Leitsatz

1. Eine bei der Ausfuhr lebender Rinder zu gewährende Ausfuhrerstattung ist wegen Verendens von mehr als fünf Tieren infolge nicht tierschutzgerechter Durchführung eines aus mehreren Ausfuhranmeldungen bestehenden Sammeltransports nur dann um den Betrag weiter zu kürzen, der für die während des Transports verendeten Tiere nicht gezahlt wird, wenn jene Tiere zu den mit der betreffenden Ausfuhranmeldung angemeldeten Tieren gehörten.

2. Die materielle Feststellungslast hierfür trägt unbeschadet einer Pflicht des Ausführers zur Beweisvorsorge das HZA.

 

Normenkette

Art. 5 VO Nr. 615/98

 

Sachverhalt

Im November 1998 waren 28 lebende Rinder zur Ausfuhr angemeldet und später zusammen mit zahlreichen anderen von demselben Ausführer anderweitig zur Ausfuhr angemeldeten Tieren auf ein Schiff verladen worden. Auf dem Schiff sind acht von den insgesamt 535 Tieren während des Transports verendet. Ob diese Tiere zu den 28 streitgegenständlichen gehörten, lässt sich nicht mehr feststellen.

Das HZA hat die Ausfuhrerstattung dahin berechnet, dass nach Maßgabe des Durchschnittsgewichts der mit der eingangs genannten Sendung ausgeführten Rinder für acht Tiere keine Erstattung zu gewähren sei und dass darüber hinaus wegen des nicht tierschutzgerechten Schiffstransports eine weitere Kürzung der Erstattung um den nämlichen Betrag nach Art. 5 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 615/98 (VO Nr. 615/98) vorzunehmen sei. Für alle übrigen Sendungen verblieb es bei der ungekürzten Erstattungszahlung. Die Klage vor dem FG führte zum Erfolg (FG Hamburg, Urteil vom 15.09.2006, 4 K 158/04, Haufe-Index 1625278).

 

Entscheidung

Die Sanktion darf nicht um den für die verendeten Tiere nicht gewährten Betrag gekürzt werden. Das HZA kann nicht nachweisen, dass diese Tiere aus der verfahrensgegenständlichen Ausfuhrsendung stammen; es trägt dafür aber die materielle Feststellungslast (Beweislast).

Der Ausführer hat zwar möglicherweise seine Pflicht verletzt, dem HZA diese Beweisführung durch entsprechende Beweisvorsorge zu ermöglichen (etwa indem er seinen Abnehmern auferlegt, den Spediteur zu verpflichten, die Ohrmarkennummern der verendeten Tiere festzuhalten). Angesichts der unklaren Rechtslage und insbesondere des Rechtsstandpunkts des HZA, dass die Sanktion solche Feststellungen nicht erfordere, weil es nur auf das Verenden von Tiere auf dem Schiff ankomme, gereicht ihm dies aber im Streitfall nicht zum Nachteil: Er erhält für die verendeten Tiere zwar keine Ausfuhrerstattung, kann aber nicht zusätzlich mit einer Sanktion belegt werden, weil nicht feststeht, dass mehr als fünf Tiere oder mehr als 3 % aus der einzelnen, konkreten Ausfuhrsendung verendet sind. Die hierfür anzustellende Schätzung spricht eindeutig dagegen!

 

Hinweis

Die Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (VO [EG] Nr. 615/98, ABlEG Nr. L 82/19) schreiben vor, dass für auf dem Transport ins Bestimmungsland verendete Tiere (wie bei differenzierter Ausfuhrerstattung) keine Erstattung gewährt wird. Sie schreiben darüber hinaus vor, dass der Erstattungsbetrag zusätzlich noch einmal um dieselbe Summe gekürzt wird, wenn mehr als eine bestimmte Zahl von Tieren verendet. Diese Sanktion beruht offenbar auf der Vermutung des Verordnungsgebers, dass das Verenden von Tieren ab einem bestimmten Quorum auf einen nicht tierschutzgerechten Transport schließen lässt.

Die Sanktionsregelung hat zwei Varianten, deren zweite auslegungsbedürftig ist. Nach der ersten ist die Sanktion zu verhängen, wenn "mehr als 3 % der in der angenommenen Ausfuhranmeldung genannten Zahl (von Tieren), jedoch mindestens zwei Tiere" verenden. Nach der zweiten Variante ist die nämliche Sanktion auch dann zu verhängen, wenn die Zahl der verendeten Tiere "mehr als fünf" beträgt. Aber worauf bezieht sich diese Zahl fünf: Ebenfalls auf die von der einzelnen Ausfuhranmeldung erfassten Tiere oder auf die auf einem Schiff (oder sonstigen Transportmittel) verladenen Tiere?

Im letzteren Sinn wollte das HZA die Sanktionsregelung handhaben, vor allem wohl, weil die zweite Variante sonst neben der ersten kaum eigenständige praktische Bedeutung hätte. Der BFH ist dem aber wegen des Wortlauts und vor allem der Systematik der Regelung und der Grundsätze des Ausfuhrerstattungsrechts nicht gefolgt: Bezugspunkt desselben ist grundsätzlich eine konkrete einzelne Ausfuhranmeldung!

Heikler noch als diese Frage aber ist folgende: Wer hat eigentlich zu beweisen, zu welcher Ausfuhranmeldung bei einem "Sammeltransport" verendete Tiere gehören? Wer trägt also dafür die materielle Feststellungslast (also die Folgen einer nicht möglichen Zuordnung der verendeten Tiere zu einer bestimmten Ausfuhrsendung), wer die formelle und wer hat etwa welche Mitwirkungspflichten?

Die Verordnung sagt dazu gar nichts. Die allgemeinen Lehren der Beweislastverteilung stellen mehrere, mitunter gegenläufige Regeln auf: Eine davon ist, dass derjenige die materielle Beweislast tragen muss, der für Aufklärung sorgen kön...

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