Leitsatz

1. Betriebsstätten sind die erzielten BE (Vermögensmehrungen) und BA (Vermögensminderungen) zuzuordnen. Dabei ist darauf abzustellen, auf welche Tätigkeiten oder Wirtschaftsgüter die BE (Vermögensmehrungen) zurückzuführen sind, wer die Tätigkeiten ausgeübt hat und welcher Betriebsstätte die ausgeübten Tätigkeiten oder die eingesetzten WG tatsächlich zuzuordnen sind. In gleicher Weise sind die BA (Vermögensminderungen) festzustellen und zuzuordnen.

2. Kommt ein Steuerpflichtiger diesbezüglich seinen Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 AO nicht nach, so kann das FG seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde legen, für den die größte Wahrscheinlichkeit spricht.

 

Normenkette

§ 90 Abs. 2 AO , § 162 Abs. 1 AO , § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG

 

Sachverhalt

Sowohl der Kläger als auch die Klägerin betrieben – jeder für sich – eine Galerie mit Kunsthandel, der eine in der Schweiz, die andere in Deutschland. Der Kläger wohnte (nur) in der Schweiz, die Klägerin (nur) in Deutschland. Gemeinsam führten sie Kunstwerke nach Deutschland ein und verkauften diese. An den Gewinnen waren sie jeweils hälftig beteiligt. Tatsächlich wurde im Streitjahr wohl so verfahren, dass der Kläger die Bilder einkaufte und die Klägerin sie verkaufte. Die Einkaufsentscheidungen wurden gemeinsam getroffen und ebenso die Verkaufspreise gemeinsam bestimmt.

Das FA nahm an, die beiden seien in einer GbR verbunden. Als solche wurden die Einkünfte beiden jeweils hälftig als steuerpflichtig zugerechnet. Das FG bestätigte die Annahme der GbR (in Gestalt mehrerer sog. Metagesellschaften = Umsatzgeschäfte, welche nach innen auf gemeinsame Rechnung, nach außen hin aber getrennt getätigt werden). Es rechnete den Gewinn jedoch zur Hälfte der Schweizer Betriebsstätte dieser GbR zu und sah den deutschen Fiskus insoweit nicht als besteuerungsberechtigt an.

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Zwar habe dieses zutreffend angenommen, dass das FA eine gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO habe treffen müssen, in der die steuerpflichtigen Einkünfte festzustellen seien. Daneben komme aber gem. § 180 Abs. 5 AO die Feststellung der (aufgrund DBA) steuerfreien Einkünfte in Betracht, um die Beträge festzuhalten, die bei den Gesellschaftern (hier der Klägerin) dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG) unterfallen.

In diesem Zusammenhang müssten die einkommensteuerpflichtigen und -freien Einkünfte ermittelt werden. Das setzte voraus, dass die BE und die BA den jeweiligen Betriebsstätten der beiden Kläger in der Schweiz oder in Deutschland zugerechnet würden. Dafür maßgebend sei die tatsächlich-funktionale Zugehörigkeit der BE und der BA.

Das FG habe es sich zu leicht gemacht, indem es sich stattdessen schlicht auf den Gewinnverteilungsschlüssel zwischen den beiden Beteiligten Gesellschaftern zurückgezogen habe. Dieser Maßstab von 50 : 50 sei zwar denkbar, vielleicht spreche für diesen auch die größte Wahrscheinlichkeit. Bevor das FG sich aber darauf zurückziehen könne, müssten zunächst einmal entsprechende Feststellungen getroffen werden. Solange solche ausstünden und solange noch nicht abgeklärt sei, ob die Beteiligten ihren Mitwirkungspflichten nachkämen, gelte das "Primat des Tatsächlichen". Für Vermutungen o.Ä. sei bis dahin kein Platz.

 

Hinweis

1. In der April-Ausgabe der BFH-PR wurden diverse Entscheidungen des BFH vorgestellt, in denen es um die Frage danach ging, wem nach Maßgabe des Abkommensrechts Sonder-BE und Sonder-BA im Zusammenhang mit einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) zuzurechnen sind, die "über die Grenze" tätig wird, sei es unter Beteiligung eines Ausländers an einer inländischen Personengesellschaft, sei es unter Beteiligung eines Inländers an einer ausländischen Personengesellschaft. Vgl. z.B. Urteile vom 20.7.2002, I R 71/01, BFH-PR 2003, 122 und vom 16.10.2002, I R 17/01, BFH-PR 2003, 128.

Credo dieser Entscheidungen war (u.a.): Sonder-BE und -BA werden nicht nach Maßgabe rechtlicher Fiktionen zugeordnet, wie eine solche z.B. in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG enthalten ist. Ausschlaggebend ist nach abkommensrechtlichen Grundsätzen vielmehr das tatsächlich-funktionale"Zugehören" der Einnahmen und Ausgaben zu der in- oder ausländischen Betriebsstätte (wobei eine von einer Personengesellschaft unterhaltene Betriebsstätte abkommensrechtlich allen an der Gesellschaft beteiligten Personen als eigene zugerechnet wird, ohne dass der Gesellschafter weitere Voraussetzungen erfüllen müsste).

2. Vor dem Hintergrund dieser Kernaussagen ging es im Urteilsfall nicht um Sonder-BE und -BA, sondern um BE und BA der Personengesellschaft. Am Ergebnis ändert dies freilich nichts: Erneut ist eine entsprechende tatsächliche Aufklärungsarbeit durch das FA und das FG zu leisten. Nur dann, wenn diese scheitern, weil der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 AO nicht hinreichend nachkommt, kann das FG sich auf diejenige Sachverhaltsverwirklichung zurückziehen, für die die größte Wahrschei...

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