berufspflichtigen der Steuerbevollmächtigten im Dritten Teil des StBerG (rechte und Pflichten) geregelt worden sind; das ändert aber nichts daran, daß dieser Teil des Gesetzes nicht nur nach seiner überschrift, sondern auch nach seinem Inhalt der Kern der Vorschriften über Rechte und Berufspflichten der Steuerbevollmächtigten gibt. Das StBerG unterscheidet nicht zwischen "echten" und anderen Berufspflichten. Auch § 25 StBerG regelt, wie ausgeführt, in gewisser Richtung die Ausübung des Berufes. Er regelt zugleich auch eine Frage des Standesrechts u. a. der Steuerbevollmächtigten, welche die Steuerbevollmächtigten wegen des ungerechtfertigten Wettbewerbs nicht weniger angeht als die Finanzverwaltung.

Der Senat kann auch nicht der sehr weiten Auslegung beipflichten, welche die Verwaltung dem § 107 a Abs. 1 Satz 1 AO gibt. Wenn § 107 a Abs. 1 Satz 1 AO bestimmt: "Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sind ... Steuerbevollmächtigte nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes befugt", so heißt das nicht, daß damit alle Vorschriften des StBerG "zum Bestandteil des § 107 a AO erhoben" werden, dessen Einhaltung die Finanzverwaltungsbehörden zu überwachen haben. Das würde schon den §§ 34 Abs. 2, 45 Abs. 3, 46 ff. StBerG widersprechen. Vielmehr sollte mit der angegebenen Fassung des § 107 a Abs. 1 Satz 1 AO gesagt sein, daß die Steuerbevollmächtigten nach Maßgabe der Vorschriften des StBerG über die Bestellung (§§ 9, 10, 13/15 StBerG) oder über die Berechtigung der weiteren Berufsausübung nach § 109 StBerG oder über die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft (§§ 16/18, 20/21) überhaupt zur Hilfeleistung in Steuersachen steuerrechtlich befugt sind. Soweit diese Grenze überschritten sind, also etwa der steuerrechtlich Hilfe Leistende überhaupt keine Befugnis dazu hat, haben die Steuerbehörden Aufsichtsbefugnisse, Erzwingungsbefugnisse nach § 202 AO und Strafbefugnisse nach § 413 Abs. 1 Nr. 3 AO in Verbindung mit § 107 a AO. Soweit es sich jedoch nicht um die aufgezeigten Fragen, sondern um Fragen der Beschränkung der Berufsausübung in gewisser Hinsicht und im Falle der Verletzung solcher Beschränkungen um Berufspflichtverletzungen (z. B. nach § 23 oder nach § 25 StBerG) handelt, obliegt die Aufsicht den Berufskammern nach § 34 Abs. 2 StBerG und die Ahndung von Berufspflichtverletzungen der Berufsgerichtsbarkeit nach §§ 46 ff. StBerG. Es kann auch der Meinung der Finanzverwaltung nicht darin beigepflichtet werden, daß sie durch die Vorschriften über das Steuergeheimnis (§ 22 AO) gehindert sein sollte, grobe Verstöße gegen Vorschriften wie die des § 25 StBerG den Berufskammern mitzuteilen; in derartigen Fällen wird vielmehr in der Regel ein zwingendes öffentliches Interesse daran vorliegen, die Pflichtverletzung als solche und die Namen der in Betracht kommenden Mandanten der Berufskammer mitzuteilen. Der Ansicht der Vorentscheidung und von Oppe im Steuerberater 1964 S. 209, 212 unter 6, ist insoweit beizutreten.

Sonach waren die Kosten der Beklagten und Revisionsklägerin aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 140 Abs. 3 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412140

BStBl III 1966, 441

BFHE 1966, 292

BFHE 86, 292

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